Heiko Böhmer: Das sind meine Lehren aus dem Börsenjahr 2022

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Das Pendel schlägt schnell um an den Börsen: Brachte 2021 noch Rekorde für alle maßgeblichen Anlageklassen, folgte 2022 der drastische Absturz. Ohne Frage wird das Jahr 2022 in die Geschichtsbücher eingehen. Viele bekannte Narrative an den Kapitalmärkten, wie die erfolgreiche defensive Ausrichtung von Portfolios mit Aktien und Anleihen, die eine positive Rendite liefern, haben in den vergangenen zwölf Monaten ganz klar ihre Bedeutung verloren.

Neben den kurzfristigen Schwankungen der Kapitalmärkte wirken derzeit vor allem viele strukturelle Veränderungen. Das Stichwort „Zeitenwende“ mag schon etwas abgegriffen sein, beschreibt den Sachverhalt aber sehr gut. Einige grundlegende Entwicklungen zeichnen sich derzeit ab:

  • Eine schnelle Rückkehr in die Vor-Corona Welt werden wir so schnell nicht erleben.
  • Die Herausforderung der negativen Realrenditen wird noch länger bestehen bleiben.
  • Nach der Auflösung der aktuellen Polykrisen bieten die Kapitalmärkte Investoren mit einem entsprechenden Zeithorizont lukrative Chancen für den Vermögensaufbau.

Als langfristig orientierte Investoren schauen wir eher auf großen Entwicklungen als auf punktuelle Ereignisse. Die strukturellen Veränderungen werde ich 2023 an dieser Stelle regelmäßig aufgreifen, denn es ist bei der ganzen Hektik im Tagesgeschäft auch wichtig, das „Big Picture“ an den Märkten im Hinterkopf zu haben.

Rezession ein Wendepunkt an den Märkten?

Grundsätzlich ist für uns das Thema Rezession auf Sicht der kommenden zwölf Monate von zentraler Bedeutung. Der folgende Chart, zeigt, dass die Kapitalmärkte sich häufig vor einer Rezession schon länger in einem Abwärtstrend befinden und in der Regel direkt nach ihrem Ende wieder zulegen.

 Schwache DAX-Entwicklung in Rezessionsphasen und deutliche Erholung direkt danach.
 Schwache DAX-Entwicklung in Rezessionsphasen und deutliche Erholung direkt danach. · Quelle: Heiko Böhmer

Sollte also die deutsche Wirtschaft im vierten Quartal in eine Rezession rutschen und diese über zwei Quartale anhalten, würde der Blick auf die Kapitalmärkte für das zweite Halbjahr 2023 schon wieder positive Aspekte liefern. Auf Basis solcher Erwartungen gilt es dann, die eigene Asset Allocation, also die Aufteilung auf die einzelnen Vermögensklassen genau im Auge zu behalten und anzupassen.

Überbewertungen deutlich abgebaut

2022 hat aber noch weitere Erkenntnisse gebracht.

Aus der massiven Übertreibung der letzten Jahre heraus haben sich die Bewertungen auch bei den Tech-Schwergewichten wieder den historischen Durchschnitten angenähert. Mit Blick auf die für uns maßgebliche Zeitspanne von fünf Jahren sehen etliche der großen Werte wie Amazon oder auch unser langjähriger Wert Alphabet wieder attraktiv aus und wir fühlen uns wohl mit diesen Positionen, die wir bei Bedarf auch wieder aufstocken können wenn sich eine klare Trendwende abzeichnet.

Auch für uns ist nicht alles rund gelaufen. Beispiel Netflix-Aktie: Hier sind wir zu früh nach einem ersten Absturz eingestiegen, denn danach folgte noch eine weitere deutliche Korrektur. Nun kann man sich über das eigene Handeln ärgern, aber ganz ehrlich: Ärgern ist eine unpassende Kategorie an der Börse – zumindest für professionelle Investoren. Diese Emotion wollen wir ausblenden. Und mittlerweile hat der Streaming-Anbieter auch schon fast wieder das Ausgangsniveau erreicht. Daran sieht man Unser Investment-Case hat hier letztendlich gestimmt.

So weit die Lehren aus 2022. Wieso wir speziell die Rezession als große Herausforderung für die Kapitalmärkte sehen, werde ich in der kommenden Woche an dieser Stelle näher analysieren.

Bis dahin wünsche ich Ihnen einen ruhigen Jahresausklang – nach der großen Hektik in diesem Jahr.

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