Plattform-Aktien: Ist die Wende bei den chinesischen Titeln eingeleitet und wie geht es mit Etsy, Block und Paypal weiter?

Holger Schmidt · Uhr

War das die Wende? Nachdem steigende Zinsen, dem Ukraine-Krieg im Allgemeinen und die Tech-Regulierung in China im Besonderen die Plattform-Aktien lange Zeit belastet hatten, legten die Kurse in der vergangenen Woche bis zu 115 Prozent zu – angeführt von chinesischen Papieren wie dem Taxidienst Didi Global. Aber auch andere Plattformen wie MercadoLibre aus Argentinien, Shopify aus Kanada oder Block (Square) aus den USA gehörten mit Aufschlägen von mehr als 30 Prozent zu den Gewinnern dieser furiosen Börsenwoche. Die Big Techs (Apple, Amazon, Microsoft, Alphabet und Meta) legten zwischen 5 und 15 Prozent zu.

Die Kurse chinesischer Plattformen werden aktuell von der Politik bestimmt. Unternehmen wie Alibaba, Tencent oder JD.com leiden seit gut einem Jahr massiv unter der scharfen Regulierung im Inland und der Abgrenzung gegenüber den USA. Viele Gründer, die in China wie Rockstars verehrt werden, haben seitdem entnervt ihre Posten geräumt und zehntausende Menschen ihre begehrten Jobs in den Digitalfirmen verloren. JP Morgen hat den gesamten chinesischen Tech-Sektor aktuell als „uninvestierbar“ bezeichnet. Denn neben der Regulierung ist auch die Gefahr, dass die Sanktionen des Westens gegen Russland auf chinesische Unternehmen ausgeweitet werden könnten, noch einiger Entspannungssignale aus Peking nicht gebannt.

Offenbar ist die chinesische Regierung nun bemüht, den entstandenen Schaden zu begrenzen, da sie die Digitalfirmen in der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Lage als Wachstumsmotoren dringend braucht. Chinas stellvertretender Ministerpräsident Liu He hat nicht nur Aktienkäufe der Regierung bestätigt, sondern auch seine Unterstützung chinesischer Unternehmen bei Börsengängen im Ausland betont. Zudem berichtete er von Fortschritten in den Gesprächen mit US-Regulierungsbehörden über in den USA notierte chinesische Unternehmen. Daraufhin zogen die Kurse vieler großer Firmen zweistellig an. Chinesische Plattformen bieten beim aktuellen Bewertungsniveau somit Chancen, bleiben aber politisch riskant.

Bereits seit einem Monat stabilisiert haben sich Transaktionsplattformen wie Shopify, MercadoLibre, Etsy, PayPal oder Block, die von der Aktivität im Online-Handel abhängen. Nach der scharfen „Post-Corona-Korrektur“, als auch den Anlegern bewusst wurde, dass die in der Pandemie erreichten Wachstumsraten nicht ewig so hoch bleiben, scheint es vom korrigierten Bewertungsniveau nun wieder bergauf zu gehen, da die Geschäftsmodelle intakt sind.

Neue Impulse werden wieder die Quartalzahlen im kommenden Monat bringen. Dann wird sich zeigen, wie robust die Geschäftsmodelle der Plattformen auch im „Krisen-Modus“ des Ukraine-Krieges sind. Die meisten Digitalfirmen haben ihre Geschäftstätigkeit in Russland inzwischen eingestellt, was aber nur geringe Umsatzeinbußen auslösen wird. Die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern oder die neuen Lieferkettenprobleme dürften ebenfalls keine unerwarteten geringe Effekte auslösen, so dass nach aktuellem Stand allzu negative Überraschungen nicht erwartet werden. Interessant könnte Amazon werden: Die Investition in den Elektroautohersteller Rivian könnte nach dessen starkem Kursverlust im ersten Quartal auch zu einem Quartalverlust bei Amazon führen. Das operative Geschäft ist davon aber nicht betroffen, so dass der mögliche Verlust unter informierten Anlegern keine Nervosität auslösen dürfte. Die Ankündigung des Aktiensplits und einer Aktienrückkaufprogramms unterstützen die Aktie aktuell ebenso wie die Genehmigung der MGM-Übernahme, die Amazon helfen wird, das Werbegeschäft über die eigenen Stores hinaus zu verbreiten. Amazon hat im vergangenen Jahr mehr als 31 Mrd. Dollar mit der Werbung seiner Händler auf seinen Marktplätzen umgesetzt. Um das Wachstumstempo hochzuhalten, können die Händler bei Amazon nun auch Werbeflächen außerhalb der Stores buchen, um potenzielle Kunden von außen auf die Plattform zu locken. Die MGM-Filme liefern attraktive Inhalte für das Amazon-Werbenetzwerk – das allerdings wachsende Konkurrenz bekommt, denn andere Anbieter wie Walmart, Instacart und sogar Uber sind inzwischen auf den Retail-Media-Zug aufgesprungen.

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