Was ein Depot mit einem Harem gemein hat

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Wie viele Aktien gehören in ein Portfolio? Wann wird es unübersichtlich? Warren Buffett hat einst einen ziemlich schrägen Vergleich zwischen einem Depot und einem Harem gewagt. Unumstritten ist die Börsenweisheit nicht.

Risikostreuung gilt als eine der wichtigsten Regeln bei der Geldanlage. Ohne Diversifikation, wie es im Börsendeutsch heißt, ist das Risiko viel zu hoch, der langfristige Erfolg eher fraglich. Anleger sollten deshalb ihr Geld über mehrere Anlageklassen, Regionen, Branchen und vor allem über viele Einzeltitel verteilen. Nieten fallen so weniger stark ins Gewicht. Doch mit der Streuung können Investoren es auch übertreiben. Nämlich dann, wenn es in ihren Depots unübersichtlich wird. Nicht umsonst warnte Superinvestor Warren Buffett einst: „Konzentrieren Sie Ihre Investments. Wenn Sie über einen Harem mit 40 Frauen verfügen, lernen Sie keine richtig kennen.“ Ein ziemlich schräger Vergleich, zugegeben. Ganz unumstritten ist diese Börsenweisheit auch nicht.

Fakt ist allerdings: In vielen Privatanleger-Portfolios herrscht ein ziemliches Chaos. „Gewinnen wir neue Kunden, sehen wir zwangsläufig, wie deren Depots bis dato aufgestellt waren“, sagt Stefan May, Leiter Anlagemanagement der Quirin Privatbank. „Das ist in der Regel sehr ernüchternd, um nicht zu sagen erschreckend.“ Dabei seien es immer wieder die gleichen Anlegerfehler, die die Experten beobachten: zu wenig Streuung, wilde Sammelsurien von Einzeltiteln, hohe Heimatliebe, überteuerte Produkte und der Versuch, durch Timing-Strategien den optimalen Ein- und Ausstieg in die Märkte zu finden. Ob die Anleger da – um in Buffetts Formulierung zu bleiben – jedes Investment richtig kennen? „Leider investieren viele Privatanleger, ohne sich vorher allzu große Gedanken über eine Strategie zu machen“, beobachtet auch Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). „Da werden Kauf- oder Verkaufsentscheidungen oft eher instinktiv aus dem Bauch heraus getroffen.“

Hat Buffett also Recht, trifft sein Harems-Vergleich wirklich? „Ich hoffe ja nicht, dass sich Buffett seine Frauen nach den Portfolio-Prinzip aussucht“, sagt Michael Geke, Gründer des Fintechs Traderama, mit einem Augenzwinkern. „Aber das tut er ja auch nicht.“ Mit seiner zweiten Frau habe er sich einiges an Zeit gelassen und eine lange Kennenlernphase gehabt, bevor er sie geheiratet habe. „Der Spruch von Buffett ist natürlich etwas flapsig - allerdings steckt der Tiefsinn im Kennenlernen“, so Geke. „Es geht gar nicht um die Menge an Aktien, die man besitzt, sondern darum, ein ausgewogenes Portfolio zu besitzen.“ Diese sollten idealerweise so zusammengesetzt sein, dass ein Anleger ein möglichst geringes Risiko eingeht. „Um dies zu erreichen, muss man die Frau, sorry: die Aktie natürlich erst einmal gut kennenlernen.“ Außerdem vertritt der Value-Investor Buffett das Prinzip, nur in Dinge zu investieren, von denen man etwas versteht. „Ich kann dieser Aussage von Buffett in wesentlichen Punkten voll zustimmen“, so Geke. „Man sollte nur Dinge tun, die man auch versteht.“

Quirin-Experte May hingegen ist mit Blick auf Buffetts Harem-Spruch skeptisch. „Warren Buffett ist bekannt für seinen Erfolg als Investor und seine guten Anlagetipps - dieser gehört jedoch definitiv nicht dazu“, urteilt er. „Ganz im Gegenteil: Eine Geldanlage ist kein Harem. Anders als bei Liebesbeziehungen ist ein Aktieninvestment nur dann langfristig erfolgreich, wenn es breit gestreut wird - und zwar möglichst breit.“ Allerdings gilt  auch hier wie so oft im Leben: Man kann es auch übertreiben. „Viel hilft nicht immer viel“, sagt Tüngler. „Grundsätzlich ist es durchaus sinnvoll, sein Depot nicht zu einer Art Aktien-Sammelsurium werden zu lassen.“ Und klar sei auch, dass eine Anlagestrategie, nur sinnvoll umsetzbar sei, wenn man die Einzelwerte noch im Hinblick auf diese Strategie bewerten kann. „Je größer die Zahl der Unternehmen wird, deren Anteilsscheine im Depot versammelt sind, desto komplexer wird das natürlich“, sagt er. „Entscheidend ist es, eine gute Balance zwischen notwendiger Risikostreuung und dem Aufwand für die Beobachtung der einzelnen AGs zu finden.“

