Was ist eine Rezession? - Bekommen wir eine Rezession und wie sollten Anleger mit der Lage umgehen?

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Jeder redet darüber, die Zeitungen sind voll davon und die Spatzen schreien es von den Dächern. Die Rezession kommt ... ach nein, die Rezession bleibt doch aus! Aber wovor genau haben die Menschen Angst? Welche Arten von Rezessionen gibt es und wie lange können diese dauern? Und wie sollten Anleger in der aktuellen Phase handeln?

Was ist eine Rezession?

Die Konjunktur, also die Wirtschaftsentwicklung eines Landes, einer Region oder der Welt, lässt sich in verschiedene Phasen unterteilen. Dabei unterscheidet man zwischen den 4 Phasen Aufschwung, Boom, Rezession und Depression. Jede Phase hat dabei ihre eigenen Merkmale und Besonderheiten. Bei der Rezession handelt es sich um einen Abschwung bzw. das Zurücklaufen der Wirtschaftsleistung. Die Definition besagt: Wenn 2 Quartale hintereinander kein Wirtschaftswachstum stattfindet, wir uns in einer Rezession befinden. Anders formuliert. Kein Wirtschaftswachstum bedeutet dabei, dass das Bruttoinlandsprodukt schrumpft. Wo liegen die Ursachen für diese Verwerfungen?

Was kann eine Rezession auslösen?

Die Gründe des Abschwungs sind vielfältig. Gerade wenn man sich vor Augen führt, dass es in allen wichtigen Industrienationen seit 1960 mehr als 40 Rezessionszyklen gab. Die häufigsten Gründe waren dabei folgende:

  • Eine Korrektur der Immobilienpreise durch sinkende Nachfrage oder steigende Zinsen
  • Niedrigzinsphasen, in denen private Haushalte und Unternehmen zu einfach an Kredite kommen und diese später nicht tilgen können
  • Ein plötzlicher Anstieg der Rohstoffpreise, der zu Inflation und dem Einbruch des Konsumverhaltens führt
  • Unerwartete Steuererhöhungen oder Zölle
  • Ein massiver Gewinn der eigenen Währung, der die Exportwirtschaft kollabieren lässt

Mit einem Blick auf die aktuelle Nachrichtenlage wird deutlich, dass einige dieser Faktoren mit Sicherheit im aktuellen Umfeld gegeben sind. Aber trotzdem sind dies mögliche Ursachen und kein schlagkräftiger Beweis, dass die Rezession bald auf uns zukommt. Deswegen gibt es einige Indikatoren, mit denen man viel deutlicher das Risiko eines wirtschaftlichen Abschwungs bewerten kann.

Die Indikatoren

Aktienmarkt und VIX (Volatility Index)

Geht man von der Efficent Markets Theory aus, so sind die Mehrheit bzw. die Gesamtheit aller Informationen, die im aktuellen Zeitraum zur Verfügung stehen, in den Kursen eingepreist. Deswegen nehmen Kursverläufe oftmals auch die eigentliche wirtschaftliche Entwicklung voraus. Da sich der Aktienmarkt in einem Bärenmarkt befindet - 20 Prozent unter dem letzten Allzeithoch - ist dieser Indikator für eine Rezession positiv.

Anderes gilt beim VIX. Der Volatilitätsindex misst den Preis, den man bereit ist zu zahlen, um sich gegen die Schwankungen am Aktienmarkt abzusichern. Ist die Erwartungshaltung also eine Krise, dann ist die Angst vor einem Crash besonders hoch und dementsprechend hoch ist auch der Preis für eine Absicherung. Aktuell gibt es jedoch (wie im Chart zu sehen) keine massiven Übertreibungen im Kurs, womit dieser Indikator negativ ist.

