Fed-Chef Powell: "Werden kein Umfeld anhaltend hoher Inflation zulassen" - die Zweifel unter Analysten, dass die Inflation so schnell gebändigt werden kann, wachsen jedoch stetig

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Die Sorge vor einer Rezession sickert immer heftiger in die Stimmung der Anleger hinein und setzt die Finanzmärkte unter Druck. Im heutigen Handel lassen die europäischen Märkte weiter deutlich Federn, während auch die US-Indikatoren einen schwachen Start signalisieren.  

Das Dilemma bleibt das Gleiche: Die US-Notenbank gibt sich hart in ihrem Kurs, die grassierende Inflation mittels Zinserhöhungen und einer quantitativen Straffung ihrer Bilanz abzuwürgen und auch die europäische Zentralbank wird in ihrer Kommunikation immer pessimistischer. Für Juli steht nun immer deutlicher eine 0,5 Prozent Leitzinserhöhung im Raum.

Fed-Chef Powell legt immer strikter werdende Kommunikation an den Tag

Jerome Powell, der Vorsitzende der US-Notenbank Federal Reserve, hat derweil am Mittwoch noch einmal ganz und gar deutlich gemacht, dass die Fed nicht zulassen wird, dass sich die hohe Inflation langfristig in der US-Wirtschaft festfressen wird: „Das Risiko besteht darin, dass wir aufgrund der Vielzahl von Schocks beginnen, zu einem gefestigten Umfeld mit höherer Inflation überzugehen. Unsere Aufgabe ist es buchstäblich, dies zu verhindern, und wir werden dies verhindern. Wir werden keinen Übergang von einem Umfeld mit niedriger Inflation in ein Umfeld mit hoher Inflation zulassen“, sagte der Zentralbankchef während eines Forums der EZB zusammen mit europäischen Notenbanken.

„Die Inflations-Uhr tickt bereits seit einem Jahr. Es wäre schlechtes Risikomanagement, einfach anzunehmen, dass diese längerfristigen Inflationserwartungen angesichts einer anhaltend hohen Inflation auf unbestimmte Zeit verankert bleiben würden. Also machen wir das nicht. […] Wir sind fest entschlossen, unsere Instrumente einzusetzen, um die Inflation zu senken. Der Weg, dies zu tun, besteht darin, das Wachstum zu verlangsamen, es jedoch idealerweise positiv zu halten. Gibt es ein Risiko, dass wir zu weit gehen könnten? Gewiss, es besteht ein Risiko. Ich würde jedoch nicht zustimmen, dass dies das größte Risiko für die Wirtschaft ist. Der größere Fehler, den man machen könnte, wäre es, die Preisstabilität nicht wiederherzustellen“, so das deutliche Statement von Gerome Powell.

Die Zweifel an einer schnellen Eindämmung der Inflation wachsen

Trotz des klaren Bekenntnisses des Fed-Vorsitzenden mehren sich jedoch auch die Zweifel unter Finanzmarktanalysten, dass die Inflation so schnell wieder in den Griff bekommen werden kann. Analysten der US-Sparte der Deutschen Bank, darunter der Makrostratege Tim Wessel, halten es für wahrscheinlich, dass der Markt derzeit die Chancen unterschätzt, dass sich die Inflation beschleunigt oder nicht schnell genug verlangsamt.

Die Befürchtung wächst, dass sich die Inflation auch in der nun anbrechenden zweiten Jahreshälfte als resistent gegen die Maßnahmen der Federal Reserve erweisen könnte. Und das würde weiteres Abwärtspotenzial für die Finanzmärkte bedeuten.

„Wenn Sie sich die Erwartungen der letzten 18 Monate [für die Inflation] ansehen, wurden sie alle in eine Richtung verfehlt – nach unten – ob es sich um professionelle Prognostiker, Märkte oder die Fed handelt. Ich sehe keinen Grund, warum wir nicht glauben sollten, dass alle die Wahrscheinlichkeit einer höheren Inflation unterschätzen“, sagte Wessel. „Wir gehen jetzt davon aus, dass wir eine zugrunde liegende grundlegende Änderung der Inflation übersehen haben, die wir nicht berücksichtigt haben, und sehen jetzt eine reale Möglichkeit, dass der Markt die Wahrscheinlichkeit unterschätzt, dass die Inflation noch beschleunigt oder nicht schnell genug abnimmt“, so die Einschätzung des Analysten.

In einem Szenario anhaltend hoher Inflationswerte wird die Fed laut Ansicht von Wessel weiterhin gezwungen sein, auf ihrem Pfad der Wachstumsverlangsamung zu wandern, indem sie die Zinsen erhöht und mit der geldpolitischen Straffung fortfährt. Höhere Zinsen am Anleihemarkt, eine flachere Renditekurve, steigende Kreditspreads, weiter steigende Volatilität an den Finanzmärkten, sowie eine weiterhin schwächere Performance von Risk-on-Assets wären die Folge.

Langfristig rechnet der Analyst damit, dass die Fed den Kampf gegen die Inflation gewinnen wird, jedoch sei die Frage, „wie viel Schmerz bis dahin noch zu ertragen ist“ weiterhin offen. Allerdings solle man die Wahrscheinlichkeit auch nicht komplett ausschließen, dass die politischen Entscheidungsträger die Kontrolle über die Inflation gänzlich verlieren.

Die Bilanz der Notenbank dürfte das größere Problem sein

Das Kernproblem bei der Inflation liegt weniger in den niedrigen Zinsen, sondern in der extrem ausgeweiteten Geldmenge durch die Notenbanken, die im Zuge der Pandemie auf ein nie dagewesenes Niveau geführt wurde. Ein knappes Angebot aufgrund der Lieferengpässe und Unsicherheiten an den Rohstoffmärkten in Kombination mit einer immer noch starken Nachfrage trifft hier auf eine Geldmenge, die für die wirtschaftlichen Aktivitäten viel zu groß ist. Trotz der höheren Zinsen ist es angesichts der grassierenden Inflation immer noch lukrativ, weitere Kredite aufzunehmen, da die steigenden Preise von den Unternehmen teilweise ausgenutzt werden können, um Umsatz und Gewinn ebenfalls zu steigern.

Mit den Zinserhöhungen will die Fed die Nachfrage drosseln, indem sie die Kreditaufnahme kostspieliger macht, jedoch könnte die Verringerung der Notenbank-Bilanz und damit eine Verringerung der Geldmenge die effektivere Maßnahme sein, um die Nachfrage zu stoppen. Durch die Aufblähung diverser Asset-Preise im Zuge der Geldmengenausweitung ist auch die Kaufkraft vieler privater Wirtschaftsteilnehmer und Unternehmen gestiegen, da Aktien, Anleihen, Immobilien und auch Krypto-Werte enorm im Preis gestiegen sind. Eine Verringerung der Notenbank-Bilanz und ein Abzug der künstlichen Liquidität in Form der Notenbankkäufe sorgt auch für einen Rückgang der Asset-Preise, eine damit verbundene Verringerung der Kaufkraft vieler Wirtschaftsteilnehmer und somit auch für eine zusätzliche Drosselung der Nachfrage, was sich dämpfend auf die Inflationsentwicklung auswirkt.

Die Gefahr besteht hier jedoch in der Tatsache, dass die Finanzwirtschaft mittlerweile einen extremen Stellenwert im wirtschaftlichen Gesamtgefüge westlicher Industrieländer, vor allem jedoch in den USA, eingenommen hat und fallende Asset-Preise sich schlecht auf die Finanzwirtschaft auswirken – viel stärker als auf die restliche Realwirtschaft. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Rezession noch stärker.

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