OTS: Börsen-Zeitung / Lex Gazprom, Kommentar zur Gaskrise von Stefan Reccius

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    Lex Gazprom, Kommentar zur Gaskrise von Stefan Reccius
Frankfurt (ots) - Falls es noch eines Beweises bedurft haben sollte, dass
Deutschland und die EU sich dringend unabhängig von Energieimporten aus Russland
machen müssen - Wladimir Putin hat ihn erbracht: Russlands Präsident hat
angekündigt, statt Euro und Dollar nur noch Rubel für russisches Gas zu
akzeptieren. Die genauen Modalitäten von Putins Retourkutsche für westliche
Sanktionen sind unklar, die Folgen ebenso. Klar ist nur: Was an den Gasmärkten
neue Panikschübe ausgelöst hat, wird den EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag
dominieren.

Die EU-Kommission hat jedenfalls eine Menge Input für die Beratungen der Staats-
und Regierungschefs geliefert. Sie legt eine Reihe von Optionen auf den Tisch,
um zügig etwas gegen den Energiepreisschock zu tun. Damit kommt sie hektischen
Forderungen aus der Industrie nach.

Mit einer Taskforce will Brüssel die Gasbeschaffung bündeln. Auf diese Weise
könnten die EU-Staaten ihre Marktmacht ausspielen, statt sich als Wettbewerber -
wie bislang - selbst zu kannibalisieren. Zwar ginge ein gemeinsamer Gaseinkauf
zulasten ihrer Eigenständigkeit und liefe auf mehr Zentralismus hinaus, ein
klassischer Reibungspunkt in der EU. Doch ist dies unter marktwirtschaftlichen
Gesichtspunkten allemal besser, als vorübergehend Preise zu deckeln, womit nicht
nur die italienische Regierung sympathisiert. Die hohen Preise signalisieren
reale Knappheiten, die nicht durch Preisgrenzen verschwinden. Die EU-Kommission
betont denn auch im Beipackzettel die Risiken und Nebenwirkungen eines solchen
Markteingriffs.

Mehrheitsfähig dürften wohl vor allem direkte Hilfen für Privathaushalte und
Unternehmen sein - zumal die EU-Kommission dafür eigens ihre Subventionsregeln
gelockert hat. Konkret und vergleichsweise weit fortgeschritten sind in Sachen
Energiesicherheit Pläne für Gas-Mindestreserven. Jeder der 160 Gasspeicher in
der EU soll vor dem kommenden Winter zu 80 % gefüllt sein, ab 2023 sogar zu 90
%. Kommen Betreiber dem nicht nach, droht Brüssel ihnen Eigentum und Kontrolle
zu entziehen.

Diese Drohung zielt auf den russischen Konzern Gazprom, der über eine deutsche
Tochter acht Speicheranlagen in der EU betreibt. Gazprom hat - ungeachtet aller
Beteuerungen, seine Lieferverträge zu erfüllen, - seine Speicher im Sommer
bewusst halbherzig gefüllt. Energielieferungen notfalls als Waffe einzusetzen
hat Moskau offenkundig von langer Hand geplant. Eine Lex Gazprom, die zum
Abbruch der Geschäftsbeziehungen führen kann, darf kein Tabu sein - zumal
Gazprom auf Putins Geheiß ihre Lieferverträge nun auf Rubel umstellen soll.

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