Türkei-Krise schlägt nicht nur Dax auf den Magen – Staatspleite wird durchgespielt

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Am deutschen Markt macht sich heute die Krise in der Türkei zum ersten Mal richtig bemerkbar. Die Androhungen von neuen US-Sanktionen wegen des festgehaltenen US-Pastors Andrew Brunson werden immer präsenter in den Köpfen der Anleger und sie trennen sich zusehends von türkischen Aktien und Anleihen. Damit verschärft sich die Situation am Bosporus immer weiter.

Aber nicht nur am türkischen Aktienmarkt geht es hoch her, auch in der DAX-Familie werden Unternehmen im Zusammenhang mit der Türkei verkauft. Prominentestes Beispiel ist die Deutsche Bank. Morgan Stanley hat das Geldhaus wegen seiner Aktivitäten in der Türkei heute abgestuft. Die Aktie ziert mit über 3 Prozent Minus das Dax-Ende.

Die Deutsche Bank steht aber nicht alleine unter Druck. Europaweit werden die Banken wegen der Unsicherheiten in der Türkei heute gemieden. Die EZB-Bankenaufseher schauen sich einen Medienbericht zufolge wegen des drastischen Verfalls der türkischen Währung die Verbindungen europäischer Geldhäuser zu dem Land an.

Insgesamt würden die Aufseher die Situation zwar noch nicht als kritisch einstufen, berichtete die „Financial Times“ heute unter Berufung auf zwei mit dem Vorgang vertraute Personen. Die Großbanken BBVA aus Spanien, die italienische Unicredit und die französische BNP Paribas seien aber besonders exponiert. Diese hätten bedeutende Geschäfte in dem Land am Bosporus. Die Aufseher würden die Situation schon seit einigen Monaten verfolgen.

Im MDax ist die Aktie von Ströer als „Türkei-Opfer“ ausgemacht. Für den Außenwerbespezialisten ist der türkische Markt nach dem Heimatmarkt der wichtigste. Die hohen Verluste der Lira und die unsicheren Aussichten auf den Konsum in der Türkei könnten die Ströer-Zahlen in Zukunft belasten. Daher werden die Anleger auch hier vorsichtiger.

Investoren sind in Alarmbereitschaft

Am Devisenmarkt hat sich der Kursverfall der türkischen Währung kurz vor dem Wochenende rasant beschleunigt. Am Morgen kam es im Handel mit dem US-Dollar zeitweise zu einem Kurseinbruch um 13,5 Prozent. Der Kurs fiel auf ein neues Rekordtief bei 6,3005 Lira für einen Dollar. Auch im Handel mit dem Euro ging es rasant abwärts und erstmals wurden mehr als sieben Lira für einen Euro gezahlt. Anfang des Jahres waren es nur 4,50 Lira. Im Vormittagshandel konnte sich der Kurs der Lira aber wieder etwas erholen.

Analysten der Landesbank-Baden-Württemberg (LBBW) sprachen von einer Vertrauenskrise, die einen „Abwärtsstrudel“ bei der türkischen Lira ausgelöst habe. Anfangs waren noch mangelnde Rechtssicherheit, eine starke Inflation und die Sorgen um die Unabhängigkeit der Zentralbank das Hauptproblem für die türkische Währung. Mittlerweile wird nach Einschätzung der LBBW an den Märkten aber auch die Möglichkeit einer Staatspleite (Default) der Türkei durchgespielt.

Zuletzt sind die Prämien der Kreditausfallversicherungen (CDS) auf türkische Staatspapiere auf mehrjährige Höchststände geklettert. Als Ursache für die jüngste Zuspitzung an den türkischen Finanzmärkten gilt auch die Unsicherheit der Anleger vor der Veröffentlichung eines neuen Wirtschaftsmodells, das der türkische Finanzminister Berat Albayrak an diesem Freitag vorstellen will.

Am Markt waren schon einige Punkte des neuen Wirtschaftsprogramms durchgesickert. Demnach will die türkische Führung ihre Wachstumsprognose offenbar etwas zurücknehmen und die Inflation in den einstelligen Bereich senken. Im Juli hatte die Inflationsrate in der Türkei 16,30 Prozent betragen.

Zeitgleich zu den starken Verlusten der Lira ging es auch mit den Kursen der in US-Dollar ausgegebenen türkischen Staatsanleihen deutlich nach unten. Am Vormittag stieg die Rendite in der zehnjährigen Laufzeit um 0,33 Prozentpunkte auf 7,88 Prozent. Am Aktienmarkt beruhigte sich die Lage unterdessen schnell. Nach anfänglichen Kursverlusten stabilisierte sich der Markt zuletzt.

Onvista / dpaAFX

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