So teuer wird der Brexit für die Finanzbranche

Fundresearch · Uhr

Der Brexit wird weitreichende Auswirkungen auf Politik, Wirtschaft und die Bürger haben. In Großbritannien sowieso. Aber auch auf dem europäischen Festland werden die Folgen spürbar sein. Es fängt an mit Zöllen, die hochgezogen werden, geht weiter mit einer neu aufzusetzenden Bürokratie, die dann allein durch ihre Langsamkeit ganze Warenlieferketten lahmlegt. Und es endet damit, dass im Laufe der Zeit zunehmend unterschiedliche Standards, Gesetze und Richtlinien für immer mehr Inkompatibilitäten zwischen den Dienstleistungen und Produkten auf beiden Seiten des Ärmelkanals sorgen. Dabei wäre es so einfach gewesen. Großbritannien hat in seiner gesamten EU-Historie immer eine Sonderrolle gespielt, ohne dass es ihnen übel genommen wurde. So hat die EU, sonst grundsätzlich auf Einheitlichkeit drängend, den Briten niemals abgewöhnen wollen, Lenkräder auf der rechten Seite zu bauen. Aber wer rechnet auch damit, dass einmal eine hochentwickelte Industrienation wie Großbritannien zum Geisterfahrer mutiert. Jetzt fällt der Brexit Europa auf die Füße.

Das wird teuer. Gerade die Finanzbranche und dabei insbesondere die Investmentbanken werden zu spüren bekommen, dass die Trennung der Insel vom Festland milliardenschwere Folgen hat. Der Hauptgrund dafür ist, dass das europäische Finanzzentrum London wahrscheinlich seinen uneingeschränkten Zugang zum europäischen Binnenmarkt verlieren wird. Vor allem für Großbritannien könnte das erhebliche Konsequenzen haben. So hat Deutsche Bank Research ausgerechnet, dass der Finanzsektor einen Anteil von 6,6% an der Bruttowertschöpfung des Landes ausmacht. In keinem anderen europäischen Land spielt die Finanzindustrie im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung eine so große Rolle wie in Großbritannien. Finanzdienstleistungen sind Großbritanniens wichtigste Exportartikel  - und sie gehen zu 43% in die EU.

„Ohne den Überschuss, den Großbritannien mit der Erbringung von Investmentbanking-Dienstleistungen für Kunden aus der EU erzielt, wäre das britische Leistungsbilanzdefizit rund 50% höher“, resümieren die Autoren des Deutsche Bank Research-Reports.

Was vielen Briten, die für den Austritt Großbritanniens aus der EU wohl nicht bewusst gewesen sein dürfte, als sie mit ihrer Entscheidung auch gleich alle Ausländer aus ihrem Land verbannen wollten: Ausländische Banken machen fast 50% des britischen Bankensystems aus und dominieren das Investmentbanking-Geschäft in London. Der Großteil ihres drei Billionen Euro schweren Geschäfts wird über Filialen abgewickelt, die derzeit den Europäischen Pass nutzen, um EU-weit Dienstleistungen anzubieten. Insbesondere Nicht-EU-, aber auch britische Banken werden diese Möglichkeit nach dem Brexit wahrscheinlich nicht mehr haben und gezwungen sein, ihr EU-Geschäft auf den Kontinent zu verlagern. Sie werden existierende Tochtergesellschaften in der EU-27 aus- oder neue aufbauen müssen, mit eigener Kapital- und Liquiditätsausstattung und eigenständigen Strukturen und Geschäftsprozessen. Das, so die Studie, könnte dazu führen, dass in der EU-27 zusätzliche 35 bis 45 Milliarden Euro an Eigenkapital separat vorgehalten werden müssen.

Das Investmentbanking ist besonders von steigenden Kosten bedroht

Ausgerechnet das Investmentbanking, der große Gewinnbringer der Finanzindustrie, steht vor besonderen finanziellen Herausforderungen. Fatal für die Briten: Dieser Bereich steht für fast drei Viertel der britischen Finanzdienstleistungsexporte. Derivate spielen dabei eine wesentliche Rolle: London ist neben New York das wichtigste Finanzzentrum für den Handel mit Devisen und Zinsderivaten. Auch die zentrale Abwicklung der allermeisten Zinsswaps, die auf Euro lauten, findet in London statt. Würde die EZB verlangen, dass das Clearing auf den Kontinent verlagert wird, müssten erhebliche Sicherheiten auf den Kontinent verschoben werden - die Deutsche Bank rechnet hier mit bis zu 14 Milliarden Britischen Pfund. Zudem könnte durch Marktfragmentierung und damit wegfallende Netting-Möglichkeiten ein zusätzlicher Sicherheitenbedarf von mindestens 6 bis 25 Milliarden Pfund entstehen.

Für die großen Investmentbanken ist nicht nur der Verlust des Europäischen Passes nach dem Brexit problematisch, sondern auch die Vorschläge der EU, nach denen große Nicht-EU-Banken ihr Geschäft in Zukunft über eigenständige Tochtergesellschaften abwickeln müssen. Dies bedeutet eine weitere Fragmentierung mit separat gebundenem Eigenkapital, Liquidität und Ressourcen. Die Profitabilität der Banken wird darunter leiden. Einige EU-Geschäftsmodelle werden sich dann wohl nicht mehr rechnen. Die DB Research-Experten rechnen damit, dass das eine oder andere Geschäftsmodell deshalb verschwinden wird.

Die Deutsche Bank-Studie als PDF-Dokument.

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