Alexander Mayer: Bitcoin - Schrödingers Bärenmarkt-Boden

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Es war eine volatile Woche an den Finanzmärkten und ebenfalls im Krypto-Sektor. Dreh- und Angelpunkt der Marktbewegungen war der Zinsentscheid der Federal Reserve am Mittwoch. Zwar hat die US-Notenbank wie vom Markt erwartet einen weiteren Jumbo-Zinsschritt von 0,75% beschlossen, die anschließende Kommunikation von Fed-Chef Jerome Powell während der Pressekonferenz hat jedoch für Chaos gesorgt.

Fed-Chef Powell versucht sich an Wort-Akrobatik

Powell hat angedeutet, dass die Fed nun in den nächsten Sitzungen die Höhe der Zinsschritte etwas runterschrauben wird. Darauf hatten die Märkte gehofft, da die steigenden Zinsen am Anleihemarkt die Wirtschaft zunehmend unter Druck setzen. Eine ausgewachsene Rezession – und damit auch die Sorge an den Finanzmärkten – wird immer wahrscheinlicher.

Doch Powell hat auch verlauten lassen, dass die Notenbanker das bisher angestrebte Maximalziel der Zinsen von etwa 4,5 bis 4,6% noch einmal erhöhen könnten. Am Markt rechnet man mittlerweile – spätestens nach dieser Pressekonferenz – mit einem Ziel von 5% oder leicht darüber bis zum ersten Quartal 2023.

Mit dieser Wort-Akrobatik hat Powell also versucht, gleichzeitig dovish wie hawkish zu sein und sich alle Optionen offen zu lassen. Dass diese Taktik für Verwirrung gesorgt hat, hat man an der Reaktion der Märkte gesehen. Anleihekurse und -zinsen, sowie die Kurse an den Aktienmärkten sind im Verlauf der Pressekonferenz deutlich hin und her gependelt.

Nachdem sich nun der Staub etwas gelegt hat, bildet sich an den Finanzmärkten jedoch wieder eine leichte Erholung aus, da es trotz der verwirrenden Kommunikation seitens der Notenbank im Grunde keine Veränderungen am weiteren Fahrplan gibt. Wahrscheinlich werden nun noch mindestens zwei weitere Erhöhungen im Dezember und im ersten Quartal 2023 – vielleicht um jeweils 0,5% - folgen, um das Ziel von 5% zu erreichen.

Die Lage bleibt angespannt – und der Dollar stark

Damit bleibt die US-Wirtschaft weiterem Druck ausgesetzt und es bleiben ebenfalls die Sorgen, ob die Fed mit ihrem straffen Fahrplan auf dem Weg etwas auf fundamentaler Ebene kaputt machen könnte, sei es nun am Anleihemarkt oder dem US-Immobilienmarkt.

Mit seiner unter dem Strich doch sehr hawkishen Pressekonferenz hat Powell auch der Rally des US-Dollars, die sich in den letzten Tagen abgeflacht hatte, wieder neues Leben eingehaucht. Schien sich vor und am Tag während der Zinsentscheidung noch ein tieferes Hoch auf dem DXY-Chart abzubilden und Hoffnung auf ein Ende der Rally des Dollars zu machen, ist er in den Tagen danach wieder deutlich geklettert. 

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Ein vorläufiges Ende hat die Rally derzeit an der Marke von 113 Punkten gefunden. Dass die Fed jedoch weiterhin klar am geldpolitischen Straffungspfad festhält, gibt dem Dollar jedoch weiteren Raum zu steigen, da durch die Straffung das Angebot weiter verringert wird und andererseits Anleger aufgrund der Unsicherheit in Wirtschaft und an den Märkten wieder in den Dollar als Safe Haven fliehen könnten.

Bitcoin hält sich erstaunlich wacker

Schlagen wir nun die Brücke zu Bitcoin, dessen Kursentwicklung weiter strickt an die besprochenen makroökonomischen und vor allem geldpolitischen Entwicklungen gekoppelt bleibt. Die enge inverse Korrelation zwischen Bitcoin und dem DXY bleibt weiterhin stark, jedoch scheint in letzter Zeit die Aufwärtsbewegung von Bitcoin stärker ausgeprägt zu sein, wenn der Dollar schwächelt, als es andersherum der Fall ist.

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Bereits Ende Oktober konnte der Bitcoin-Kurs sich wieder in positiveres Momentum zurück manövrieren, da ihm der Ausbruch über den seit August herrschenden Abwärtstrend gelungen war. Seit der Rückeroberung der Runden Marke von 20.000 Dollar Ende Oktober verharrt der Kurs in einem Seitwärtstrend zwischen 20.000 und 20.600 Dollar und arbeitet erneut daran, die runde Marke als charttechnische Unterstützung zu etablieren.

