Dräger-Chef: Logistik- und Frachtkosten um das Mehrfache gestiegen

dpa-AFX · Uhr

LÜBECK (dpa-AFX) - Der Unternehmenschef des Medizin- und Sicherheitstechnikkonzern Drägerwerk zeigt sich über den Krieg in der Ukraine bestürzt. Er sei von dem Russland-Ukraine-Konflikt "emotional und menschlich betroffen", sagte Unternehmenschef Stefan Dräger am Donnerstag der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. "Wir selbst haben in der Ukraine keine eigenen Mitarbeiter, wohl aber in Russland 110 Kollegen", sagte er. In einem normalen Jahr trüge die russische Belegschaft zwei Prozent zum Umsatz bei. Wie sich die Sanktionen auf das Geschäft auswirken werden, könne er noch nicht sagen.

Grundsätzlich liefere das Unternehmen Technik, um Leben zu schützen, zu unterstützen und zu retten. In den meisten Fällen gebe es Ausnahmen für Medizinprodukte auf den Sanktionslisten. Er wisse noch nicht, wie es in diesem Fall sein werde. "In jedem Fall halten wir uns zu jeder Zeit an alle Regeln und Gesetze, die für Geschäfte in der ganzen Welt gelten", betonte der Firmenlenker. Momentan rechne er aufgrund des Konflikts zwar nicht mit Störungen von Lieferketten, es könne hier aber noch zu Überraschungen in der ganzen Welt kommen.

Unterdessen machen Drägerwerk bereits seit längerem höhere Kosten zu schaffen, darunter leiden auch viele andere Unternehmen angesichts der höheren Inflation und den aktuellen Lieferkettenschwierigkeiten. Zuletzt heizte der Ukraine-Krieg den Preisanstieg auf den Öl- und Gasmärkten noch weiter an.

"Energie ist nicht der größte Faktor, wir sind nicht sehr energieintensiv in unserer Produktion", sagte Dräger. Es gebe aber andere Kosten wie etwa für Elektronikbauteile, die schwer zu bekommen seien und sich teilweise um das Hundertfache verteuert hätten. Logistik- und Frachtkosten seien um das Mehrfache gestiegen. "Der gesamte Anstieg der Faktorkosten ist erheblich." Einen Teil davon versuche das Unternehmen, über Preiserhöhungen weiterzugeben. Wie weit dies gelingen werde, lasse sich noch nicht sagen.

Die zusätzlich in der Corona-Pandemie aufgebauten Produktionskapazitäten will Drägerwerk trotz der inzwischen deutlich gesunkenen Nachfrage nach FFP2-Masken weltweit zunächst einmal behalten. "Wir hatten schon bei der Entscheidung zum Bau der Anlagen berücksichtigt, dass diese nicht auf Dauer voll ausgelastet bleiben", sagte der Konzernchef. Die Anlagen hätten sich aber jetzt schon gelohnt. Wegen des zunächst hohen Bedarfs an FFP-Masken hatte der Konzern in der Corona-Pandemie seine Produktionsstandorte in Schweden und Südafrika ausgebaut und zudem neue Fabriken etwa in den USA errichtet.

Aktuell sei das Unternehmen in Verhandlungen mit verschiedenen Regierungen, Konzepte zur Bereitstellung zu entwickeln. Dazu gehöre etwa, dass bestimmte Maschinen zur Herstellung der FFP2-Masken in eine Art Winterschlaf oder Standby-Modus versetzt werden. Andererseits würden die Masken auch für Anwendungen in der Industrie gebraucht. Dieser Bedarf sei relativ groß, Drägerwerk habe in diesem Bereich bisher nur einen sehr geringen Anteil. "Wenn wir unseren Anteil von verschwindend gering auf gering steigern können, dann können wir auch ein gutes Auskommen haben", sagte der Konzernlenker.

Im vergangenen Jahr hatte der Konzern mit gut 3,3 Milliarden Euro zwar nur etwas weniger Umsatz als im Rekordjahr 2020 erzielt, der Gewinn unter dem Strich war jedoch um fast 40 Prozent eingebrochen. In das neue Jahr ist Drägerwerk laut Finanzchef Gert-Hartwig Lescow "ganz ordentlich" und im Rahmen der Erwartungen gestartet. Seit der zweiten Jahreshälfte 2021 habe sich das Geschäft normalisiert, Drägerwerk habe daher zu Beginn des neuen Jahres nicht mehr auf einem außerordentlichen Auftragsbestand gesessen, sagte er. Das Management hat deshalb für das Jahr bereits einen Umsatzrückgang von fünf bis neun Prozent in Aussicht gestellt. Die Entwicklung im ersten Quartal stütze dies auch, sagte der Finanzchef.

Zunehmend schwieriger werden zudem die Geschäfte in China. Der Markt ist laut Unternehmensangaben der zweitgrößte für Drägerwerk, für einige Anwendungen in der Medizintechnik sogar der größte. "Die chinesische Regierung beginnt Entscheidungen umzusetzen, die den eigenen Menschen und der Wirtschaft schaden", kritisierte Dräger. Dazu gehöre auch eine protektionistische "Made in China"-Politik, die das Geschäft von Drägerwerk erschwere und beeinträchtige. So dürften Chinesen teilweise nur noch heimische Medizinprodukte kaufen, erläuterte der Unternehmenschef.

Die chinesische Regierung verfolge diese bereits seit längerem bestehende Politik neuerdings mit strengerer Konsequenz nach, ergänzte der Finanzchef. Sichtbar sei dies insbesondere im Auftragseingang im zweiten Halbjahr 2021. Im laufenden Jahr werde dies auch im Umsatz spürbarer werden. "Das ist in unserer Prognose berücksichtigt", fügte Lescow hinzu./mne/tav/jha/

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