Invertierte Zinskurve

Ein weiterer Indikator auf dem Kapitalmarkt ist die Invertierung der Zinskurve. Im Anleihebereich gibt es für Staatsanleihen desselben Landes, welche unterschiedliche Laufzeiten besitzen, auch unterschiedliche Zinsen. Im Normalfall sind die längerfristigen Zinse höher dotiert, da hier das Risiko eines Ausfalles auch höher ist. Ist dies aber nicht der Fall und notieren die kurz laufenden Staatsanleihen höher als die langlaufenden, so spricht man von einer invertierten Zinskurve. Dies drückt einerseits aus, dass der Markt von fallenden Zinsen in der Zukunft ausgeht und dass andererseits eine gewisse Angst vorhanden ist, sein Kapital so langfristig zu binden. Da die Amerikaner ja bekanntlich Statistiken lieben, gibt es natürlich auch eine zum Thema invertierte Zinskurve und Rezession. So hat Fed San Francisco im Jahr 2018 festgestellt: „In den vergangenen 60 Jahren ging jeder Rezession in den USA ein negativer Laufzeiten-Aufschlag voraus.“ Es habe in dem Zeitraum nur ein einziges Mal ein „falsch positives“ Signal gegeben, und zwar Mitte der 60er-Jahre. Somit hat bisher in 9 von 10 Fällen eine inverse Zinskurve eine Rezession korrekt angekündigt. 

In den USA liegen aktuell die Zinsen für 10-jährige Staatsanleihen bei 3,08 Prozent und die für 2-jährige bei 3,11 Prozent. Der Abstand ist zwar nicht sehr groß, aber es liegt eine invertierte Zinskurve vor. In Deutschland ist es aktuell anders. Hier liegen die 2-jährigen Staatsanleihen bei rund 0,5 Prozent und die 10 jährige bei etwa 1 Prozent. 

IFO Geschäftsklimaindex

Der dritte relativ verlässliche Indikator für eine kommende Rezession ist der IFO Geschäftsklimaindex. Am Anfang eines jeden Monates gibt das IFO Institut einen Fragebogen an 7000 Unternehmen aus verschiedenen Branchen aus, in welchem die Meinung zur aktuellen und zukünftigen wirtschaftliche Lage erfragt wird. Aus den Ergebnissen werden dann die beiden Indizes IFO Geschäftslage und IFO Geschäftserwartungen errechnet. Der erste stellt dabei die aktuelle Lage, der zweite die womöglich zukünftige Lage dar. Aus dem Durchschnitt ergibt sich dann der IFO Geschäftsklimaindex. Je tiefer dieser Wert liegt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer Rezession. Aktuell liegt er bei einem Wert um 90. Zum Vergleich:  In der Spitze der Finanzkrise lag er bei etwa 80. Beim Ausbruch der Corona-Pandemie März 2020 lag er bei 75. 

Was kommt auf uns zu?

Wenn eine Rezession wirklich eintritt, was erwartet Verbraucher und Unternehmer dann eigentlich? Sind die aktuellen Berichte über eine Rezession nur ein Schreckensszenario, vor dem man sich nicht fürchten muss oder sollten man sich Sorgen zu machen?

Eine Rezession bringt für den Verbraucher durch die Inflation höhere Preise, bei gleichzeitig niedrigeren Löhnen und Entlassungswellen. Diese denkbar schlechte Kombination verstärkt sich jedoch noch durch Rückgänge an den Börsen und Immobilienmärkten, welche in einer Krise mehr als 50 Prozent an Wert verlieren können.

Für Unternehmen sieht es aber nicht besser aus. Durch die gestiegenen Preise gibt es weniger Nachfrage und somit geringere Umsätze. Dies führt zu Entlassungswellen und Insolvenzen. Die überlebenden Firmen und Geschäftsmodelle werden dann faktisch als deutlich weniger wertvoll taxiert werden, was Refinanzierungen oder Überbrückungskredite schwierig macht.

Rezessionen an den Börsen

Schaut man sich vergangene Wirtschaftsabschwünge aus Krisenjahren an, so wird deutlich, dass die Aktienmärkte besonders negativ auf eine Abschwächung der Wirtschaft reagieren:

In den 70er Jahren brachte die Ölkrise die Märkte zum Einsturz. Der rasante Preisanstieg führte zu einem Jahrzehnt der Inflation und Arbeitslosigkeit, welches letztlich nur durch massive Zinsanhebungen und auf dem Rücken vieler Unternehmen und privater Haushalte beendet werden konnte.

