Guter Dollar, böser Dollar - Die zwei Gesichter der Weltleitwährung

Robert Halver · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Die großen Außenhandelsnationen freuen sich über einen starken US-Dollar wie Kinder an Weihnachten. Denn wenn dieser aufwertet, ist für die Exportwirtschaften in Japan, China und Deutschland Bescherung.

Man mag zwar einwenden, dass sich Importe von Rohstoffen, die auf US-Dollar-Basis gehandelt werden, ebenfalls verteuern und damit den Handelsvorteil zumindest teilweise auffressen. Und das lässt sich tatsächlich bei Industriemetallen beobachten. Allerdings zeigt sich bei den volkswirtschaftlich noch wichtigeren Importgütern Öl und Gas ein sehr viel freundlicheres Bild: Denn deren Preise fallen stärker als der US-Dollar gegenüber Euro steigt.


Der starke US-Dollar hat einen sehr bösen Charakterzug

Vielen Dank, Du lieber guter US-Dollar! Herrliche Zeiten also für die Exportunternehmen, deren Gewinne und - nicht zuletzt - deren Aktienkurse? Nicht so schnell! Ein starker Dollar kann große Schmerzen verursachen. Dann nämlich, wenn man in ihm verschuldet ist. Wer tut so was? Nun, etwa 60 Prozent der weltweiten Staatsschulden werden in US-Dollar aufgenommen, um dem ansonsten zu zahlenden Renditerisikoaufschlag bei Emission in heimischen Währungen zu entgehen. So sitzt man in den Schwellenländern mittlerweile auf knapp drei Billionen Dollar-Anleihen. Viele dortige Investoren waren wohl der Meinung, dass die amerikanische Währung nach dem Platzen der US-Immobilienblase und aufgrund der apokalyptischen Verschuldung der USA - Staatsverschuldung 18 und US-Gesamtverschuldung fast 60 Billionen US-Dollar - sowie der Heranreifung Chinas als konkurrierende Weltmacht deutlich nachgeben würde. Leider kam es anders: Amerika gilt angesichts von geopolitischen Krisen wieder als sicherer Hafen. Auch hat sich das Land nach jahrzehntelangem Konsum-Laissez Faire auf die Hinterbeine gesetzt und erfindet sich als Industrienation neu. Das zieht neben Finanz- auch Unternehmensinvestitionen an, was den Dollar noch weiter stärkt.

Und dafür zahlen die Auslandsschuldner jetzt ihren Preis: Brasilien muss allein über die Real-Abwertung über 20 Prozent mehr für seine Auslandsschulden als 2013 aufwenden. Und wenn die Abwertung des russischen Rubels so weiter geht, werden sich die Zinsausgaben in Russland um 50 Prozent erhöht haben.

Double Trouble für die öl- und gasfördernden Länder

Insbesondere sind die Öl- und Gasförderländer gebeutelt. Konnten sie früher noch ihre Auslandsschulden mit üppigen Rohstofferlösen aus der Portokasse bedienen, sprudelt diese Ertragsquelle aufgrund alternativer Öl- und Gasfördermethoden sehr viel spärlicher. Um die sozialpolitisch gebotenen Wohlstandstransfers aufrechtzuerhalten, versuchen die Öl- und Gasländer  über Mengenwachstum auf ihre Kosten zu kommen. Damit riskieren sie allerdings weitere Energiepreisrückgänge und damit eine noch nachhaltigere Diät bei den Staatseinnahmen. Längst ist aus der OPEC - einst ein stolzer Tiger - ein Schmusekater geworden.

