Staatsanleihen aus Asien: "Es muss ein Deutschland in China aufgebaut werden"

DAS INVESTMENT · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Ob ein Sack Reis umfällt oder die Wirtschaft etwas langsamer wächst - für Geoffrey Lunt, Produktspezialist für Asien-Anleihen bei HSBC, liegen die Probleme Chinas ganz woanders. Wo die Volksrepublik Nachholbedarf hat, warum der Asien-Fan trotzdem chinesische Staatsanleihen kauft und wo es sonst noch gute Renten-Schnäppchen gibt.

DAS INVESTMENT.com: Sie sind für Rentenprodukte von HSBC Asset Management in Asien verantwortlich. Sie persönlich stammen aber aus Nordeuropa. Wie kamen Sie auf Asien.

Geoffrey Lunt: Meine Faszination für Asien habe ich bereits 1987 entdeckt. Damals war ich 16 Jahre alt und hatte meinen Urlaub in Hongkong verbracht. Ich fand diese Erfahrung faszinierend. Danach unternahm ich weitere Reisen vor allem nach China, Hongkong und Tokio. 2003 fing ich bei der HSBC in London an. Das Unternehmen hat Niederlassungen in der ganzen Welt - darunter auch in Asien. Als sich 2011 die Gelegenheit ergab, in die Asien-Zentrale nach Hongkong zu wechseln, griff ich zu.

In welchen Ländern finden Sie zurzeit besonders attraktive Staatsanleihen?

In der Region Ost-Asien, vor allem in Südkorea, Hongkong und China, sowie in Südostasien, hier vor allem in Malaysia, Singapur, Thailand, Philippinnen, Indonesien und Indien.

Und warum?

Nehmen wir zum Beispiel Hongkong. Der Markt ist klein, aber liquide und hat eine sehr hohe Qualität bei einer sehr niedrigen Volatilität. Am interessantesten sind aber derzeit China und Indien. Das sind große aufstrebende Volkswirtschaften - mit entsprechenden Anleihemärkten. Der Rentenmarkt Indiens ist eine Billion, Chinas sogar fünf Billionen US-Dollar schwer. Ich denke, in den kommenden Jahren wird die Bedeutung dieser Länder noch weiter zunehmen.

Dabei scheinen Chinas Zeiten als Investoren-Liebling doch vorbei zu sein. Das Wirtschaftswachstum hat sich in den letzten Jahren verlangsamt, Immobilienpreise sind so stark gestiegen, dass manche Experten eine Blase befürchten. Trotzdem zählt China zu Ihren Favoriten. Warum?

Das verlangsamte Wirtschaftswachstum ist nun wirklich das geringste Problem Chinas. Schließlich zeigt sich die Regierung in letzter Zeit sehr bemüht, das Wachstum - und die damit zusammenhängende Inflation - zu drosseln. Daher kann ich den Hype um die absoluten Wachstumsraten nicht nachvollziehen. Eine weitaus größere Herausforderung für die Volksrepublik ist es, die Binnennachfrage anzukurbeln und das rückständige Gesundheitssystem zu modernisieren. Außerdem missdeuten einige Investoren die ganz natürlichen Marktbewegungen als ein Anzeichen von Krise. Das tun sie zum Beispiel, wenn zu Beginn der Urlaubssaison viel Geld von Bankkonten abgezogen wird. Das erinnert einige Investoren an die Finanzkrise, obwohl es sich hier nur um eine ganz normale saisonale Schwankung handelt.

Und der chinesische Immobilienmarkt?

Zeigt keine Spur einer Blase. Das Ziel der Zentralregierung ist, die Wohneigentums-Quote bis 2020 auf 60 Prozent zu erhöhen. Die derzeitige Quote liegt bei 54 Prozent. Das bedeutet, dass Häuser und Wohnungen für 85 Millionen Menschen gebaut und entsprechende Infrastruktur sichergestellt werden müssen. Und 85 Millionen Menschen sind so viele wie die gesamte Bevölkerung Deutschlands. Es muss also quasi ein Deutschland in China aufgebaut werden. Natürlich ist ein Teil des benötigten Wohneigentums bereits gebaut worden. Und natürlich werden in einigen vorzugsweise ländlichen Gegenden Häuser und Wohnungen leer stehen. In den Ballungsräumen hingegen wird die Nachfrage das Angebot deutlich übersteigen - ein Unterschied zur Immobilienblase, wie wir sie von den USA, Spanien oder Irland kennen.

Eine steigende Nachfrage nach Wohnraum setzt aber Bevölkerungswachstum voraus - keine Selbstverständlichkeit angesichts der chinesischen Ein-Kind-Politik.

Im vergangenen Jahr führte die Zentralregierung mehrere Reformen durch, die auch die Ein-Kind-Politik betrafen. Dabei wurden die Bestimmungen gelockert. Paare, die aus zwei Einzelkindern bestehen, dürfen mittlerweile mehrere Kinder haben. Selbstverständlich ist das nicht genug, um einer Überalterung der Gesellschaft vorzubeugen. Das weiß die Regierung in Peking aber auch. Sie hat große Pensionsfonds und Fonds für soziale Sicherheit aufgelegt, die Abhilfe schaffen sollen.

Beim Einkaufen kommt es darauf an, gute Qualität zu einem günstigen Preis zu kaufen. Das Gleiche trifft auch auf den Kauf von Staatsanleihen zu. Auf welchen asiatischen Märkten gibt es derzeit besonders attraktive Schnäppchen?

Zum Beispiel in Indonesien. Zum Vergleich: Die zehnjährigen Staatsanleihen aus den Philippinen sind mit 4,88 Prozent, die aus Indonesien hingegen mit 8,01 Prozent verzinst. Dabei haben beide Länder das gleiche Rating. Da ist es nur logisch, dass wir indonesische Anleihen den philippinischen vorziehen.

Und wie sieht es auf der Währungsseite aus? Welche asiatischen Währungen stehen bei Ihnen auf der Einkaufsliste?

Zum einen natürlich der chinesische Yuan. Auch wenn die Währung in letzter Zeit gegenüber dem US-Dollar etwas nachgegeben hat, wird sie sich mittel- bis langfristig sicherlich erholen. Allerdings bleibt der Wechselkurs sehr volatil, was kurzfristig zu Einbrüchen führen kann. Der Yuan wird aber 2015 eine starke Position haben, davon bin ich überzeugt. Die zweite Währung auf unserer Einkaufsliste ist die indische Rupie. Sie wird durch die gute Entwicklung des indischen Aktienmarktes nach den Präsidentschaftswahlen gestützt. Außerdem hat die neue Führung der indischen Notenbank einige Maßnahmen beschlossen, die die derzeit hohe Inflationsrate langfristig bekämpfen sollen. Derzeit steht die Rupie im Vergleich zum US-Dollar zwar nicht so gut da. In den nächsten 12 bis 36 Monaten wird sie aber massiv an Stärke gewinnen.

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