Rainer Ottemann über sein Tsunami-Warnsystem für die Aktienmärkte: "Ein größeres Börsenbeben steht nicht bevor"

DAS INVESTMENT · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Lassen sich Unwetter an den Kapitalmärkten ähnlich vorhersagen wie Naturkatastrophen? Ja, sagt Rainer Ottemann - und will es mit einem neu aufgelegten Mischfonds beweisen. Im Interview mit DER FONDS erklärt der Geschäftsführer von Concord Investment Solutions sein Tsunami-Warnsystem und verrät, wo es gerade ausschlägt.

DER FONDS: Anfang März startet Ihr Mischfonds Concord Low Evar Global, der auf der Extremwert-Theorie basiert. Was bedeutet das und wie sind Sie auf diesen Ansatz gekommen?

Rainer Ottemann: Die Extremwert-Theorie oder -Statistik spielt unter anderem bei der Erforschung von Naturkatastrophen eine Rolle. Sie versucht Ereignisse vorherzusagen, die selten eintreten und erhebliche Auswirkungen haben. In der Natur sind das zum Beispiel Sturmfluten, Tsunamis oder Erdbeben. Unser Kooperationspartner RC Banken hat in den vergangenen Jahren erforscht, inwieweit sich dieses Phänomen auf die Kapitalmärkte übertragen lässt. Dabei hat sich herausgestellt, dass diese seltenen, aber teuren Ereignisse auch an den Kapitalmärkten vorhersagbar und spürbar zu verhindern sind.

Wie nutzen Sie diese Erkenntnis für Ihr Portfolio?

Das extreme Value at Risk - kurz Evar - zeigt den Wert, der mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit innerhalb von zehn Handelstagen nicht überschritten wird. Wir nutzen das in unserem Fonds auf Basis von Einzelwerten. Hierbei bereinigen wir das ganze globale Universum mit einem Liquiditätsfilter, damit wir keine Aktien untersuchen, die später nicht oder nur schwer handelbar sind. Die übrigen Aktien screenen wir und ermitteln ihren Evar-Wert. Das ergibt eine Spannweite von niedrigen einstelligen Prozentsätzen bis hin zu zweitstelligen Werten. Die 50 Aktien mit den niedrigsten Evar-Werten nehmen wir gleichgewichtet ins Portfolio.

Und wie bestimmen Sie die Aktienquote?

Auf der Portfolioebene haben wir ein Risikobudget von 4 Prozent - gemessen in Evar. Das heißt, das Portfolio soll in den genannten zehn Handelstagen mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 Prozent nicht mehr als 4 Prozent fallen. Wenn ich also eine Aktie mit einem Evar-Wert von 2 Prozent habe, dann gewichte ich diese mit 2 Prozent im Portfolio. Man nimmt das Risikobudget und teilt es durch den Evar-Wert. Wenn wir die Gewichtung der 50 Aktien zusammenzählen, ergibt das dann die Aktienquote. Alle drei Monate balancieren wir das Portfolio neu aus. Das Screening der Werte läuft aber immer nebenbei. Wir greifen abseits des Rebalancing jedoch nur ein, wenn die Berechnung zeigt, dass wird die Aktienquote mehr als 5 Prozentpunkte senken müssen. Auch die Anleihen müssen unserem Evar-Risikobudget entsprechen. Hier gehen wir nur in Investment-Grade-Staatsanleihen.

Schauen Sie bei der Titelauswahl auch auf Länder und Sektoren?

Länder- und Branchenindizes zeigen die Risiken in den Märkten viel zu spät an. Wir wählen Einzeltitel aus, denn dadurch sehen wir viel eher, wo die Risikowerte ansteigen. Wir können dann bei der Aktienallokation schon eingreifen und die Aktienquote zurückfahren. Außerdem haben wir dann lediglich die 50 Aktien mit dem niedrigsten Risikowerten im Portfolio.

Wenn Sie nur auf das Extremrisiko der einzelnen Aktien blicken, wie vermeiden Sie dann Klumpenrisiken?

Unsere historischen Simulationen haben gezeigt, dass wir mit unserer Strategie erstaunlich gut gestreut sind - sowohl über Länder als auch Sektoren. Es kann natürlich passieren, dass einzelne Branchen einen hohen Evar-Wert aufweisen. Die landen dann aber bei uns gar nicht erst im Portfolio. So war bei der historischen Simulation zum Beispiel während der Internetblase im Jahr 2000 aufgrund der Evar-Werte keine einzige High-Tech-Aktie mehr im Portfolio, obwohl diese Aktien noch eine Zeitlang sehr gut liefen.

Gibt es bei der Aktienquote Ober- und Untergrenzen?

Wir haben hier keine genauen Vorgaben. Theoretisch können wir 100 Prozent in Anleihen und Cash gehen. Im globalen Aktienmarkt haben wir jedoch auch in den schlechtesten Phasen immer Aktien gefunden. Während der Finanzkrise 2007/2008 zum Beispiel lag bei der Simulation die niedrigste Aktienquote bei circa 30 Prozent. Maximal wären 100 Prozent möglich. Wir könnten die 50 Aktien jeweils mit 2 Prozent gewichten.

Und wie sieht Ihre Allokation momentan aus?

Die Evar-Werte sind vergleichsweise niedrig. Deshalb haben wir derzeit eine recht hohe Aktienquote von 85 Prozent. Dabei entfallen 46 Prozent auf Nordamerika, 22 Prozent auf Westeuropa, 15 Prozent auf Asien und knapp 2 Prozent auf Lateinamerika. Bei den Branchen haben wir eine hohe Gewichtung in Basiskonsumgütern, aber auch im Bereich Finanzen.

Von größeren Risiken ist also weit und breit nichts zu sehen?

Den Evar-Werten zufolge steht kein größeres Börsenbeben bevor, sonst hätten wir nicht eine so hohe Aktienquote. Lediglich Grundstoffe und Energiewerte haben wir gar nicht im Portfolio. Hier gibt es ein so hohes Risiko, dass sie bei unserem Screening herausfallen. Wir finden keinen einzigen Wert in diesen Sektoren, der es bei uns unter die Top 50 schafft. Insgesamt sieht das Umfeld - was die Aktienseite betrifft - aber sehr gut aus.

Eine zweistellige Rendite für Ihren Fonds bis zum Jahresende ist also reine Formsache?

Das lässt sich natürlich schwer voraussagen. Wenn wir eine schwierigere Situation an den Aktienmärkten bekommen, bringt uns der Rentenmarkt heute kaum Rendite. Möglicherweise müssen wir hier auch mal auf Cash ausweichen, falls die kurzlaufenden Renten auch zu hohe Risiken aufweisen. Aufgrund des neuen Umfelds ist es noch schwieriger geworden, die Vergangenheitswerte auf die Zukunft zu übertragen.

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