Ungutes Börsengemisch

Stefan Riße · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Die Leser dieser Kolumne wissen, dass ich immer wieder darauf hingewiesen habe, dass man die Finanzmärkte nicht prognostizieren kann, indem man die politischen Ereignisse richtig voraussagt. Deutlich wurde dies noch einmal in den Börsenjahren 2017 und 2018. Beide waren von politisch eher schwierigen Ereignissen geprägt. Dennoch war 2017 ein hervorragendes, aber 2018 ein lausiges Börsenjahr. Entscheidend ist, auf welche grundsätzliche Tendenz politische Ereignisse treffen. Denn hiervon hängt es ab, ob ein politisches Ereignis nur die berühmten kurzen Beine hat oder Auslöser für eine längere Bewegung in die eine oder andere Richtung ist. Die grundsätzliche Tendenz entscheidet die Liquiditätssituation, die zum einen durch die Notenbankpolitik insbesondere der USA bestimmt wird und zum anderen durch die Fragestellung, wie stark die Anleger bereits in Aktien investiert sind, wie hoch beispielsweise die Investitionsquote der Fondsmanager in Aktien etc.

Es fehlt noch an Frische

Liquidität durch die amerikanische Zentralbank Federal Reserve (FED) wurde zuletzt in Aussicht gestellt, in dem ihr Präsident eine mögliche Zinssenkung andeutete. Noch aber ist hier nichts passiert. Derzeit verkauft sie noch Anleihen aus Ihrem Bestand und schöpft Liquidität ab. Währenddessen hat sich die Situation auf der Anlegerseite durch die Verluste im Mai deutlich verbessert. Es herrscht zunächst einmal ziemlich großer Pessimismus, so dass kurzfristig Kurserholungen nicht überraschen würden.

Politischer Sprengstoff

Eine solche technische Erholung, die oft dadurch gespeist wird, dass Anleger, die durch Leerverkäufe auf fallende Kurse gesetzt haben, unter dem Druck der steigenden Kurse ihre Position eindecken müssen, dauert aber nicht ewig. Ist dieser Prozess abgeschlossen, findet die Bewegung meist ihr Ende. Dann nämlich, wenn es an frischer Liquidität fehlt. Dies ist – wie oben beschrieben – aktuell der Fall. In dieser Konstellation ist der Markt durchaus sehr anfällig für schlechte politische Nachrichten. Und hier muss man feststellen, dass das Gebräu ausgesprochen bitter ist. Einen großen Handelsdeal mit China wird es nicht geben. Alle Zeichen stehen auf Eskalation. Dann bereiten nach meiner Interpretation die USA einen militärischen Schlag gegen den Iran vor. Die Agitation hört sich in jedem Fall so an. Hinzu kommt die Gefahr, dass Boris Johnson Nachfolger von Theresa May wird. Damit ist ein harter Brexit zum 31. Oktober so wahrscheinlich wie nie zuvor. Auch dies dürfte den Handel und vor allem Deutschland mit seiner hohen Exportabhängigkeit treffen. Und die Unsicherheit, die vor allem von der Handelspolitik Donald Trumps ausgeht, hat bereits dazu geführt, dass wir uns global in einer Konjunkturabkühlung befinden.

Kein Abgesang auf die Aktie

Ist dies nun die Aufforderung, sich aus dem Aktienmarkt gänzlich zu verabschieden? Nein, ganz sicher nicht. Es gibt ja immer weniger Alternativen, denn auch in den USA fallen die Zinsen langlaufender Anleihen schon wieder deutlich und dies seit Monaten. Es könnte aber erst einmal stürmisch werden, bevor dann tatsächlich geldpolitische Schritte unternommen werden, die mit Zeitverzögerung die Aktienmärkte wieder nach oben befördern, selbst wenn die Situation in der Welt noch nicht rosig aussehen sollte. 2020 könnte dann ein hervorragendes Börsenjahr werden.

Für langfristig orientierte Anleger heißt dies, die berühmten Schlaftabletten von André Kostolany einzunehmen. Mittelfristig agierende Anleger können auch mal an Gewinnmitnehmen denken und etwas in Deckung gehen.

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