Ein neues Börsen-Unwort macht sich breit: Die Zinswende!

Robert Halver · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Die schlechte Nachricht zuerst: Ab Frühjahr 2015 wird die US-Notenbank zum ersten Mal seit Ende Juni 2004 - also nach dann fast 11 Jahren - ihre Leitzinsen, die sogenannten Fed Funds, anheben. Zinserhöhungen kennen viele meiner jungen Berufskollegen nur aus dem Lehrbuch.

Einige Marktteilnehmer scheinen zu befürchten, dass dann der lange heitere Sommer der Kapitalmärkte in den sibirischen Winter übergeht. Immerhin war die Iängste und heftigste Happy Hour der US-Zinspolitik mit ihren rekordtiefen  Leitzinsen in den letzten fünf Jahren der bedeutendste Treiber der Wall Street und der Welt-Aktienmärkte.

In punkto US-Zinserhöhungen bin ich entspannt. Ich bin mir sicher, dass der 2015 beginnende Zinserhöhungszyklus nicht annähernd Dimensionen wie in früheren restriktiven Zinszeiten annehmen wird. Frau Yellen bereitet die Finanzmärkte behutsam auf ebenso behutsame Zinserhöhungen vor. Sie beherrscht das Spiel ohne Ball, sozusagen das Zins-Spiel ohne Ball. Wer dann geschockt ist, wenn es tatsächlich passiert, den kann nur das Schicksal von Dornröschen ereilt haben.

Frau Yellen - auch Finanz-Amerika hat seine Mutti - weiß, dass robuste Zinserhöhungsphasen zuerst den Finanzmärkten und anschließend der Realwirtschaft den Garaus machen. Bei Durchführung derartiger Zins-Kneipp-Kuren wären die beispiellosen geldpolitischen Rettungsmissionen seit der Lehman-Pleite vermutlich für die Katz gewesen. Die Schwellenländer würde es knüppelhart treffen, die einen massiven Kapitalrücktransfer in die USA vom Feinsten erleben würden. Ihrer segensreichen Rolle als Absatztempel westlicher und auch US-Produkte könnten sie deutlich weniger gerecht werden. Die USA würden sich ins eigene Fleisch schneiden.

Grundsätzlich sind für den gesamten nächsten Zinserhöhungszyklus keine realen Leitzinsen, also nach Inflation, zu erwarten, die die Nullgrenze überschreiten werden. Im historischen Durchschnitt liegen diese bei etwa 1,5 Prozent. Im Vorfeld der großen Krisen - Asien-Krise 1997, Bersten der Dotcom-Blase 2000, Platzen der Immobilienblase 2008 - lagen diese für die Finanzwelt sehr schmerzhaft sogar um die vier Prozent. Aus Gründen des Selbstschutzes Amerikas wird dieser Weg zurück in die Zinsnormalität nicht angetreten.

Insgesamt wird die Zinswende zu keinem finanzwirtschaftlichen Beinbruch führen. Dennoch sollten ihre konkreten Auswirkungen auf die wichtigsten Anlageklassen beleuchtet werden.

Währungen - Der Euro verliert

Während die US-Leitzinsen - wenn auch nur leicht - steigen, ist die EZB noch im geldpolitischen Lockerungsmodus. Weitere Leitzinssenkungen sind zwar unwahrscheinlich, aber an Zinserhöhungen denkt Euro-Krisenbändiger Mario Draghi aufgrund der eurozonalen Strukturprobleme bestimmt nicht. Die erhöhte Leitzinsdifferenz USA - Eurozone drückt den Euro bis Jahresende auf 1,32 und im nächsten Jahr deutlich unter 1,30.

Staatsanleihen -  Der Blick über den großen Teich lohnt sich

Der leichte Anstieg der US-Leitzinsen ist gleichbedeutend mit höheren Renditen von US-Staatsanleihen. Ein Horrorszenario von dramatischen Renditeanstiegen bzw. Kursverlusten wie im Zinserhöhungszyklus 1993/95 kann aber nicht sein, weil es nicht sein darf. Damals trafen drastische Leitzinserhöhungen von drei auf sechs Prozent auf ebenso dramatische Renditeerhöhungen z.B. für dreijährige US-Staatspapiere von vier auf knapp acht Prozent.

Wiederholte sich die damalige Zins-Geschichte heute, würde die Mutter aller Blasen, die Rentenblase, platzen. Dagegen waren die Folgen der geborstenen Immobilienblase - und da schaute die Finanz- und Konjunkturwelt schon in den Abgrund - peanuts.

