IG Metall nimmt neuen Anlauf für Vier-Tage-Woche

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Hamburg/Berlin (Reuters) - Die IG Metall geht die weitere Verkürzung der Wochenarbeitszeit an.

Zunächst soll in der Stahlindustrie eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich durchgesetzt werden, wie die Gewerkschaft ankündigte. Die Forderung ziele erstmals auf einen kollektiven, tariflich abgesicherten Anspruch für Beschäftigte einer ganzen Branche, sagte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann am Mittwoch. "Das ist ein nächster Schritt in eine attraktive industrielle Arbeitswelt, die Leben und Arbeit gut vereinen lässt", fügte er hinzu. Hofmann verwies darauf, dass die Stahlindustrie schon oft Vorreiterin für fortschrittliche tarifliche Regelungen gewesen sei. So hätten die Beschäftigten dort bereits 1978 für eine 35-Stunden-Woche gestreikt, die inzwischen auch in der Metall- und Elektroindustrie gilt.

"Insofern hat auch diese Forderung grundsätzlich Ausstrahlung über die Stahlbranche hinaus", betonte Hofmann. Er machte zugleich klar, dass dies ein längerfristiges Ziel sei. In diesem Jahr stünden - abgesehen von der laufenden Kfz-Tarifrunde - keine größeren Tarifverhandlungen bei der IG Metall an. Eine Sprecherin verwies darauf, dass mit dem so genannten Transformationsgeld im Tarifabschluss 2021 für die Metall- und Elektrobranche bereits eine Option für kollektive Arbeitszeitverkürzungen vereinbart worden sei. Schon davor hatte es Bemühungen für eine Vier-Tage-Woche gegeben, allerdings mit Teillohnausgleich.

ÖKONOMEN - "DAS KANN TYPISCHERWEISE NICHT GUTGEHEN"

Bei Ökonomen stieß das Vorhaben einer generellen Arbeitszeitverkürzung auf wenig Gegenliebe. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) hält eine Vier-Tage-Woche in Deutschland für nicht ratsam. "Das kann typischerweise nicht gutgehen", sagte IfW-Konjunkturchef Stefan Kooths bei der Vorstellung der Frühjahrsprognose der Institute in Berlin. Dies könnte unerwünschte Nebenwirkungen nach sich ziehen. "Das würde paradoxerweise die Produktivität erhöhen, weil dann ja der Faktor Arbeit drastisch verteuert würde mit dem Ergebnis, dass man dann weniger davon einsetzt und nur noch die produktiveren Arbeitskräfte übrig bleiben", sagte Kooths.

Wegen des Fachkräftemangels dürften die Arbeitnehmer in den kommenden Jahren bei Tarifverhandlungen allerdings am längeren Hebel sitzen. "Deshalb werden wir im Zweifel kräftige Lohnzuwächse sehen", sagte Kooths. "Das ist jetzt den Unternehmen und Gewerkschaften überlassen, wie sie das dann aushandeln - ob daraus dann eine Vier-Tage-Woche wird, das wird sich zeigen." Grundsätzlich müssten die Unternehmen in Zeiten von Fachkräftemangel und demografischem Wandel viel stärker auf die Wünsche der Arbeitskräfte eingehen, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben.

"Wir wollen eine echte Entlastung für die Beschäftigten erreichen, ohne dass sie deshalb weniger verdienen", sagte Knut Giesler, IG-Metall-Chef in NRW, der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (Mittwochausgabe). Für die Lebensqualität und die Gesundheit wäre das ein großer Fortschritt. Gleichzeitig würde die Vier-Tage-Woche die Stahlindustrie attraktiver für junge Menschen machen, die beim Umbau der kohlebasierten Schwerindustrie hin zu grünem Stahl in den kommenden Jahren dringend benötigt werden. Zugleich sei die Vier-Tage-Woche auch eine Möglichkeit, die im Zuge des grünen Umbaus der Stahlindustrie zu erwartenden Arbeitsplatzverluste zu verhindern. Die Verhandlungen beginnen im November. Unabhängig von dem Thema Vier-Tage-Woche werde es auch eine Lohnforderung geben, die erst kurz vor Verhandlungsbeginn aufgestellt werde, sagte Giesler.

(Bericht von Jan C. Schwartz, Rene Wagner und Katharina Loesche.; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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