Die Bullen sind einfach stärker

Der onvista-Börsenfuchs · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Hallo, Leute! „Euro-Schwächeanfall macht Aktien begehrt“ - so und ähnlich wurde gestern der rasant beschleunigte Anstieg von Dax & Co. erklärt. Überall, von den Händlern und den Journalisten, denn das lag ja auf der Hand. Bei der täglichen Suche nach Tendenzbegründungen war man schnell fündig geworden:  Die Aussicht auf verstärkte Anleihekäufe der EZB hat den Euro am Dienstag ins Rutschen gebracht. Und das ist gut für die Aktien der Exportunternehmen. Unsere Notenbank hatte durch ein Direktoriumsmitglied verbreitet, das Tempo bei ihren Anleihekäufen vorübergehend zu forcieren. Vorübergehend, vor der erfahrungsgemäß ruhigeren Urlaubssaison. Hurra, noch mehr Liquidität, frohlockten einige Analysten. So ein Quatsch! Das ist doch keine Änderung der offiziellen Geldpolitik - aber eine aus Börsensicht als angenehm empfundene Nachricht.

Wieder einmal haben die Akteure Ursache und Auslöser verwechselt. Außerdem hatte die Gegenbewegung ja schon am Montag eingesetzt. Und wenn man die rasche Stabilisierung nach jeder Schwächetendenz in den vergangenen Wochen registriert und die fest gradlinige Beschleunigung der Auswärtsbewegung gestern (Tageschart mal anschauen!), dann lassen sich zwei Schlussfolgerungen ziehen: Viele starke Marktkräfte haben nur darauf gewartet, bei niedrigeren Kursen zuschlagen zu können. Und zuletzt ist die Herde wieder mal losgerannt (Remember mein geliebtes Bild von der Stampede!). Die „Bullen“ sind einfach stärker als die „Bären“. Jedenfalls an der Börse. Und das wird auf absehbare Zeit so bleiben. Bullish klingende Nachrichten wirken derzeit stärker auf die Kurse als bearishe News. Aber am besten gar nicht dauernd nach den Gründen fragen!  Wer seine Zeit weiterhin - wie vor Jahrzehnten - mit dem Gesabbel der täglichen Börsenberichte verschwendet, dem empfehle ich zum wiederholten Mal „Flash Boys - Revolte an der Wall Street“ von Michael Lewis (Campus Verlag; hier ein paar Auszüge von Seite 13):

„Im Laufe der vergangenen zehn Jahre haben sich die Finanzmärkte rasant verändert, doch unsere Vorstellung hat nicht mit dieser Revolution Schritt gehalten. Die meisten Menschen denken beim Stichwort “Börse“ nach wie vor an Bildschirme mit Kurstickern und an das Börsenparkett mit fuchtelnden und schreienden Alphamännchen. Dieses Bild ist veraltet, diese Welt gibt es nicht mehr. An den Börsen arbeiten zwar noch Menschen, aber sie sind weder die Herren des Finanzmarkts, noch haben sie einen privilegierten Einblick in die Märkte [ … ] Selbst Experten haben kaum eine Vorstellung vom Was, Wie und Warum [ … ] Wir halten uns gern an das alte Bild des Aktienmarkts, weil es so tröstlich ist, weil wir uns kein konkretes Bild von dem neuen Aktienmarkt machen können und weil die wenigen Menschen, die uns verraten könnten, was dort vor sich geht, kein Interesse an unserer Aufklärung haben.“

Dazu passend die jahrelangen Mega-Sauereien großer Investmentbanken. Habt Ihr gestern um 20:15 Uhr die ZDF-Dokumentation zur Deutschen Bank gesehen? Erschütternd. Noch schlimmer als befürchtet. Eigentlich unfassbar. In welcher Welt leben wir eigentlich? Schon aus Protest würde ich keine Bankaktie mehr anfassen.

boersenfuchs@onvista.de

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