So nicht!

Der onvista-Börsenfuchs · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Hallo, Leute! Es gibt keine Bestätigung für das Gerücht, dass unsere Kanzlerin Alibaba-Aktien gekauft habe. Vielleicht wollte sie ja, hat aber keine gekriegt. Dann bliebe die Hoffnung, dass Jack Ma demnächst ein paar mitbringt. Jedenfalls ist es doch nett, dass Reuters meldete, selbst Angela Merkel schaue gespannt an die Wall Street: „Wenn heute der Börsengang von Alibaba stattfindet, dann zeigt dies doch, dass die Welt nicht schläft, dass chinesische große Unternehmen längst Global Player sind.” Diese Aussage, die man noch genauer nach ihrer politischen Message untersuchen sollte, wurde am Freitag beim Zentralverband des Deutschen Handwerks gemacht. Ich bin beeindruckt. Angie hat die grenzüberschreitende Bedeutung dieses Weltrekords messerscharf beschrieben.

Eigentlich wollte ich mich nochmal mit diesem irren IPO befassen. Aber so nebenbei habe ich letzte Woche auch erkennen müssen, dass die negativen Denkansätze hierzulande einfach auszurotten sind. Damit meine ich nicht die laufenden Gespräche mit Privatanlegern, die ja in aller Regel optimistisch gestrickt sind, obwohl sie leidenschaftlich über Risiken diskutieren. Nein, ich denke insbesondere an die Medien - Miesmacherei gepaart mit Bedenken, Besserwisserei und Jammern. Auf den Keyboards vieler Journalisten fehlt offenbar die Plus-Taste. Wie oft habe ich das schon (vergeblich) berichtet: Wenn ich Besuch von Börsenfüchsen aus aller Welt bekomme, trage ich anschließend mein Köpfchen ein Stück höher - so positiv wird good old Germany im Ausland gesehen. Manchmal sogar mit bekennendem Neid. Und das, obwohl manche unserer Nachbarn über Merkels Sparpolitik schimpfen.

Es wurde viel über Alibaba geschrieben. Aber nirgendwo hab ich - neben der Würdigung, wie groß diese Kiste ist - den Anleger ermunternde Kommentierungen gelesen. Nee, die Journalisten waren eifrig dabei, die Risikofaktoren dieser Mega-Emission zusammenzutragen. Aber erst gestern ist mir der Kragen geplatzt. Die eigentlich schätzenswerte „Welt am Sonntag“ bringt folgendes Titelthema (Zitate): „Wirtschaftsmacht Deutschland - Die Lüge vom Superstar - Konjunkturell läuft es scheinbar bestens, die Bürger feiern - Doch der Abstieg des Landes hat längst begonnen - Die Industrie ist auf der Flucht.“ Das wird im Innenteil noch gesteigert: „Das letzte Hurra - Die Konjunktur im Aufschwung, die Bürger in Weltmeisterlaune: Hochmütig blickt Deutschland auf andere Wirtschaftsnationen herab.“

So einen Scheiß habe ich lange nicht mehr unter die Augen gekriegt (Sprachpuristen mögen mir die Worte verzeihen!). Das lehrerhafte Auftreten unserer Spitzenpolitiker gegenüber „schwachen“ Nachbarn ist doch nicht Ausdruck der Gesamtverfassung unserer Nation. Außerdem kriegen wir umgekehrt auch von ausländischen Regierungen manchmal die viel zitierten Leviten gelesen. Das gehört wohl zum politischen Spiel. Zurück zu dieser Story: Wo läuft es denn konjunkturell „bestens“? Was ist denn beklagenswert an „Weltmeisterlaune“? Übrigens heißt es dann eine Seite weiter: „Hochgeschwindigkeit war einmal. Die deutsche Wirtschaft ist wachstumsschwach. Es droht schon bald dauerhafter Stillstand.“

Ich kann solch germanisches Hyper-Jammern kaum ertragen. Warum, bitte schön, sind unsere Unternehmen und ihre Aktien global so begehrt, warum haben wir einen vom Ausland beneidenden Mittelstand, warum zieht es Chinesen ebenso wie die Amis nach Deutschland? Mich ärgert das deshalb, weil man doch nur - nur! - mit selbstbewusstem Optimismus die Riesenprobleme des (internationalen) Finanzsystems und der Staatsverschuldung lösen kann. So werden Unternehmer und Investoren jedenfalls nicht motiviert.

Folgt dem bitte nicht, meine Freunde (und Kritiker), sondern beteiligt Euch weiter an deutschen Unternehmen. Der Dax wird weiter steigen. Und jetzt stehen ja - endlich wieder - auch bei uns einige Neuemissionen bevor. Denkt aber daran, dass man Chancen und Risiken streuen sollte - möglichst international und über verschiedene Anlageklassen!

boersenfuchs@onvista.de

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