Immerhin dürfte sich der Renditeabstand von US- Anleihen zu Papieren aus Deutschland, aber auch gegenüber der Euro-Peripherie - der bei Laufzeiten von drei Jahren seit Jahresanfang bereits zu beobachten ist - weiter ausweiten. Mit US-Staatspapieren haben die in Anleihen verliebten Euro-Anleger gleich zwei Vorteile: Mehr Rendite und Währungsgewinne über einen sich abschwächenden Euro.


Unternehmensanleihen - Warum nicht mal fremdgehen?

Das Umfeld leicht erhöhter US-Leitzinsen wird auch die Renditen von Unternehmensanleihen leicht nach oben treiben. Bei dreijährigen Unternehmensanleihen mit mindestens Investment Grade (BBB) beträgt der Renditeaufschlag von US- gegenüber Euro-Papieren bereits jetzt durchschnittlich gut 0,7 Prozentpunkte. Ihr Ausfallrisiko ist grundsätzlich gesunken, da Amerika im Vergleich zu Euroland ein wesentlich stabileres Konjunkturumfeld bietet. Neben dem Renditeargument spricht auch hier das Währungsargument für US-Unternehmensanleihen, die insgesamt als Ersatzbefriedigung für euroländische Papiere dienen können. Laufzeiten sollten zunächst maximal drei Jahre betragen, um möglichen Kursverlusten bei weiter steigenden Renditen entgegenzuwirken.


Aktien - Fleisch am bisher nackten Knochen der Liquiditätshausse

Der Ausblick für die US-Aktienmärkte bleibt positiv. Einerseits ist die Liquiditätshausse nicht gefährdet, da die Fed leitzinserhöhungsbehutsam ist. Davon abgesehen wird die US-Konjunktur noch lange in einer randvoll mit Liquidität gefüllten Badewanne baden können. Andererseits sind leichte Zinsanhebungen ein Indiz für ein verbessertes Konjunkturumfeld. US-Aktien erhalten also auch wirtschaftlich Zucker. Von dieser fundamentalen Happy Hour in den USA mit weltkonjunkturellen Ausstrahleffekten wird schließlich auch Deutschland mit seinen exportstarken Unternehmen profitieren.

Immobilien - Kein Crash zu befürchten

Der Zinsanstieg an den amerikanischen Staatsanleihemärkten ist heute nicht mehr so maßgebend für deutsche Bauzinsen wie früher. Eine starke EZB hat hier längst die Oberhand gewonnen. Daher sind wirklich Verteuerungen von Immobilienfinanzierungen kaum zu befürchten. Ohnehin ist in Deutschland kein Immobiliencrash wie in Spanien oder den USA zu erwarten, da bei uns die Baukredite stärker mit Eigenkapital unterlegt und mit höheren Tilgungsraten versehen sind. Dem deutschen Immobilienmarkt hilft auch das viele Geld auf der hohen Kante. Dies ermöglicht es, auch ohne Inanspruchnahme eines Baukredites oder weniger Kreditvolumen in Immobilien umzuschichten. Sparen lohnt sich ohnehin nicht mehr. Hinzu kommt, dass kaum eine Bevölkerung im Westen so gerne zur Miete wohnt wie Deutsche. Das Potenzial für Wohneigentum ist somit vergleichsweise groß.

Edelmetalle - Mehr als Bodenbildung zunächst nicht drin

Grundsätzlich sind steigende Zinsen ein Handicap für Edelmetalle. Man kann zwei Barren Gold noch so lange nebeneinander legen, das Licht ausmachen und warten bis zum Sanktnimmerleinstag. Junge werden sie dennoch nie bekommen. Auf Gold gibt es keine laufende Rendite. Da der Zinsanstieg nach Inflation aber aufgefressen wird, verliert dieses Opportunitätskosten-Argument schnell an Bedeutung.

Was für Gold, Silber & Co. allerdings spricht, ist ihre langfristige Werterhaltungsfunktion. Denn ich vermag nicht zu erkennen, dass die Welt ein sicherer Platz geworden ist. Geopolitische Krisen nehmen eher zu als ab. Und für die ungehemmte Rettung der Finanz- und Konjunkturwelt mit billigstem Geld und vielen neuen Schulden werden wir irgendwann einen hohen Preis zu zahlen haben. Eine dramatische Kurserholung von Edelmetallen werden die Notenbanken aber verhindern. Denn die Rettung der westlichen Finanzmärkte funktioniert nur über Geld. Eine starke Alternativwährung in Form von Edelmetallen würde diese monetäre Rettung konterkarieren.

Denk ich an die US-Zinswende in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht?

Nein, Angst vor einer Zinswende in den USA muss man nicht haben. Aus Zins-Weiß wird nicht Zins-Schwarz, eher ein helles Zins-Grau.

Meine nächste onvista-Kolumne erscheint am 27. August 2014. Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern erholsame Ferien und eine gute Zeit.

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