Ran an die Notenpresse, Herr Draghi!

Stefan Riße · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Es gibt gute Nachrichten aus der Eurozone. Nach jahrelangem Schrumpfungsprozess in der Peripherie und auch in Frankreich soll das Bruttoinlandsprodukt dieser Länder im nächsten Jahr wieder wachsen. Selbst das malade Griechenland überrascht endlich wieder positiv. So ist das Haushaltsdefizit in diesem Jahr geringer als erwartet. Ohne den Zinsdienst erwirtschaften die Griechen in diesem Jahr sogar einen Haushaltsüberschuss. In allen Peripherie-Ländern haben sich die Leistungsbilanzdefizite verringert oder sogar in kleine Überschüsse umgekehrt. Das liegt natürlich auch daran, dass aufgrund der schrumpfenden Volkswirtschaften auch weniger Güter und Dienstleistungen nachgefragt werden, aber es wird auch mehr exportiert. Kurzum, es lässt sich sagen, dass die Sparmaßnahmen greifen. Die Peripherie hat an Wettbewerbsfähigkeit zugelegt.

Gefahr Eurostärke

Wettbewerbsfähig müssen die Peripherieländer aber nicht nur gegenüber Deutschland und den anderen starken Ländern der Eurozone werden. Sie stehen auch und vor allem im globalen Wettbewerb. Gerade die Peripherie mit ihren traditionellen Fertigungsindustrien spürt die Konkurrenz in Osteuropa und anderen Billiglohnländern. Der Prozess der Globalisierung wirkt hier seit vielen Jahren. In den Anfangsjahren des Euro hatte der kreditfinanzierte Immobilien- und Wirtschaftsboom die Probleme nur nicht sichtbar werden lassen.

Die aktuelle Eurostärke stellt daher eine erhebliche Gefahr für die zarte Erholung der Peripherieländer dar. Und auch Deutschland, dessen wirtschaftliche Stärke extrem wichtig ist, um die schwächelnden Euroländer zu stützen, wird leiden, wenn der Euro weiter steigt oder bei rund 1,40 US-Dollar verharrt. Wir stehen auf den Weltmärkten im Wettbewerb mit zwei Währungen. Dem Yen, wo Deutschland aufgrund der deutlichen Abwertung der japanischen Währung bereits an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt hat. Das macht sich vor allem auf dem wichtigen Wachstumsmarkt China bemerkbar. Und natürlich dem Dollar, an den außerdem der Kurs des chinesischen Renminbi gebunden ist. Jedes Prozent, das der Euro aufwertet, werden auch die Waren aus der Eurozone teurer gegenüber chinesischen, amerikanischen und japanischen Konkurrenzprodukten.

Die Mär der starken D-Mark

Die Eurokritiker werden nun wieder einwenden, dass Deutschland mit der festen D-Mark immer gut hat leben können und trotzdem konkurrenzfähig blieb. Sie vergessen nur um welchen Preis. Produktionsintensive Industrien wanderten ab. Nie kamen wir zu D-Mark-Zeiten von den vier Millionen Arbeitslosen runter. Hätten wir die hochgelobte Mark noch, dürften wir wahrscheinlich noch eine Million Arbeitslose mehr haben. Schweizer Exportunternehmen können ein Lied davon singen, wie es ist, mit einer überbewerteten Währung zu leben. Nicht umsonst wendet die Schweizer Nationalbank (SNB) Milliarden auf und riskiert eine extreme Aufblähung der Geldmenge, um den Franken stabil gegenüber dem Euro zu halten.

Rein ins Abwertungskarussell

Die Stärke der Gemeinschaftswährung hat vor allem einen Grund: Die Europäische Zentralbank (EZB) druckt kein Geld. Natürlich spielt auch die wirtschaftliche Erholung der Eurozone eine Rolle und setzt entsprechende Aufwertungsphantasie frei, entscheidend ist jedoch die Notenbankpolitik. Während die Federal Reserve (FED), die Bank of Japan (BoJ) und auch die Bank of England (BoE) jeden Monat für Milliardenbeträge Anleihen aufkaufen und so die Geldmenge erhöhen, schrumpfte diese in Euroland sogar zuletzt. EZB-Präsident Mario Draghi muss daher ebenfalls dringend zur Druckerpresse schreiten, will er den Wirtschaftsaufschwung nicht gefährden. Mögen die Zahlen jetzt auch noch gut aussehen. Wenn nach und nach die Währungssicherungsgeschäfte der Unternehmen auslaufen, wird die Eurostärke in den Bilanzen zu sehen sein.

Auch wenn langsam eine Korrektur wahrscheinlicher wird, mittelfristig wäre eine solche Politik eine doppelt gute Nachricht für europäische Aktien. Zum einen würden Anleihekäufe seitens der EZB die Konjunktur stützen, weil die Zinsen sinken, zum anderen würde aber auch Liquidität erzeugt, die teilweise an den Aktienmärkten landen dürfte.

Die Chancen für eine solche Entwicklung sind gut. Mario Draghi gibt sich zwar manchmal als Falke, im tiefen Innern ist er jedoch eine geldpolitische italienische Taube. Das haben die bisherigen Einlassungen zur Eurorettung gezeigt. Er muss diese Politik nur uns inflationsverängstigten Deutschen unter die Weste jubeln, was nach den Wahlen deutlich einfacher geworden sein dürfte.

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