ROUNDUP 2: Großbank ING verdoppelt Jahresgewinn - und enttäuscht trotzdem

dpa-AFX · Uhr

(Neu: Details zum Deutschland-Geschäft.)

AMSTERDAM (dpa-AFX) - Die niederländische Großbank ING hat ihren Gewinn im zweiten Corona-Jahr dank der gesunkenen Gefahr von Kreditausfällen fast verdoppelt. Auch dank gestiegener Erträge sprang der Nettogewinn um 92 Prozent auf fast 4,8 Milliarden Euro in die Höhe, wie der Mutterkonzern der gleichnamigen deutschen Direktbank am Donnerstag in Amsterdam mitteilte. Analysten hatten jedoch mit noch mehr gerechnet. Für die ING-Aktie ging es nach den Neuigkeiten kräftig abwärts.

Am späten Nachmittag verlor das ING-Papier rund zweiviereinhalb Prozent auf 13,19 Euro und war damit einer der größte Verlierer sowohl im Eurozonen-Index EuroStoxx 50 als auch europäischen Branchenindex Stoxx 600 Banks . Seit dem Jahreswechsel hat das Papier aber noch rund acht Prozent gewonnen und wird längst wieder teurer gehandelt als vor dem Ausbruch der Corona-Krise im Februar 2020.

Größter Hebel für die Gewinnentwicklung war 2021 die gesunkene Risikovorsorge für befürchtete Kreditausfälle. Mit 516 Millionen Euro legte die Bank zu diesem Zweck rund 81 Prozent weniger Geld zurück als im ersten Corona-Jahr 2020. Allein dies ließ das Ergebnis nun deutlich nach oben schnellen. Nachdem die ING-Aktionäre bereits im Oktober eine Zwischendividende von 21 Cent je Aktie erhalten haben, sollen sie noch eine Schlussdividende von 41 Cent bekommen.

Im abgelaufenen Jahr konnte die Bank auch ihre Einnahmen steigern. Während der Zinsüberschuss bei 13,6 Milliarden Euro praktisch stagnierte, legte der Überschuss aus Provisionen und Gebühren um 17 Prozent auf 3,5 Milliarden Euro zu. Insgesamt steigerte die Bank ihre Erträge dadurch um knapp fünf Prozent auf rund 18,5 Milliarden Euro.

Im vierten Quartal wuchs der Gewinn im Vorjahresvergleich mit plus 30 Prozent jedoch unterdurchschnittlich. Das lag auch an dem Ausstieg aus dem Privatkundengeschäft in Frankreich: Rückstellungen für den geplanten Stellenabbau und Abschreibungen schlugen hier mit 141 Millionen Euro negativ zu Buche.

Bei der ING Deutschland, zu der auch Österreich zählt, ging der Gewinn den Zahlen des Mutterkonzerns zufolge vor Steuern auch im Gesamtjahr leicht auf 1,1 Milliarden Euro zurück. Die Erträge sanken um 3,5 Prozent auf 2,6 Milliarden Euro, während die Kosten stiegen. Eine gesunkene Risikovorsorge konnte dies nicht ausgleichen. Im deutschen Privatkundengeschäft gingen die Erträge noch stärker zurück. Der Vorsteuergewinn fiel sogar um 17 Prozent auf 950 Millionen Euro.

Die Zeiten ungebremsten Kundenwachstums bei der einstigen ING-Diba sind allerdings vorbei. Das Institut, das seit November 2018 nur noch unter dem Namen des Mutterkonzerns ING auftritt, will nicht mehr nur Geldparkplatz sein, sondern als Hausbank mehr Geschäft mit seinen Kunden machen. Heißt: Idealerweise sorgen diese über Baufinanzierung, Verbraucherkredite oder Wertpapiersparen für Provisionseinnahmen.

Aus dem Privatkundengeschäft in Österreich zog sich die Bank ganz zurück. Infolgedessen verringerte sich die Zahl der Privatkunden von gut 9,5 Millionen Ende des Jahres 2020 auf nun knapp 9,1 Millionen - auch wenn in Deutschland im vergangenen Jahr unter dem Strich 131 000 Kunden hinzukamen. Die Zahl derjenigen, die neben dem Girokonto mit regelmäßigem Geldeingang mindestens ein weiteres Produkt der Bank nutzen, stieg um gut 106 000 auf knapp 2,26 Millionen.

Beim Einlagenwachstum, das wegen der Negativzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) bares Geld kosten kann, tritt die ING Deutschland seit einiger Zeit auf die Bremse. Inzwischen verlangt sie ab 50 000 Guthaben je Konto ein Verwahrentgelt von ihren Kunden. Dies trug dazu bei, dass die Einlagen in Sparprodukten und auf Girokonten um netto 10,1 Milliarden Euro auf gut 134,2 Milliarden Euro zurückgingen.

Viele Sparer schichteten auch in Wertpapiere um. Dadurch stieg das Provisionsergebnis um 13 Prozent auf 543 Millionen Euro. Bestandskunden haben noch bis Ende Februar Zeit, den neuen Geschäftsbedingungen und damit dem Verwahrentgelt zuzustimmen. Die "überwiegende Mehrheit" der Kunden habe bereits ihr Einverständnis erklärt, sagte Vorstandsvorsitzende der ING Deutschland, Nick Jue. Die Bank gehe nun auf den Rest zu. Er betonte: "Klar ist: Wir brauchen eine sichere rechtliche Basis, um mit unseren Kunden zusammenzuarbeiten." Es gehe darum, "Kontokündigungen als allerletzte Option zu vermeiden".

Das Prozedere, das die ING Deutschland nach Jues Schätzung "einige Millionen" kostet, ist Folge eines Urteils des Bundesgerichtshofs, das die gesamte Branche beschäftigt. Der BGH hatte Ende April entschieden, dass Banken bei Änderungen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) die Zustimmung der Kunden einholen müssen./stw/ben/zb

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