Was das Investieren mit Quantenphysik zu tun hat

Bernd Schmid · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Manchmal stößt man auf Juwelen, wenn man es am wenigsten erwartet. Diese Woche bin ich auf die Rede eines Investors gestoßen, die man zu den besten Reden über das Investieren überhaupt zählen kann.

Sie kam nicht von einem Warren Buffett oder einem Peter Lynch, und sie ist auch nicht erst vor Kurzem gehalten worden. Es handelt sich um eine Keynote Speech eines gewissen Dean Williams am Rockford College aus dem Jahr 1981 mit dem Titel „Trying Too Hard“ („Sich zu viel Mühe geben“). Sie enthält zahlreiche zeitlose Weisheiten über das Investieren.

Von der Newton’schen Physik über die Quantenphysik hin zum Investieren

Williams beginnt damit zu erklären, dass die Newton’sche Physik darauf beruhe, dass physikalische Ereignisse rationalen, physikalischen Gesetzen unterliegen. Und dass wir unser Wissen und unseren Einfluss auf unsere Umwelt erweitern können, wenn wir diese Gesetze nur ausreichend genug verstünden.

Genau das, so fährt Williams fort, sei auch die Grundlage der Aktienanalyse und der Wirtschaftswissenschaften ‒ rationale und vorhersehbare ökonomische Kräfte, anhand derer man das Geschehen analysieren könne und einschätzen, was die Zukunft bringe.

Zwei bis drei Jahrzehnte nach Williams’ Rede hat sich zwar in die Ökonomie immer mehr die Erkenntnis eingeschlichen, dass dies nicht der Fall ist. Der Homo oeconomicus existiert gar nicht. In Wirklichkeit werden unsere Entscheidungen wesentlich durch Emotionen bestimmt.

Beim Investieren ist es trotzdem so, dass wir auch heute noch als Anleger möglichst alles wissen wollen, was es zu einem Unternehmen zu wissen gibt, in das wir vorhaben zu investieren. Wir glauben, dass wir mit all diesem Wissen besser vorherbestimmen können, wohin die Reise eines Unternehmens geht.

Oder, wie Williams es sagt: „Wenn wir uns nur ausreichend Mühe geben … wenn wir nur jedes Detail eines Unternehmens studieren … wenn wir nur genau die richtigen Variablen für unsere Prognosemodelle finden … die Gewinne, Kurse und Zinsen sollten alle auf einer rationalen und vorhersehbaren Grundlage beruhen.“

Genau wie in der Physik. Wir können die Flugbahn einer Flasche millimetergenau vorhersagen, wenn wir nur die richtigen Parameter kennen ‒ wie es auf der diesjährigen Robocon in Japan eindrucksvoll unter Beweis gestellt wurde.

Unsere Wirtschaft und die Entwicklung von Unternehmen hängt jedoch maßgeblich von den Entscheidungen ab, die Menschen treffen. Und diese Entscheidungen beruhen wiederum nicht auf einer rein rationalen Grundlage. Dementsprechend kann man mit den detailliertesten Modellen die Zukunft nicht besser vorhersagen, wie man die Newton’sche Physik im kleinen, subatomaren Bereich anwenden kann.

In dieser Quantenwelt bestimmen andere Dinge das Geschehen. Diese wird von Wahrscheinlichkeiten bestimmt. Schießt man ein Elektron in Richtung einer Platte mit zwei Schlitzen und auf eine dahinter liegende Wand, dann lässt sich nicht genau vorhersagen, wo das Elektron auf der Wand landet. Es gibt Stellen, an denen es am wahrscheinlichsten landet, und es gibt Stellen, an denen es gar nie landen wird.

Genauso sollten wir über das Investieren denken. Und zwar ganz egal, ob wir makroökonomisch oder unternehmensorientiert investieren. Es ist immer so einfach, im Nachhinein zu sagen: Das hätte man doch vorher wissen können, dass X oder Y mit dem Unternehmen passiert. Hätte ich doch nur investiert (im positiven Fall) / nicht investiert (im negativen Fall). Das hat doch jeder von uns schon getan, wenn wir ehrlich sind.

Die Wahrheit aber ist, dass es nicht anders ist als bei den Elektronen und den zwei Schlitzen. Am Ende wissen wir, wo das Elektron gelandet ist. Sagen wir, es landet genau in der Mitte der Mauer, genau zwischen den beiden Schlitzen (dort ist es am Wahrscheinlichsten). Ein Physiker würde dann nicht sagen: Ich habe es doch gewusst. Nein. Nur weil es in der Realität so eingetroffen ist, war dies vorher nicht garantiert.

So ist es auch bei einer Wirtschaft oder einem Unternehmen. Wo sich diese in einem Jahr oder in drei Jahren befinden, das lässt sich nicht vorhersagen. Wir können es einfach nicht wissen. Wir können nur abschätzen, wie wahrscheinlich bestimmte Szenarien sind. Wie wahrscheinlich ist es, dass Fielmann im nächsten Jahr mehr oder weniger Brillen verkauft als in diesem Jahr? Wie wahrscheinlich ist es, dass Tesla ohne eine weitere Kapitalerhöhung in einem Jahr noch ausreichend Kapital hat, um all seine Projekte zu finanzieren? Wie ist es in drei Jahren? Solche Fragen sollte man beantworten, um dann entscheiden zu können, ob es sich lohnt, 300 US-Dollar für die Aktie zu bezahlen.

Um solche Einschätzungen zu machen, muss man sich trotzdem mit einigen Details des Unternehmens oder der Wirtschaft beschäftigen. Aber auch hier ist Vorsicht geboten. Williams drückt es sehr schön aus: „Die Überzeugung in eine Vorhersage steigt mit der Menge an Informationen, die in die Vorhersage einfließt. Aber die Genauigkeit der Vorhersage bleibt bestehen.“

Wie aber kann man ein erfolgreicher Anleger sein, wenn nicht durch das Verarbeiten aller möglichen Informationen, die einem zur Verfügung stehen?

Williams bringt es auf den Punkt: Zuerst sollten wir wie die Quantenphysiker die Tatsache anerkennen, dass wir sehr wenig wissen. Und dann ist es nicht die Komplexität eines Investmentansatzes oder die Detailtiefe eines Prognosemodells, die den Unterschied macht. Es ist die Einfachheit und die Konsistenz eines Investmentansatzes.

Man wird niemals immer richtig liegen können. Die Physiker werden nicht immer richtig schätzen können, wo ein Elektron landet. Genausowenig können wir Anleger immer richtig schätzen, ob eine Aktie sich positiv entwickeln wird oder nicht. Wenn wir aber einen einfachen und bewährten Investitionsansatz konsistent (ohne den Einfluss unserer Emotionen) anwenden, dann haben wir die besten Chancen, erfolgreich zu agieren.

Offenlegung: Bernd Schmid besitzt Aktien von Fielmann und Tesla. The Motley Fool besitzt und empfiehlt Aktien von Tesla.

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