Schwellenländer-Krise im Anmarsch? – Ist die Türkei ein Einzelfall oder erst der Anfang?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Seit die amerikanische Notenbank ihren Kurs des billigen Geldes aufgegeben hat und die Zinsen wieder anzieht, haben sich viele gefragt, warum der Dollar auf den Richtunsgswechsel nicht stärker reagiert? Vielleicht, weil viele Anleger das falsche Devisenpaar im Auge hatten oder haben wollten: Nämlich Euro/Dollar.

Obwohl die EZB ihre lockere Geldpolitik beibehielt und die Fed genau die andere Richtung einschlug, wertete der Dollar gegenüber der europäischen Gemeinschaftswährung nicht auf. Das Gegenteil war der Fall. Zu Jahresbeginn wurde der Euro gegenüber dem Dollar immer stärker. Erst als Donald Trump Zollstreitigkeiten anzettelte und nicht nur mit China auf Konfrontationskurs ging, reagierte das Devisenpaar mit einem stärker werdenden US-Dollar.

Was aber viele wohl nicht sehen wollten, gegenüber Währungen in den Schwellenländern wurde der Dollar schon viel früher stärker. Hier und da warnte zwar schon einmal ein Experte, dass sich in den Schwellenländern was zusammenbraut, aber so richtig beachten wollte es an den Märkten keiner.

Beispiel Türkische Lira: Jetzt, da sich die USA und die Türkei in den Haaren haben, rückt der Währungsverfall in den Vordergrund, da er sich beschleunigt hat. Allerdings wertet die türkische Währung schon seit September 2017 gegenüber dem Dollar ab. Bis vor kurzen hat es die Märkte aber nicht sonderlich gestört oder sie wollten es einfach nicht beachten.

Die Türkei ist kein Einzelfall und das Problem an sich, ist ebenfalls nicht neu. Viele Schwellenländer verschulden sich in Dollar oder vielleicht auch Euro. Solange die heimische Währung halbwegs stabil läuft und die Zinsen niedrig bleiben, klappt das Konstrukt mit den Schulden. Verändern sich die Vorzeichen, sprich die eigene Währung wird schwächer und die Zinsen steigen, dann wird es schwieriger bis unmöglich die Schuldenlast zu stemmen.

Solche Fälle haben wir in der Vergangenheit schon häufiger mal erlebt. Als Beispiel sei hier die Asien-Krise genannt, die Ende 1997 die Finanzmärkte kräftig durchschüttelte. Einige Experten sehen hier gewissen parallelen und deuten die Lage am Bosporus als Vorboten einer „Emerging Markets Krise“

Noch Anfang Mai sah der neue Chef der amerikanischen Notenbank, Jerome Powell, keine größeren Probleme auf die Schwellenländer zukommen. „Ich wische die voraussichtlichen Risiken nicht weg, die von der globalen Normalisierung der Geldpolitik ausgehen.“ Die Fed werde daher ihre Strategie so klar und transparent wie nur möglich kommunizieren, um die Erwartungen zu steuern und Börsenturbulenzen zu vermeiden. Trotz dieser warmen Worte sind in den ersten beiden Mai-Wochen 5,5 Milliarden Dollar aus den Schwellenländern abgeflossen.

Der Plan von dem Powell Anfang Mai ausging: Mindestens noch zwei Zinserhöhungen in diesem Jahr. Aber genau dieser Weg könnte die Krise in den Schwellenländern noch verschärfen. Die Indische Rupie und der Argentinische Peso zum Beispiel haben ebenfalls neue Rekordtiefs gegenüber dem US-Dollar erreicht. Bleibt die amerikanische Notenbank bei ihrem Kurs, könnte sich auch die Lage auch hier zuspitzen.

Allerdings haben bereits im Mai schon einige Experten vor einer überzogenen Panik gewarnt. Die bei der DWS für Schwellenländer zuständige Volkswirtin, Elke Speidel-Walz, hatte gegenüber Börse ARD die Türkei und Argentinien quasi als Sonderfälle beschrieben. „Von den 20 wichtigsten Schwellenländern weisen nur zwei ein Leistungsbilanzdefizit von über drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf. Es scheint kein Zufall zu sein, dass ausgerechnet die Währungen dieser beiden Länder, Türkei und Argentinien, unter Druck geraten sind, was deren Zentralbank zu saftigen Zinserhöhungen zwingt.“

Bislang hat sich die türkische Notenbank aber eher bedeckt gehalten und die letzten Versuche die eigene Währung zu stützen sind auch schnell wieder verpufft. Es ist also noch nicht raus, ob die Krise am Bosporus sich auf die Schwellenländer ausdehnt. Trotzdem werden die Anleger vorsichtiger und das dürfte auch keine Fehler sein. Die Devisen-Märkte reagieren in vielen Fällen zuerst und ein wenig später ziehen die Aktien-Märkte nach.

Von Markus Weingran

Foto: Romolo Tavani / Shutterstock.com

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