Setzt sich dieser zweifache Schlag ins Kontor - Währungsabwertung und Energiepreisverfall - im Sinne eines gegenseitigen Hochschaukelns dieser Krisensymptome fort, könnten unangenehme Kettenreaktionen folgen. Im Extremfall kommt es zu einer ausgewachsenen Schuldenkrise und Pleiten von Firmen, die sich ebenso bis Unterkante Oberlippe in US-Dollar verschuldet haben. Die beträchtlichen Devisenreserven wirken zwar als Risikopuffer. Am Beispiel Brasilien - das Land besitzt etwa 400 Mrd. Dollar Devisenreserven bei Auslandsschulden von Banken und Unternehmen von ca. 500 Mrd. - kann man jedoch einleuchtend darstellen, dass diese im Falle eines Falles schneller schmelzen als Schnee bei Tauwetter.

Starker Dollar immer schon ein Tunichtgut für Schwellenländer

Aufwertungen des US-Dollars waren in der Vergangenheit übrigens häufig mit Krisen in den Emerging Markets verbunden. Abzulesen ist das an der Entwicklung ihrer Aktienmärkte. Bei der starken Dollar-Befestigung zwischen 1995 und 2002 hatten die sogenannten Tigerstaaten - im Gegensatz zu den Aktienmärkten der westlichen Welt - wenig Freude. Die Währungsschwäche des US-Dollars von 2002 bis 2008 tat den Schwellenländern dagegen richtig gut. Der anschließende Zusammenbruch der Immobilienblase machte den Dollar dann wieder zum sicheren Hafen und den Aktienmärkten in Asien und Südamerika den Garaus. Auch seit Mitte 2014 legt der US-Dollar erneut und zwar dynamisch zu. Während die Weltaktienmärkte deutliche Stärke zeigen, sind die Schwellenländer insgesamt lethargisch. Übrigens, fast ein Fünftel aller Unternehmen im MSCI Emerging Markets Index stammen aus Öl und Gas exportierenden Ländern.

Und eine neuerliche Krise der Emerging Markets bleibt dann nicht regional begrenzt. Sie streut dann global. Mittlerweile muss man sich nämlich vor Augen führen, dass die Emerging Markets weltwirtschaftlich systemrelevant sind. Eine erneute Krise der Emerging Markets könnte sogar die globale Finanzstabilität bedrohen. Gingen diesen Weltkonjunkturlokomotiven wegen währungsseitiger Überschuldung ohne energieseitige Kompensation sozusagen die Kohlen aus, dann würde kein Land so negativ heimgesucht wie Deutschland, das sich in den Schwellenländern eine blühende Wirtschaftsoase aufgebaut hat. Unsere Exportindustrie ist von einer zugkräftigen Weltkonjunktur so abhängig wie der Schlitten des Weihnachtsmanns von der Zugkraft von Blitz, Donner, Komet oder Rudolf. Zur Erinnerung: Das sind die Namen seiner Rentiere. Ansonsten wären deutsche Aktien gefährdet, die doch eigentlich über einen schwachen Euro und günstige Energiepreise dramatisch profitieren sollten.

Wehe, wenn die Schwellenländer im Westen Kasse machen

Es könnte noch schlimmer kommen. Drohten den Emerging Markets über anhaltende Dollar-Befestigungen Schuldenausweitungen und schwache Energiepreise Unterfinanzierungen, müssen diese in der westlichen Welt richtig Kasse machen. Weder Amerika noch Europa hätten Grund zur Freude, wenn ihre Staatsanleihen oder Aktien massiv verkauft würden. Denn diese massive finanzwirtschaftliche Stimmungseintrübung würde auch eine konjunkturellen folgen lassen. Und würde dann schließlich noch weniger Öl und Gas gebraucht, drehte sich der weltwirtschaftliche Teufelskreis noch schneller.

Und die Moral von der Geschicht, massive Dollar-Aufwertungen braucht man nicht. Das kann US-Notenbankpräsidentin Yellen spürbar beeinflussen. Mit deutlichen Zinserhöhungen kann sie aus blühenden Absatzlandschaften in den Schwellenländern verblühende machen oder eine sanfte Gelddiplomatie zum Wohle der Weltwirtschaft betreiben. She got the whole world in her hands. Ich bin mir sicher, sie hat sanfte Hände. 

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG:
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