Markt-Update: EZB passt Inflationserwartung unerwartet deutlich an - "damit haben die wenigsten gerechnet" - Indizes unter Druck, Abverkauf an den Anleihemärkten

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Hochgeschraubte Inflationserwartungen der Europäischen Zentralbank (EZB) schüren die Zins- und Konjunktursorgen der Anleger in Europa. Die Notenbank kündigte am Donnerstag für Juli eine Leitzinserhöhung um 0,25 Prozentpunkte und das Ende ihrer Anleihekäufe zum Monatswechsel an. In einer ersten Reaktion warfen Anleger Aktien und Anleihen aus den Depots. Der Euro ging auf Berg- und Talfahrt.

"Die Anpassung der Inflationserwartung hat die Börsen auf dem falschen Fuß erwischt", sagte Portfoliomanager Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners. Die EZB-Volkswirte erwarten für das laufende Jahr jetzt eine durchschnittliche Teuerungsrate in der Währungsunion von 6,8 Prozent statt wie zuvor 5,1 Prozent. 2023 soll die Teuerungsrate bei 3,5 (bisher 2,1) Prozent liegen. "Mit einer so deutlichen Anpassung nach oben haben die wenigsten gerechnet", sagte Altmann.

Etwas nervös reagierten die Anleger auch auf die Andeutungen zum weiteren geldpolitischen Kurs. Die Tür für 0,50 Prozentpunkte im September "steht weit offen", warnte der ING-Experte Carsten Brzeski. Damit könnte es die EZB anderen Notenbanken wie etwa der Fed mit einem stärkeren Zinskurs nachmachen. Was die Zinspolitik der USA betrifft, warten die Anleger nun auf Daten zu den Verbraucherpreisen am Freitag.

Dax und EuroStoxx50 weiteten ihre Verluste nach dem Zinsentscheid aus und lagen 1,5 bzw. 1 Prozent tiefer. An den US-Börsen zeichnete sich eine uneinheitliche Eröffnung ab.

Anleger werfen Bonds aus den Depots

An den Anleihemärkten kam es zu einem Ausverkauf. Im Gegenzug kletterten die Renditen der zehnjährigen Bundestitel auf ein frisches Acht-Jahres-Hoch von 1,456 Prozent. Auch die Verzinsungen südeuropäischer Bonds zogen deutlich an. "Die Beendigung der Anleihekäufe könnte eine Belastung für südeuropäische Staaten wie beispielsweise Italien bedeuten", sagte Analyst Salah-Eddine Bouhmidi vom Broker IG. Der Euro gab zunächst nach, kostete dann aber mit 1,0740 Dollar wieder etwa so viel wie vor der Entscheidung.

Unterdessen ließ der Teuerungsdruck durch die Energiepreise etwas nach. Die Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee verbilligte sich um 0,1 Prozent auf 123,53 Dollar je Barrel (159 Liter). Als Grund nannte Analyst Jeffrey Halley vom Brokerhaus Oanda Pandemie-Beschränkungen in Teilen der chinesischen Wirtschaftsmetropole Shanghai. "Sie lassen Ängste vor einer erneuten Schwäche der dortigen Wirtschaft wegen der Null-Covid-Strategie der Regierung wieder aufflammen."

Beiersdorf gegen den Trend stark

Am deutschen Aktienmarkt legten Beiersdorf rund sechs Prozent zu. Der Kosmetikhersteller profitiert von der steigenden Nachfrage nach Sonnencremes und hebt seine Umsatzprognose einen Tick an. Auch die neuen mittelfristigen Ziele gefielen den Anlegern.

Hochtief unter Druck

Titel von Hochtief gaben mehr als fünf Prozent ab. Der Baukonzern sammelt zur Finanzierung der Komplett-Übernahme der Tochter Cimic 406 Millionen Euro bei Investoren ein.

AO World zieht sich aus Deutschland zurück

Abwärts ging es auch mit den Papieren von AO World, die sich in London um sechs Prozent verbilligten. Der Online-Elektronikhändler zieht sich aus Deutschland zurück. Anleger seien zwar erleichtert, dass sich das Unternehmen aus dem verlustreichen Geschäft verabschiede, kommentierte Analyst Andrew Wade von der Investmentbank Jefferies. Es sei aber enttäuschend, dass keine andere Lösung gefunden werden konnte.

onvista/dpa-AFX/reuters

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