Steinhoff verschiebt Zahlenvorlage – Aktie bricht um fast 60 Prozent ein

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Neue Informationen über Unregelmäßigkeiten belasten den internationalen Möbelhändler Steinhoff. Die Aktie gerät massiv unter Druck.

Die Poco-Mutterkonzern Steinhoff zieht im schwelenden Bilanzskandal die Notbremse: Der Möbelhaus-Konzern trennt sich wegen Unregelmäßigkeiten in den Büchern von seinem Chef - und verschiebt die Vorlage seiner Jahreszahlen auf unbestimmte Zeit. Auch der Chef der Afrika-Tochter Star nimmt seinen Hut. Die Börsenaufsicht in Südafrika prüft mögliche Fälle von Insiderhandel mit Steinhoff-Papieren. Für die im MDax notierten Steinhoff-Aktien geht es steil abwärts. Zum Handelsstart am Mittwoch stürzte ihr Kurs um 56 Prozent auf 1,328 Euro in die Tiefe.

Bereits am Vorabend hatte sich Steinhoff mit sofortiger Wirkung vom bisherigen Konzernchef Markus Jooste getrennt. Aufsichtsratschef Christo Wiese soll den Konzern nun übergangsweise führen. Als Grund nannte die Gesellschaft neue Informationen über finanzielle Unregelmäßigkeiten. Möglicherweise müssten auch die Zahlen von früheren Jahren geändert werden. Die Prüfgesellschaft PwC soll nun eine unabhängige Untersuchung durchführen.

Die geprüften Zahlen für das Ende September abgelaufene Geschäftsjahr will das Unternehmen nun erst veröffentlichen, sobald es dazu in der Lage ist, wie es hieß. Eigentlich war die Zahlenvorlage für Mittwochmorgen vorgesehen.

Commerzbank-Analyst Andreas Riemann warnte vor Investitionen in den Konzern. Anleger sollten ihre Finger von den Aktien des Möbelkonzerns lassen, schrieb er am Morgen in einer Studie. Die Untersuchungen seien eine schlechte Nachricht und stellten ein großes Fragezeichen hinter die Ergebnisse der vergangenen Jahre. Sein Kollege Stephen Carrott von JPMorgan Cazenove senkte seine Empfehlung von "Overweight" auf "Neutral".

Steinhoff ist in Deutschland vor allem durch seinen Möbeldiscounter Poco bekannt. Der Konzern hat seinen Rechtssitz in Amsterdam und hat sein operatives Hauptquartier in Südafrika. In den USA hatte der Konzern im vergangenen Jahr den Matratzenhändler Matress Firm zugekauft.

Im September brachte Steinhoff seine Afrika-Tochter Star an die Börse. In dieser sind neben Möbel- und Textilketten auch Elektronikhändler, Baustoffmärkte und Finanzdienstleitungen gebündelt. Star-Chef Ben La Grange gab am Mittwoch ebenfalls seinen Rücktritt bekannt, Nachfolger wird Leon Lourens. Dabei beteuerte der Konzern, von den Vorgängen bei Steinhoff nicht betroffen zu sein.

Im Sommer hatte das "Manager Magazin" im Fall von Steinhoff über Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Oldenburg wegen des Verdachts der Bilanzfälschung berichtet. Bereits daraufhin brach der Aktienkurs ein. Steinhoff hatte die Vorwürfe unredlicher Geschäftspraktiken zurückgewiesen. "Wesentliche Fakten und Vorwürfe sind falsch oder irreführend", teilte der Konzern Ende August mit. Zudem habe das Unternehmen schon im Jahr 2015 auf Untersuchungen wegen Bilanzfragen hingewiesen.

Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hatte bestätigt, dass sie Ermittlungen gegen Manager eines Möbelkonzerns aufgenommen hat. Ermittelt werde gegen "vier aktuelle und ehemalige Verantwortliche eines Konzerns, zu dem unter anderem ein Möbelhandel-Unternehmen in Westerstede gehört, wegen des Verdachts der unrichtigen Darstellung in Bilanzen". "Hierdurch könnte gegebenenfalls auch der Bilanzwert des Konzerns zu hoch dargestellt worden sein." Steinhoff hat seine Europa-Zentrale in Westerstede.

Im Fokus der Ermittlungen standen laut Staatsanwaltschaft Verträge über Verkäufe von Firmenanteilen im jeweils dreistelligen Millionenbereich. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens sei zudem eine Strafanzeige einer dritten Person wegen des Verdachts der Urkundenfälschung erstattet worden.

Zudem schwelt ein Rechtsstreit zwischen Steinhoff und einem ehemaligen Joint-Venture-Partner. Im September stellten die OM Handels GmbH und WM Handels GmbH bei der Handelskammer des Amsterdamer Gerichtshofs einen Antrag auf ein Verfahren im Zusammenhang mit dem Jahresabschluss 2016. Die Unternehmen gehörten dem früheren Geschäftspartner.

Am Dienstag gab nun die südafrikanische Finanzaufsicht bekannt, dass sie mögliche Fälle von Insiderhandel mit Aktien verschiedener Unternehmen prüft, darunter die von Steinhoff.

onvista/dpa-AFX
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