Top-Ökonomen auf Reuters-Forum - Omikron wird kein Konjunktur-Killer

Reuters · Uhr (aktualisiert: Uhr)

- von Reinhard Becker und Rene Wagner und Klaus Lauer

Berlin (Reuters) - Das Aufkommen der neuen Corona-Variante Omikron wird die deutsche Wirtschaft laut führenden Ökonomen wohl nicht abwürgen.

"Wir gehen davon aus, dass es keinen vollen Lockdown geben wird", sagte die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer am Dienstag auf einer Veranstaltung zum 50-jährigen Jubiläum des Deutschen Reuters-Dienstes. Die neue Mutante des Coronavirus breitet sich immer weiter aus und taucht auch in Europa zunehmend auf. Diese Mutante dürfte nicht zum "Konjunkturkiller" werden, so Schnitzer. Doch die Erholung falle wegen der vierten Corona-Welle wohl schwächer aus als bislang erwartet. Das Vorkrisenniveau werde voraussichtlich nicht wie bislang erwartet schon im ersten Quartal 2022 wieder erreicht. Die Prognosen des Sachverständigenrates für das Wirtschaftswachstum von 2,7 Prozent in diesem und von 4,6 Prozent im kommenden Jahr müssten wohl etwas abgeschwächt werden, signalisierte die Münchner Ökonomin.

Ifo-Präsident Clemens Fuest geht davon aus, dass die deutsche Wirtschaft im laufenden Winterhalbjahr trotz der Corona-Krise nicht schrumpfen wird. "Eine Rezession würde ich jetzt nicht erwarten", sagte der Forscher. "Wir rechnen eher damit, dass wir eine Stagnation bekommen im vierten Quartal." Anfang 2022 sollte es dann ein leichtes Wachstum geben. Im Frühjahr war die deutsche Wirtschaft noch um 2,0 Prozent gewachsen und im Sommer um 1,7 Prozent.

PROGNOSEN IMMER WIEDER ZU OPTIMISTISCH

Etwas skeptischere Töne schlug DIW-Präsident Marcel Fratzscher an. Sein Institut erwarte eine leicht schrumpfende Wirtschaft im letzten Quartal dieses Jahres. Dabei hänge auch vieles davon ab, wie das Weihnachtsgeschäft im Dezember laufe. Zwar gebe es die Hoffnung, dass Deutschland um eine Rezession herumkomme, sagte der Berliner Ökonom: "Die ehrliche Antwort ist aber, wir wissen es nicht." Er verwies darauf, dass sich Prognosen im Verlauf der Pandemie immer wieder als zu optimistisch erwiesen hätten.

Zugleich sieht Fratzscher die Entwicklung auf dem deutschen Immobilienmarkt skeptisch und warnt vor Preisblasen. Es gebe zwar nicht flächendeckend, aber punktuell in Ballungsgebieten Anzeichen dafür: "Wenn irgendwann diese Blase platzt und dann eine zu hohe Verschuldung da ist, kann es zu wirtschaftlichen Verwerfungen kommen." Eine Immobilienpreisblase sei für Zentralbanken sehr viel wichtiger als eine Überbewertung bei Aktien. "Deshalb muss man bei den Immobilienmärkten sehr genau aufpassen."

Laut einer Reuters-Umfrage unter Immobilienexperten werden die Häuserpreise noch auf Jahre hinaus steigen - wenn auch nicht mehr so rasant wie zuletzt. Und die Bundesbank warnte jüngst vor zunehmenden Gefahren. 2020 seien die Preise für Wohnimmobilien mit im Schnitt plus 6,7 Prozent erneut kräftig gestiegen und es werde vielfach mit weiter anziehenden Preisen gerechnet.

Die Wirtschaft muss nach Ansicht der Bundesbank zugleich noch längere Zeit mit einer kräftig erhöhten Inflation leben. Hohe Preise für das Tanken und Heizen trieben die Teuerungsrate hierzulande im November erstmals seit fast 30 Jahren über die Marke von fünf Prozent. Waren und Dienstleistungen kosteten 5,2 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Und im Euroraum wurden 4,9 Prozent erreicht, der höchste Wert seit Beginn der Währungsunion.

Die Wirtschaftsweise Schnitzer sieht derzeit aber keine Anzeichen für einen andauernden Inflationsschub. Die momentan sehr hohe Teuerung werde von temporären Effekten wie etwa der Mehrwertsteuersenkung im zweiten Halbjahr 2020 getrieben. Auch die Energiepreise seien sehr stark gestiegen. Ein "bisschen mehr" sei bei den Energiekosten zwar noch zu berücksichtigen. Doch sei dennoch mit einem Rückgang der Inflationsrate im kommenden Jahr zu rechnen, sagte die 60-Jährige.

Dabei sei es entscheidend, dass es nicht zu sogenannten Zweitrundeneffekten komme - also, dass beispielsweise über kräftige Lohnerhöhungen eine Spirale höherer Preise in Gang gesetzt werde. Sie stimme dabei der Abschluss der Gewerkschaft Verdi zuversichtlich, der moderat ausgefallen sei. "Erst Ende nächsten Jahres gibt es eine Lohnerhöhung", fügte sie hinzu. Die rund 1,1 Millionen Tarifbeschäftigten der Länder bekommen 2,8 Prozent mehr Geld und einen steuerfreien Corona-Bonus von 1300 Euro. Die Bezüge erhöhen sich dabei am 1. Dezember 2022, während die Corona-Sonderzahlung - für Auszubildende und Studierende 650 Euro - schon Anfang nächsten Jahres kommt.

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