Während der Krise am neuen Markt und dem damit verbundenen Platzen der Dotcom-Blase verloren die Anleger im marktbreiten S&P 500 in der Spitze mehr als 50 Prozent an Wert, während die Nasdaq sogar um 78 Prozent einbüßte. Grund für diese Rezession waren einerseits steigende Zinsen und die überhöhten Bewertungen der Unternehmen ohne fundamentale Basis

In der Finanzkrise als die Häuserblase in den USA kollabierte, verloren viele Menschen ihr Haus oder ihre Wohnung, welche sie sich durch die steigenden Kreditzinsen nicht mehr leisten konnten. Aus der Krise folgte nicht nur ein massiver Verlust des Aktienmarktes, sondern auch der Beinah-Kollaps von Staaten wie Irland, Griechenland oder Italien, was wiederum vermutlich den Zusammenbruch der EU bedeutet hätte.

Wendet man jetzt seinen Blick auf den heutigen Chart des S&P 500 seit Jahresbeginn, dann werden zwei Dinge klar. Zum einen sind hier noch lange nicht die Kursverluste wie in anderen Krisen zu sehen und der breite Markt kann theoretisch noch sehr viel weiter nach unten fallen. Trotzdem sollte dabei auch bedacht werden, dass dieser S&P 500 wie alle anderen breiten Indizes es immer wieder geschafft hat, sich von jeder noch so schlimmen Krise zu erholen und heute höher steht als je in einem Jahrzehnt zuvor.

Positive Effekte des Abschwungs

Genau deswegen bringt jede Krise auch Chancen mit sich und trotz des wirtschaftlichen Abschwungs gibt es einige positive Aspekte, welche vielleicht nicht sofort deutlich werden:

  • Zunächst ist positiv zu bewerten, dass es eine "Reinigung" im wirtschaftlichen Sinne gibt. Die Unternehmen, die zu schlecht für die Zukunft oder für Krisen aufgestellt sind, werden vom Markt verschwinden. Sie gehen entweder insolvent oder werden übernommen. Eine Rezession sorgt also dafür, dass die Konkurrenzsituation weiter potent und kompetitiv bleibt.
  • Gerade in Krisen werden die besten Unternehmen gegründet, da die Kapitalgeber deutlich sorgfältiger auswählen, wer von ihnen Geld erhält und wer nicht. Prominente Beispiele sind WhatsApp, Airbnb und Instagram, welche alle rund um die Finanzkrise 2008 entstanden sind.
  • Was den Kapitalmarkt angeht, so ist hier der vielleicht positivste Aspekt zu nennen: günstige Kurse. In einer Krise, wenn die Aktienpreise fallen, können Anleger leichter Unternehmensanteile "aufsammeln" und deutlich billiger einkaufen als in Boom-Phasen.

Gefühlt ist eine Rezession einhergehend mit einer hohen Inflation sicherlich kein Zuckerschlecken für die Bevölkerung und Konzerne. Die hohen Gas- und Energiepreise zum Beispiel lasten schon sehr stark auf dem eigenen Geldbeutel. Dass die Menschen sich aus diesem Grund in ihrem bisherigen Konsumverhalten einschränken müssen, hinterlässt kein gutes Gefühl. Kommt dann noch die Angst um den eigenen Job hinzu, dann können die Nerven auch schnell blank liegen. 

Kühler Kopf gefragt

Was das Anlageverhalten angeht, so sollten Investoren einen kühlen Kopf bewahren. Unternehmen mit starken Marken & Brandings wie zu Beispiel Apple, Microsoft oder Coca Cola, werden zwar auch einen wirtschaftlichen Abschwung zu spüren bekommen, aber sie werden auch aus diesem Abschwung sehr wahrscheinlich stärker hervorkommen als zuvor, da wie oben bereits beschrieben, einige "Zombie-Unternehmen" vom Markt verschwinden werden.

Eine goldene Regel für den Aktienmarkt in einer Rezession gibt es allerdings nicht und so hat jeder Experte seine eigenen Tipps, um gut durch die aktuelle Marktphase zu gelangen. 

Defensive Werte aus dem Gesundheitsbereich

Ben Snider zum Beispiel ist Senior Strategist bei Goldman Sachs. Er ist der Meinung, dass Anleger in der aktuellen Phase „relativ defensive“ Aktien bevorzugen sollten. Wichtig sei es dabei darauf zu achten, dass  Ertragsströme und zukünftiges Ertragswachstum weniger mit Wirtschaftszyklen korrelieren. Daher bevorzugt er aktuell den Gesundheitssektor. Seiner Ansicht nach ist er „sehr defensiv“ ist und kann eine Erfolgsbilanz des Gewinnwachstums in den letzten sechs Rezessionen vorweisen .

