Wie lange geht die Dax-Erholung noch weiter? Diese drei Faktoren dürften den meisten Einfluss auf die weitere Börsen-Richtung haben

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Der Dax steuert auf ein unruhiges Ende eines der wohl turbulentesten Jahre seiner Geschichte zu. Der Corona-Crash von Ende Februar bis Mitte März hat einen festen Platz in der Historie des deutschen Leitindex und auch die Geschwindigkeit der laufenden Erholung ist außergewöhnlich. Aktuell hoffen die Anleger, dass sich die Konjunktur schnell wieder vom Virus-Schock erholt – doch von Begeisterung kann noch keine Rede sein: „Die Anlegerstimmung hat sich zwar etwas aufgehellt, Euphorie jedoch herrscht weiterhin nicht“, fasste Bernd Meyer, Chefstratege im Bereich Wealth and Asset Management bei der Bank Berenberg, die Lage zusammen. Derzeit gibt es drei Faktoren, die die Richtung der Aktienmärkte und des Dax besonders beeinflussen.

Faktor 1: Das Corona-Virus

Mittlerweile bestimmt das Virus mit den sechs Buchstaben den Alltag der Menschen, und auch die Anleger klopfen Wirtschaftsnachrichten vor allem auf Corona-Risiken ab. Dabei ist es erst knapp acht Monate her, dass der Dax Mitte Februar bei bei gut 13.795 Punkten ein Rekordhoch erreicht hatte. Als Kurstreiber hatte sich seinerzeit unter anderem die Hoffnung auf eine Entspannung im US-chinesischen Handelsstreit erwiesen, doch schon zu dieser Zeit hatten Experten vor den Folgen steigender Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus gewarnt.

Der Crash im März war historisch

Das böse Erwachen kam dann ausgerechnet am Rosenmontag, den 24. Februar. Statt ausgelassener Karnevalsfreude herrschte an der Börse auf einmal Alarmstimmung: Die rasche Ausbreitung des Virus in Ländern außerhalb Chinas riss den Dax in die Tiefe. Die steile Talfahrt endete erst gut drei Wochen später, am 16. März, bei 8255,65 Punkten. Einen so drastischen Crash innerhalb weniger Wochen haben die Dax-Anleger selten erlebt.

Ebenfalls im März wurde wahr, was die Anleger bereits vorausgeahnt hatten: Auch Deutschland ging in den Lockdown, Geschäfte wurden geschlossen und hunderttausende Unternehmen schickten ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit.

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Die weltweiten Maßnahmen im Kampf gegen das Virus beeinträchtigen sowohl die Produktionsprozesse als auch die Nachfrage, so dass die Regierungen gigantische Hilfspakete schnürten sowie nach und nach Lockerungen beschlossen. Gut ein halbes Jahr nach dem Corona-Lockdown ist die deutsche Wirtschaft nach Einschätzung von Volkswirten auf Erholungskurs. „Inzwischen zeichnet sich ab, dass – zumindest in Deutschland – die Lage doch nicht so düster ist, wie die Stimmung zwischenzeitlich war“, sagte Jens-Oliver Niklasch von der Landesbank Baden-Württemberg.

Die Erholung steht auf wackeligen Füßen

Der Dax hat nach seinem Tief im März eine rasante Aufholjagd hingelegt und die coronabedingte Kursscharte bereits fast wieder ausgewetzt. Doch die Erholung steht auf wackeligen Füßen, da noch nicht einmal Virologen den Pandemie-Verlauf in der dunklen Jahreszeit prognostizieren können, wenn sich die Menschen wieder öfter in geschlossenen Räumen aufhalten und so leichter anstecken können. Der Chefstratege der Privatbank Merck Finck, Robert Greil, blickt damit skeptisch auf das Schlussquartal 2020: „Zusammen mit den drohenden weiteren coronabedingten Einschränkungen stellen der Brexit-Showdown und die US-Wahlen drei potenzielle Bremsklötze für Wirtschaft und Börse dar.“

Faktor 2: Die US-Wahl als Brennpunkt auf der Timeline

Am 3. November haben die US-Amerikaner die Wahl zwischen Präsident Donald Trump von den Republikanern und seinem Herausforderer Joe Biden von den Demokraten. Aus Anlegersicht aber gehe es „mittlerweile fast weniger darum, wer das Präsidentschaftsrennen macht und wie der Kongress am Ende aussieht. Die Hauptsorgen sind mehr, dass die Wahlen nicht reibungslos verlaufen, es etwa eine Verfassungskrise aufgrund von Wahlanfechtungen oder flächendeckende Unruhen gibt“, schrieb Volkswirt Stefan Kipar von der Landesbank BayernLB.

Für noch mehr Unsicherheit sorgte zuletzt die Corona-Infektion von Donald Trump. „Gerade im Schlussspurt ist die volle Energie des Kandidaten gefordert“, schrieb Chefvolkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank. Welche Konsequenzen die Erkrankung für den Wahlausgang haben wird, hänge entscheidend vom Verlauf der Viruserkrankung ab. Sollte Trump einen schwierigen Krankheitsverlauf erleiden, sei die Glaubwürdigkeit des Präsidenten endgültig beschädigt – weil er das Virus oftmals in seinen Auswirkungen heruntergespielt habe.

Als Trump im November 2016 zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, hat er sich quasi über Nacht vom Börsenschreck zum Börsenliebling gewandelt – weil er Steuern senken und mit einem gewaltigen Infrastrukturprogramm die Wirtschaft ankurbeln wollte. Biden will zwar Steuern erhöhen und viel Geld in erneuerbare Energien stecken, doch an den Grundpfeilern des kapitalistischen Systems wird auch er nicht rütteln. Falls also in den USA nach den Präsidentschafts- und Kongresswahlen kein Chaos ausbrechen sollte, dürften sich die Anleger bald wieder auf die Frage konzentrieren, ob es eine zweite Corona-Welle geben wird und wann ein Impfstoff gegen das Virus verfügbar sein wird.

Faktor 3: Man darf die Macht der Notenbanken nicht vergessen

Und wenn es in puncto Virus-Bekämpfung Rückschläge geben sollte, haben die Anleger mit den Notenbankern immer noch mächtige Verbündete im Rücken: „Neben der Hoffnung auf einen wirksamen Impfstoff ist der zentrale Treiber der Aufwärtsbewegung an den globalen Aktienmärkten die nahezu unumstößliche Erwartung der Investoren einer Beibehaltung der ultraexpansiven Geldpolitik der wichtigen globalen Notenbanken“, schrieb Analyst Frank Wohlgemuth von der National-Bank in Essen. Viele Alternativen zur Aktienanlage würden wegen der immer noch sehr niedrigen Zinsen extrem unattraktiv bleiben und folglich werde weiter Geld in die Aktienmärkte fließen. Dies werde die Börsen – unabhängig vom konkreten Zeitpunkt der Einführung eines Corona-Impfstoffes – anhaltend stark unterstützen.

onvista/dpa-AFX

Titelfoto: Matyas Rehak / Shutterstock.com

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