EZB: Europäische Notenbank erwartet deutlich höhere Inflation – und ergreift weiterhin keine Maßnahmen

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Europas Währungshüter lassen ihr Corona-Notkaufprogramm für Anleihen im kommenden Jahr auslaufen. Die Europäische Zentralbank (EZB) werde „die Nettokäufe von Vermögenswerten im Rahmen des PEPP Ende März 2022 einstellen“, entschied der EZB-Rat am Donnerstag. Beendet sind die milliardenschweren Wertpapierkäufe der EZB damit aber nicht.

Das zu Beginn der Pandemie im März 2020 aufgelegte Kaufprogramm PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) endet damit formal. Im Rahmen dieses besonders flexiblen Programms wird die EZB zunächst weiterhin Staatsanleihen und Unternehmenspapiere erwerben. Das Volumen des PEPP hatte die Zentralbank mit Sitz in Frankfurt von ursprünglich 750 Milliarden Euro zwei Mal auf 1,85 Billionen Euro erhöht.

Die Anleihenkäufe helfen Staaten wie Unternehmen: Diese müssen für ihre Wertpapiere nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine Zentralbank als großer Käufer am Markt auftritt. Führende Vertreter der EZB hatten zuletzt bekräftigt, die Notenbank werde die Wirtschaft auch 2022 mit Anleihenkäufen unterstützen. Denn die Unsicherheiten für den wirtschaftlichen Ausblick haben angesichts der neuen Coronavirus-Variante Omikron wieder zugenommen.

EZB pumpt weiterhin Geld in den Markt

Auch nach einem formalen Auslaufen von PEPP will die EZB Gelder aus fällig werdenden Wertpapieren neu anlegen – und zwar nun bis mindestens Ende 2024. Zudem sind Anleihenkäufe inzwischen fester Bestandteil des Werkzeugkastens der EZB. Im Rahmen des seit 2015 genutzten Programms APP hat die EZB bisher mehr als drei Billionen Euro in Staatsanleihen und Unternehmenspapiere gesteckt. Im zweiten Quartal 2022 stockt die Notenbank das Kaufvolumen des Programms APP von derzeit monatlich 20 Milliarden Euro auf dann 40 Milliarden Euro auf, wie der EZB-Rat ebenfalls entschied. Im dritten Quartal sollen Anleihen im Volumen von 30 Milliarden Euro monatlich gekauft werden, ab Oktober 2022 wird das Volumen wieder auf 20 Milliarden Euro verringert.

Ein Ende des Zinstiefs im Euroraum ist nicht in Sicht: Den Leitzins für den Währungsraum der 19 Staaten hält die EZB auf dem Rekordtief von null Prozent. Auf diesem Niveau liegt der Zins nunmehr seit März 2016. Geschäftsbanken müssen nach wie vor 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken.

Inflation in Europa steigt immer weiter

Kritiker werfen der EZB vor, mit dem vielen billigen Geld die Inflation anzuheizen, die sie eigentlich im Zaum halten will. Oberstes Ziel der Notenbank sind stabile Preise bei einer Teuerungsrate von zwei Prozent. Eine höhere Inflation schwächt die Kaufkraft von Verbrauchern, weil sie sich für einen Euro dann weniger kaufen können als zuvor.

Sowohl in Deutschland als auch im Euroraum haben sich die Teuerungsraten in den vergangenen Monaten immer weiter vom Ziel der EZB entfernt. In Deutschland kletterte die Inflation im November auf 5,2 Prozent. Der für die EZB-Geldpolitik maßgebliche harmonisierte Verbraucherpreisindex HVPI lag in Europas größter Volkswirtschaft sogar um 6,0 Prozent über Vorjahresniveau. Im Euroraum legten im November die Verbraucherpreise im Jahresvergleich um 4,9 Prozent zu – das ist die höchste Inflation seit Bestehen des gemeinsamen Währungsraums.

Die EZB erklärt den sprunghaften Anstieg der Teuerung vor allem mit Sonderfaktoren, die sich im nächsten Jahr abschwächen sollten: etwa die Erholung der Ölpreise nach dem Corona-Schock und Lieferengpässe infolge gestiegener Nachfrage. Zudem schlage derzeit die Rücknahme der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung in Deutschland durch.

Der scheidende Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatte wiederholt gemahnt, das Risiko einer zu hohen Inflation nicht zu unterschätzen. Die Geldpolitik solle „nicht zu lange an ihrem derzeit sehr expansiven Kurs festhalten“. Am Donnerstag hatte Weidmann ein letztes Mal Gelegenheit, im EZB-Rat für seine Position zu werben: Er gibt sein Amt als Bundesbank-Präsident nach gut zehn Jahren zum 31. Dezember vorzeitig auf und scheidet damit auch aus dem höchsten EZB-Entscheidungsgremium aus.

EZB erwartet höhere Inflation – mehr als 3 Prozent im kommenden Jahr

Die EZB rechnet in diesem und im kommenden Jahr mit einer teilweise deutlich höheren Inflation im Euroraum als zuletzt angenommen. Nach der am Donnerstag vorgelegten Prognose wird die Teuerungsrate in diesem Jahr bei 2,6 Prozent liegen. Im September war die Notenbank noch von 2,2 Prozent ausgegangen.

Im kommenden Jahr rechnen die Währungshüter im Jahresschnitt mit einer Preissteigerung von 3,2 Prozent (September-Prognose: 1,7 Prozent). Für 2023 sagt die EZB eine Inflationsrate von 1,8 Prozent (September-Prognose: 1,5 Prozent) im gemeinsamen Währungsraum voraus. Die erstmals für 2024 vorgelegte Prognose geht von einer Rate von ebenfalls 1,8 Prozent aus.

Die Wirtschaft im Euroraum wird nach der neuesten EZB-Vorhersage in diesem Jahr um 5,1 Prozent zulegen (September-Prognose: 5,0 Prozent). Für das kommende Jahr erwarten die Experten der Notenbank einen Anstieg der Wirtschaftsleistung um 4,2 Prozent (September-Prognose: 4,6 Prozent). Im Jahr 2023 soll das Bruttoinlandsprodukt um 2,9 Prozent wachsen (September-Prognose: 2,1 Prozent) und ein Jahr später um 1,6 Prozent. Im Corona-Krisenjahr 2020 war das BIP im Euroraum um 6,4 Prozent eingebrochen und damit so stark wie noch nie.

onvista/dpa-AFX

Titelfoto: design.gertect / Shutterstock.com

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