Aktien Europa: Ukraine-Krieg lässt Kurse einbrechen - Banken sehr schwach

dpa-AFX · Uhr

PARIS/LONDON (dpa-AFX) - Die europäischen Aktienmärkte sind am Donnerstag massiv gefallen. Der Vormarsch russischer Truppen in die Ukraine ließ den EuroStoxx 50 gegen Mittag um 4,44 Prozent auf 3798,49 Punkte einbrechen. Das war der tiefste Stand seit März 2021.

Auch der französische Cac 40 gab mit 4,37 Prozent auf 6484,32 Punkte kräftig nach. Der britische FTSE 100 hielt sich mit 3,01 Prozent Minus auf 7272,63 Punkte dank der relativen Stärke der Rohstoff- und Ölwerte nur etwas besser.

An den Finanzmärkten herrscht große Unsicherheit, die sich in den starken Abgaben widerspiegelt. "Alles ist möglich. Je nachdem, wie heftig die Meldungen aus der Kriegsregion ausfallen, dürften die Börsen mit erratischen Kursbewegungen darauf reagieren", erwartet Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets. "Auf der anderen Seite werden die Investoren jetzt ganz genau auf die nächste Reihe an Sanktionen gegen Russland schauen und deren Effekte für Rohstoffpreise, Wirtschaft und einzelne Unternehmen versuchen abzuschätzen."

Daher gilt es, die weitere Entwicklung abzuwarten. "Entscheidend ist, wie lange die Militäroperation andauert, wie weit russische Truppen in die Ukraine vordringen und welche Reaktionen aus dem Westen und aus China erfolgen", merkte Carsten Mumm, Chefvolkswirt der Privatbank Donner & Reuschel, an. "Niemanden ist derzeit klar, wie sich die Situation weiter entwickeln wird und ob sich eine weitere Verschärfung abzeichnen kann", brachte Marktexperte Andreas Lipkow von Comdirect die Verunsicherung der Börsen auf den Punkt.

Stärkste Verlierer waren die Banken. Zuletzt war ein Ausschluss Russlands beim internationalen Zahlungsverkehrssystem Swift im Gespräch. Käme es dazu, würde der Warenverkehr mit dem Land zusammenbrechen, hatte der "Spiegel" im Januar einen Bankenmanager zitiert. "Dann würden Banken auf ihren Außenständen in Russland sitzen bleiben und müssten womöglich hohe Kreditausfälle hinnehmen."

Aktien der britischen Bank Lloyds kamen nach den Zahlen für das vierte Quartal unter Druck und brachen um 8,6 Prozent ein. Das vierte Quartal der Bank sei zwar besser als gedacht ausgefallen, schrieb Analyst Joseph Dickerson von Jefferies. Der Ausblick für 2022 deute allerdings auf höher als bislang erwartete Kosten hin.

Technologiewerte verzeichneten ebenfalls deutliche Abgaben. Hier belasteten die schwachen US-Vorgaben. Die US-Schwergewichte im "Fang+-Index" hatten am Vortag alle Gewinne aus dem vergangenen Jahr eingebüßt und damit ein Warnsignal gegeben.

Auch gute Zahlen bewirkten zumeist nicht viel. Der Kurs von Axa sackte um über fünf Prozent ab, obwohl der französische Versicherer seinen Gewinn im zweiten Corona-Jahr dank gesunkener Schäden und lukrativer Finanzgeschäfte mehr als verdoppelt hatte.

Sogar Öl- und Rohstoffwerte vermochten sich dem Abwärtssog nicht ganz zu entziehen, auch wenn sie deutlich weniger nachgaben als die anderen Sektoren. Immerhin hatte ein Barrel der Nordseesorte Brent erstmals seit 2014 einen Preis von mehr als 105 Dollar erreicht. Der Preis für Aluminium stieg sogar auf ein Rekordhoch. "Der Markt preist eine massive Angebotsverknappung ein", stellte Rohstoffanalyst Carsten Fritsch von der Commerzbank zum Ölpreisanstieg fest. "Sollte es zu einem teilweisen Ausfall der russischen Öllieferungen kommen, wären die anderen großen Produzentenländer nur bedingt in der Lage, dies auszugleichen."

Nicht ganz so schwach wie der Gesamtmarkt tendierten die defensiven Pharma- und Nahrungsmittelwerte. Hier ragten Aktien von AB Inbev mit 1,6 Prozent Verlust hervor. Die Zahlen des Brauerei-Konzerns stießen damit auf positive Resonanz. Analyst Trevor Stirling von Bernstein bezeichnete das vierte Quartal als solide. Der Ausblick auf 2022 gestalte sich zudem besser als bei einigen Wettbewerbern./mf/jha/

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