Warren Buffett empfiehlt ETFs

Eine perfekte Streuung via Einzelaktien ist nicht so einfach und kann ganz schön unübersichtlich sein. Es geht auch einfacher und besser. Das weiß auch Buffett. Der Superinvestor mit einem unglaublich guten Riecher für sensationelle Investments hat selbst vor einigen Monaten in einem Interview gesagt, dass er - wenn er für seine Enkel Geld anlegt - in ETFs investiert. Und er hat in seinem Testament festgehalten, dass seine Frau nach seinem Tod, sein Vermögen in ETF anlegen soll. „Börsennotierte Indexfonds sind die am breitesten investierenden Investments“, sagt auch May. „Man sieht: Auch ein Warren Buffett ist nicht ganz widerspruchsfrei in seinen Aussagen.“

Wenn es aber doch Einzelwert sein sollen, wie viele braucht es in einem gut diversifizierten Portfolio? „Das hängt natürlich stark vom jeweiligen Investor und der verfolgten Strategie ab“, sagt Anlegerschützer Tüngler. „Anlegerinnen oder Anleger, die ein Depot aufbauen und dabei insbesondere Wert auf eine möglichst breite Risikostreuung legen, benötigen Aktien von Gesellschaften aus unterschiedlichen Branchen, Ländern und  – idealerweise - Währungsräumen.“ Dabei sollten die Geschäftsmodelle möglichst wenig voneinander abhängen und in unterschiedlichen Konjunkturzyklen ihre Hochphase erreichen. „Grundsätzlich lässt sich so etwas durchaus mit neun oder zehn Werten darstellen“, sagt Tüngler. „Das setzt allerdings voraus, dass aus den jeweiligen Bereichen die Top-Werte, also die mit erprobtem und nachhaltig gewinnbringendem Geschäftsmodellen, gewählt werden.“

Apropos 40 Aktien: Buffetts Investmentholding Berkshire Hathaway hält natürlich viel mehr Einzeltitel, genau wie die meisten institutionellen Investoren. Das ist auch überhaupt kein Problem. „Fondsmanager machen schlicht den ganzen Tag nichts anderes, als die Werte zu beobachten, die sie im Depot haben, oder AGs daraufhin zu scannen, ob sie ein möglicher Kauf sind“, sagt Tüngler. Zudem ist der Zugang zu Informationen für Finanzprofis deutlich einfacher. Damit sind nicht nur die Analystengespräche mit den Unternehmen gemeint, sondern auch die technischen Voraussetzungen. Sicher bietet das Internet heute auch Privatanlegern sehr gute Möglichkeiten. „Wer aber schon einmal vor dem Doppelbildschirm eines Fondsmanagers gesessen hat, bekommt eine Ahnung davon, wie aufwändig es wäre, all diese Informationen selber zusammenzusuchen“, so Tüngler. „Daher gilt für Privatanleger oftmals ‚weniger ist mehr‘, um tatsächlich zum Erfolg zu gelangen.“

Buffett dürfte es bei seinem Ratschlag also eher um die Einzelaktien im Depot der Privatanleger gegangen sein. 40 Aktien sind zwar sicher zu wenig mit Blick auf die Risikostreuung und trotzdem gleichzeitig wenig übersichtlich. ETFs hingegen bieten eine sehr viel breitere Diversifikation, und 40 verschiedene braucht sicher auch kein Anleger. Ein halbes Dutzend oder auch ein Dutzend ETFs oder Fonds, mit denen Anleger dann auf Hunderte oder Tausende Einzelaktien setzen, sind eine gute Idee. Und ziemlich übersichtlich.

Autorin: Jessica Schwarzer

Titelfoto: Krista Kennell / Shutterstock.com

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