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Seit dem Blutbad am Markt im Frühsommer, der viele Krypto-Projekte die Existenz gekostet hat, konnte der Kurs sich mit einer Zwischenrally, die von der enormen Bärenmarktrally an den traditionellen Finanzmärkten angetrieben war, zwischenzeitlich wieder über die runde Marke kämpfen, musste sie jedoch Ende August wieder aufgeben, als auch dem übergeordneten Markt langsam der Saft ausgegangen war. Damit hatte Bitcoin charttechnisches Neuland betreten, denn nie zuvor ist die Kryptowährung unter das Hoch des letzten Bullenmarkts gefallen – in diesem Fall 20.000 Dollar – und zudem konnte die Kryptowährung bisher immer, zumindest auf der Monatsebene, den 200-Wochen-Trend als charttechnische Unterstützung behaupten, die als Signal für einen Boden in einem Bitcoin-Bärenmarkt gedient hatte.

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Derzeit befinden wir uns bereits den fünften Monat infolge unterhalb dieses Trends und er hat damit seine Reputation als zuverlässiges Boden-Signal eingebüßt. Auch die runde Marke von 20.000 Dollar hat sich nicht als krisenfest erwiesen, allerdings hat der Kurs während der letzten Bärenmarkt-Monate immer wieder schnell zurück zu diesem Ankerpunkt gefunden und die Bullen wollen das Allzeithoch aus dem letzten Bullenmarkt 2017 scheinbar um jeden Preis halten. Weiteres Futter für die Hoffnungen, dass wir im Krypto-Sektor bereits einen Makro-Boden für diesen Bärenmarkt gesehen haben, liefert ein Blick auf die Gesamtmarktkapitalisierung des Krypto-Sektors. Denn diese hält den 200-Wochen-Trend bereits seit fünf Monaten infolge wacker als Support auf Monatsebene.

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Wir befinden uns also derzeit in einer Situation, wie sie aus dem Gedankenexperiment mit Schrödingers Katze bekannt ist, bei dem eine Katze in einer Kiste mit einem radioaktiven Präparat eingesperrt ist, die gleichzeitig lebendig und tot ist, solange niemand die Kiste öffnet und nachschaut.

Rein charttechnisch hat der Bitcoin-Kurs die wichtigsten Indikatoren verloren, die für einen Boden des Bärenmarktes sprechen könnten. Andererseits machen die schnelle Rückeroberung der runden Marke von 20.000 Dollar, sowie der 200-Wochen-Trend als Support für die Gesamtmarktkapitalisierung des Krypto-Sektors dennoch Hoffnung, dass dieses Level bereits der Boden ist.

Auf fundamentaler Ebene spricht eigentlich alles dafür, dass es für die Gesamtmärkte noch weiter runter gehen wird, da die Fed bisher nicht klein beigibt und ihren geldpolitischen Straffungspfad weiter unbarmherzig durchzieht. Das bedeutet weitere Schmerzen für die Wirtschaft und die drohende Gefahr besteht, dass etwas an anderer Stelle in die Brüche gehen könnte. Stichwort Immobilienmarkt in den USA, aber auch in China, doch es gibt derzeit noch diverse andere Krisenherde, wie die Lage in Europa, den besonders schwächelnden japanischen Yen und mehr.

Sollte einer dieser Krisenherde hochgehen, dann wird das den Märkten weiteren, wahrscheinlich heftigen Tribut abverlangen. Doch andererseits ist die Wahrnehmung der Märkte weiterhin genau darauf fokussiert und die Untergangsstimmung hält sich hartnäckig. Eigentlich ein Kontraindikator dafür, dass es noch weiter bergab gehen könnte. Ein Großteil des Marktes rechnet ohnehin mit dem Schlimmsten.

Letzten Endes kann man als Anleger nur auf eine Weise mit dieser schwierigen Situation umgehen. Es hilft nur ein langfristiger Zeithorizont für die eigenen Investments. Auf jede Krise folgt eine Erholung und generell gilt: selbst wenn das noch nicht der Boden gewesen sein sollte, in einem Bärenmarkt wie diesem herrschen Einkaufspreise, die sich weit weg von der Euphorie aus den letzten Jahren bewegen. Langfristig wird sich das Problem der extrem ausgeweiteten Geldmenge, die das Zentralbanksystem hervorruft, nicht lösen lassen und die Inflationsgefahr von dieser Seite wird immer bestehen – nur die Trigger werden immer jeweils andere sein. Vermögen in feste Assets wie Aktien oder auch Bitcoin zu stecken ist daher langfristig eine solide Wette.

Speziell bei Bitcoin sprechen die diversen gegenwärtigen Probleme aus fundamentalen Gründen eigentlich nur für die Kryptowährung, da sie als Antithese zum derzeitigen Geldsystem erdacht wurde und zumindest das Potenzial hat, hier eine effiziente Alternative anzubieten, auch wenn Bitcoin aufgrund seines frühen Adaptionslevels jetzt vielleicht noch nicht ganz dazu in der Lage sein kann.

Denken Sie langfristig

Alexander Mayer

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