Diversifizierung ist Trumpf

Gary Schlossberg, globaler Stratege beim Wells Fargo Investment Institute, hat CNBC verraten, dass für ihn die unterschiedliche Ausrichtung des Depots entscheidend ist.

Wir suchen nach qualitativ hochwertigen liquiden Aktien, die größtenteils in Large-Caps und in gewissem Maße auch in Mid-Caps zu finden sind. Nach Sektoren haben wir eher einen defensiven Modus eingenommen – die weniger wirtschaftlich sensiblen Sektoren des Marktes wie Energie, Gesundheitswesen und sogar Technologie

Gary Schlossberg, globaler Stratege beim Wells Fargo Investment Institute, bei CNBC

Dividendentitel übergewichten

Markus Weingran, Redaktionsleiter onvista, würde in der aktuellen Marktphase den Anteil an Aktien mit einer starken Dividenden-Entwicklung hochfahren. Zum Beispiel haben Unternehmen, die mehr als 20 Jahre jährlich die Dividende erhöhen (Dividenden-Aristokraten) schon gezeigt, dass sie mit Krisen sehr gut umgehen können. Das Mahlzeit Musterdepot Dividende, welches nur Dividenden-Titel enthält, hat dieses Jahr sogar das Kunststück geschafft, seit Jahresanfang sein Plus auszubauen. 

Das Musterdepot Dividende hat zwar seit der Auflegung vor etwas mehr als einem Jahr "nur" über 10 Prozent zugelegt, wenn die Dividenden mit eingerechnet werden. Das zeigt aber auch, dass gute Dividenden-Titel in jedes Depot gehören. Je nach Marktlage mal etwas stärker und mal etwas weniger hoch gewichtet. Anleger fahren so einfach etwas ruhiger durch turbulente Phasen an den Märkten.

Markus Weingran, Redaktionsleiter von onvista 

Ob die USA, die Eurozone oder Deutschland in eine Rezession abdriftet, kann aktuell niemand wirklich sagen. Die Freitag veröffentlichten US-Arbeitsmarktdaten zeigen keine Anzeichen dafür, dass dies in USA passieren könnte. Die Gaszufuhr aus Russland spielt für Deutschland sicherlich eine entscheidende Rolle bei der Frage nach einem wirtschaftlichen Abschwung. Sollte Wladimir Putin den Gashahn ganz zudrehen, dann dürfte Deutschland wohl in eine Rezession abrutschen. 

Aktuell ist ein "Rezessionsblick" in die Zukunft von vielen Variablen abhängig, die nicht genau bestimmt werden können. Börsianer sind sicherlich kein Freund solcher Aussichten. Sie mögen es lieber etwas planbarer und vorausschaubarer. Daher ist der Aktienmarkt aktuell auch so volatil. Immer, wenn ein Teil des Rezessions-Puzzle klarer zu werden scheint, handeln die Anleger entsprechend.

So kam es auch zu der bislang zu der seltenen Entwicklung, dass eine "angekündigte" Zinserhöhung der Fed zu einer Beruhigung der Märkte führte. Dem Sitzungsprotokoll der Fed in der vergangenen Woche war zu entnehmen, dass die amerikanischen Währungshüter einen weiteren großen Zinsschritt zur Bekämpfung der hohen Inflation planen. Dies wurde wiederum so gedeutet, dass die US-Wirtschaft robust genug ist, dass zu verkraften ohne in eine größere Rezession abzurutschen, was wiederum die Aktienmärkte beflügelte.

Getreu dem Motto "Hin und Her machte Taschen leer" sollten sich Anleger nicht von der hohen Volatilität an den Märkten anstecken lassen. Ein besonnener Blick durch das eigene Depot reicht manchmal schon aus, um ruhiger zu schlafen. Die hochriskanten Werte sollten an die Seitenlinie gestellt werden. Wer sich dann überlegt, ob BMW, Mercedes und VW in zwei oder drei Jahren noch da sind und welche Rolle sie auf dem internationalen Markt spielen. Der greift vielleicht jetzt bei den deutschen Autobauern zu oder kann trotzdem mit ihnen im Depot ruhig schlafen. 

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