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dpa-AFX · Uhr
    Bitterer Beigeschmack, Kommentar zu Siemens von Michael Flämig
Frankfurt (ots) - Siemens lässt die Rekorde purzeln. Dies signalisiert bereits
der Aktienkurs. Er stieg am Tag der Jahrespressekonferenz bis zum Schluss des
Xetra-Handels auf den Höchststand von 151,16 Euro. Der operative Erfolg
kondensiert im Free Cash-flow. Er erreichte mit 8,2 Mrd. Euro den höchsten Wert
der Unternehmensgeschichte. Dies ist umso bemerkenswerter, weil der Konzern
infolge der Aufspaltungen viel weniger Umsatz als früher auf die Waage bringt.

Tatsächlich rennen die Kunden Siemens die Bude ein. Man muss bis 2010/2011
zurückblättern, um ein Geschäftsjahr zu finden, in dem der Auftragseingang die
Erlöse noch deutlicher übertraf. Natürlich ist das Book-to-Bill-Verhältnis von
1,15 wertzuberichtigen. Denn der Konzern profitiert nun von Aufholeffekten nach
den Lockdowns. Außerdem decken sich Abnehmer ein, um Lieferengpässen und
Preiserhöhungen zuvorzukommen.

Trotzdem zeigt der Zuspruch, dass Siemens viel richtig macht. Erstens: Das
Portfolio ist goldrichtig positioniert. Digitalisierung und Nachhaltigkeit
bleiben in den zwanziger Jahren die dominierenden Themen. Siemens bedient beide
Megatrends. Die Münchner sind - zweitens - nolens volens ein Gewinner der
Coronakrise. Sie spielen so gekonnt mit Lieferketten und ihren
Fabrikationskapazitäten, dass die Kunden weit besser bedient werden als von
kleineren Wettbewerbern. Diese Zuverlässigkeit wird die Klientel nach der
Pandemie nicht vergessen. Denn die nächste Krise kommt bestimmt, und dann ist
Sicherheit wieder ein hohes Gut. Drittens: Siemens reinvestiert einen
stattlichen Anteil seiner Erlöse in die Forschung und sichert sich damit auch in
Zukunft den Kundenzugang.

Die Erfolge haben jedoch einen bitteren Beigeschmack, über den der
Rekord-Aktienkurs nur oberflächlich hinwegtäuscht. Denn die Börse gesteht
Kern-Siemens (ohne Healthineers) einen immer geringeren Teil der
Konzern-Marktkapitalisierung zu.

Über die Ursachen lässt sich spekulieren. Angelsachsen nehmen den Konzern noch
immer als Konglomerat wahr. Die Frage, warum die Bahntechnik zwingend zum
Konzern gehört, hat Vorstandschef Roland Busch eher erstickt als beantwortet.
Der Track Record für das weiterentwickelte Kerngeschäft ist noch kurz. Die
Umstellung auf Software-as-a-Service kostet erst einmal Marge. Die Beteiligungen
an Healthineers und Energy wirken zuweilen wie Fremdkörper.

Klar: Letztlich führt vor allem operative Leistung zu hoher Bewertung. Auf
dieser Wegstrecke gilt es jedoch, die Augen offenzuhalten. Firmenkäufer lauern
in Niedrigzins-Zeiten an jeder Ecke.

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