Zur Nachahmung nicht empfohlen!

Der onvista-Börsenfuchs · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Hallo, Leute! Kennt Ihr Gerda M. aus S.? Sicher nicht. Ich habe sie kürzlich auf einer Veranstaltung kennen gelernt, weil sie meinen Rat suchte. Eine ganz ungewöhnliche Dame mit einem ebenso ungewöhnlichen Anlageverhalten. Die 68jährige Lady (sie sieht zehn Jahre jünger aus und macht keine Show um ihr Alter) ist ein Aktienfan, wie ich ihn so noch nie erlebt habe. Und ich habe nun wirklich total viele Privatanleger im Laufe der Zeit getroffen und gesprochen - ein paar Tausend waren’s auf jeden Fall. So weit, so gut. Ist Gerda also ein Vorbild für Privatanleger? Leider nein - und mit allem Respekt: Ihre Strategie, wenn man das so nennen will, ist zwar beeindruckend, doch kann ich sie nicht zur Nachahmung empfehlen.

Die verwitwete Hausfrau sprach mich an, ob sie ihr Portfolio jetzt durch globale Instrumente ergänzen solle, etwa durch ETFs auf einen Weltindex. Außerdem sei sie an der Wall Street vielleicht nicht ausreichend investiert. Logisch, dass ich erst mal mit Gegenfragen zu ihrer Risikobereitschaft, zu ihrem zeitlichen Anlagehorizont und zur aktuellen Depotstruktur herausfinden wollte, wer mir da lächelnd gegenüber sitzt. Gerda M. verriet mir dann Einzelheiten, die ich nur schwer glauben konnte. Und mit ihrer Zustimmung widme ich diesem Gespräch hier ein paar Zeilen.

Die gelernte Drogistin kam selbst, ganz allein auf die Aktie. Hintergrund: Ihr verstorbener Ehemann war Unternehmer und so mit seiner Firma beschäftigt („Der war ja kaum daheim“), dass sie sich entschied, alle privaten Geldsachen in die Hand zu nehmen ( Und wir sprachen über ziemlich große Summen, ohne sie konkret zu nennen). Daraus entwickelte sich schon vor einigen Jahren eine an Sucht erinnernde Aktien-Leidenschaft, der sie heute täglich viel Zeit widmet. Trotzdem konnte Sie mir nicht genau sagen, wieviel Einzelwerte in ihrem Depot sind, meinte dann nach kurzem Nachdenken: „Genau weiß ich das im Moment gar nicht, es müssen aber mehr als 120 bis 130 sein.“ Nicht eingerechnet zahlreiche Investmentfonds. Gerda M. merkte, wie entsetzt ich darauf reagierte, und erklärte, das seien ja nicht immer 500 oder 1000 Stück, sondern oft auch nur ein paar, denn: „Ich habe sozusagen zwei Gruppen von Aktien - die eine zur Anlage und die andere zum Vergnügen.“ Was heißt das denn? Nun, die Dame liebt Hauptversammlungen und besucht auch zahlreiche, jedes Jahr: „Das ist doch interessant, und man trifft dort andere Aktionäre, mit denen man sich austauschen kann.“ Apropos austauschen: Gerda M. „handelt“ nebenbei, aber ganz lebhaft mit HV-Eintrittskarten und hat seit Jahren feste Partner in anderen Teilen der Republik.

Ganz ehrlich, meine Freunde, mir fiel nach dieser Selbstdarstellung nichts Originelles ein. Denn mein wichtigster Rat kam ja viel zu spät, nämlich ihren Aktienbestand zu bereinigen und drastisch zu reduzieren. Immerhin, die Aktionärin hat kürzlich einen professionellen Vermögensverwalter eingeschaltet: „Der hat ähnlich wie Sie die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, als er meine Unterlagen sah.“

Allen Aktienfans sei empfohlen, nicht nur das zu tun, was man auch einigermaßen kapiert, um die Chancen und Risiken erkennen. Darüber hinaus sollte man unbedingt auch mengentechnisch den Überblick behalten! Ob man (neben anderen Instrumenten wie z.B. Fonds) am besten fünf, sieben oder höchsten 20 einzelne Aktien haben sollte? Ich halte nichts von festen Vorgaben, dass muss jeder selbst herausfinden. Ich bin schon jetzt gespannt darauf, was aus dem Depot von Gerda M. geworden ist, die ich in ein paar Monaten wiedersehen werde.

boersenfuchs@onvista.de

Neueste exklusive Artikel