Produktion kommt auf Touren - Ukraine-Krieg wird Belastungsprobe

Reuters · Uhr

DEUTSCHLAND-PRODUKTION:Produktion kommt auf Touren - Ukraine-Krieg wird Belastungsprobe

Quelle: (c) Copyright Thomson Reuters 2022. Click For Restrictions - https://agency.reuters.com/en/copyright.html

Berlin (Reuters) - Die deutschen Unternehmen haben ihre Produktion vor Ausbruch des Ukraine-Krieges so kräftig hochgefahren wie seit über einem Jahr nicht mehr.

Industrie, Bau und Energieversorger stellten im Januar zusammen 2,7 Prozent mehr her als im Vormonat, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Dienstag mitteilte. Das ist der kräftigste Zuwachs seit Oktober 2020 und zugleich der vierte monatliche Anstieg in Folge. Von Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich eine Zunahme um 0,5 Prozent erwartet. "Allerdings dürfte die konjunkturelle Belebung durch die Folgen der russischen Invasion in der Ukraine gebremst werden", warnte das Ressort von Wirtschaftsminister Robert Habeck.

Es sei momentan ungewiss, wie stark sich dadurch verursachte Engpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten auf die Produktion auswirkten. Es könne zu Verzögerungen beim Abarbeiten der aktuelle hohen Auftragsbestände der Firmen kommen. "Durch den Krieg in der Ukraine steht die deutsche Industrie vor ihrer nächsten Belastungsprobe", meinte auch Konjunkturexperte Nils Jannsen vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Kurzfristig dürften vor allem die zusätzlichen Lieferengpässe die Produktion belasten. Für den März zeichne sich angesichts der Werksschließungen in der Autobranche wegen ausbleibender Vorleistungen aus der Ukraine ein deutlicher Rückgang der Industrieproduktion ab.

Die Autobauer VW, Porsche und BMW sowie der Lkw-Hersteller MAN müssen wegen fehlender Teile von Zulieferern aus dem Kriegsgebiet ihre Produktion bereits drosseln. Dabei geht es vor allem um Kabelbäume, bei denen sich die Ukraine zu einem wichtigen Produktionsstandort für den Westen entwickelt hat.

BAU IM WINTERHOCH

Das Baugewerbe zeigte sich zum Jahresauftakt von seinem Dezember-Einbruch erholt: Begünstigt von milder Witterung stieg die Produktion im Januar um 10,1 Prozent. Die Energieversorger drosselten ihre Erzeugung um 0,1 Prozent, während die Industrie 1,3 Prozent mehr herstellte. Im Vergleich zum Februar 2020 - dem Monat vor dem Beginn der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie in Deutschland - liegt die Gesamtproduktion aktuell noch um 3,0 Prozent niedriger.

"Für das erste Quartal verbessern die heutigen Zahlen zumindest die Chance, dass es keinen neuerlichen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes geben wird", erklärte Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen mit Blick auf die überraschend positiven Produktionszahlen. Das BIP war Ende 2021 um 0,3 Prozent geschrumpft. Sollte es auch im Auftaktquartal einen Rückgang geben, sprechen Volkswirte von einer technischen Rezession - also zwei Quartalen mit schrumpfender Wirtschaftsleistung in Folge.

Wohl auch vor dem Hintergrund des drohenden Rezessions-Szenarios warnt der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) vor einem Importstopp von russischem Öl und Gas als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine. Die deutsche Industrie könne nicht von heute auf morgen ihren Energiebedarf umstellen, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm im ZDF. "Wir haben halt viele Industriezweige, für die der Energieeinsatz ein ganz wesentlicher Kostenfaktor ist", sagte er: "Da wird es zunehmend schwierig, noch vernünftig produzieren zu können, ohne nur draufzulegen."

Meistgelesene Artikel