Kolumne

Bankrun-Gefahr wandelt sich zum schleichenden Kapital-Abfluss – Bitcoin-Härtetest weiter im Gange

decentralist.de · Uhr
Quelle: Overearth/Shutterstock.com

Der Staub im US-Bankensektor hat sich ein wenig gelegt und die Maßnahmen der Federal Reserve haben ein Szenario vollkommen außer Kontrolle geratener Bankruns zunächst abgewendet. Das grundsätzliche Problem besteht jedoch weiterhin. Seinen Ursprung hat es in den hohen Zinsen. Unmittelbar im Zuge des Kollapses um die Silicon Valley Bank ist das Problem der unrealisierten Verluste durch US-Staatsanleihen in den Balancesheets der Banken und damit ein Liquiditätsproblem erst so richtig in den Fokus geraten.

Das hat das Vertrauen der Bankkunden in die Sicherheit der Einlagen schwinden lassen. Die Folge waren erhebliche Abzüge von Kapital aus US-Regionalbanken und hin zu den großen Playern JPMorgan und Co., die als systemrelevante Banken im Zweifel aufgefangen werden und daher scheinbar als sicherer Parkplatz für das Geld infrage kommen.

Die Abflüsse aus dem US-Bankensektor hören nicht auf

Mit dem Notfall-Liquiditätsprogramm der Fed konnte der Vertrauensverlust teilweise repariert werden. Doch nun wurde die Aufmerksamkeit vollends auf das Thema gelenkt. Die Zinsen sind enorm angestiegen, doch die Banken geben diese bisher nicht auf die Kundeneinlagen weiter. Und das ist verständlich, denn es würde erheblichen Druck auf die Margen der Banken erzeugen – im Falle vieler Regionalbanken hätte das wahrscheinlich sogar existenzbedrohende Folgen. Doch an den Anleihemärkten sind die Zinsen lukrativ. Sie sind sogar mittlerweile fast hoch genug, um den Kaufkraftverlust durch die immer noch sehr hohe Inflation komplett auszugleichen.

Daher sieht man nun trotz der installierten indirekten Einlagensicherheit über das Liquiditätsprogramm der Fed weiterhin Abflüsse aus dem Banken-Sektor und hinein in US-Staatsanleihen oder Geldmarktfonds. Aus Kundensicht ist das vollkommen nachvollziehbar. Während man auf seine Bankeinlagen maximal 0,5% bekommt, findet man bei manchen Produkten am Anleihemarkt eine Rendite von 5%. Bei einer Inflation von immer noch etwa 6% ist offensichtlich, wo das Geld besser vor dem Kaufkraftverlust geschützt ist. Zudem sind die Sorgen um die Einlagensicherheit zwar zurückgegangen, doch weg sind sie bei weitem nicht.

Banken stehen mit dem Rücken zur Wand

Für die Banken ist das äußerst problematisch. Um den Abflüssen entgegenzuwirken, müssten sie die Zinsen auf Kundeneinlagen ebenfalls nach oben justieren. Das dürfte für viele Banken jedoch wirtschaftlich nicht tragbar sein, vor allem da sie einen großen Teil der Kundengelder in den letzten 2 bis 3 Jahren in Anleihen geparkt haben, die viel weniger Rendite abwerfen als derzeit ausgegebene Anleihen. Es wäre ein deutliches Verlustgeschäft. Die Banken sind der Federal Reserve somit komplett ausgeliefert.

Wenn die Notenbank die Geschäftsbanken nicht direkt aus der Druckerpresse finanzieren möchte, dann muss sie die Zinsen eher früher als später senken, um die angesprochene Dysbalance wieder abzumildern. Allerdings will die Fed laut bisherigen Aussagen weiter eisern an ihrem Plan festhalten, die Inflation abzuwürgen. An sich verständlich, da eine unkontrollierte Inflation eine größere Gefahr für Wirtschaft und Gesellschaft darstellt als selbst die heftigste Inflation. Eine komplette Zerstörung der Preisstabilität wäre der Tod für eine Wirtschaft.

Doch die große Frage ist, ob die Fed nicht übertreibt. Auf die Finanzwirtschaft haben sich die Zinserhöhungen unmittelbar ausgewirkt, doch auf die Realwirtschaft wirken sie sich nur sehr stark verzögert aus. Es ist plausibel, dass der größte Effekt der nun hohen Zinsen erst noch anrollen wird. Und dass kann zu einem erheblichen Rückgang der Inflation führen, da die Wirtschaft irgendwann auf die deutlich teureren Finanzierungsbedingungen reagieren wird: Mit Entlassungen, weniger Investitionen und weniger Produktion.

Das wird Angebot und Nachfrage gleichermaßen stark drosseln, da weder Konsumenten noch Produzenten das Geld locker sitzen haben. Der derzeitige Pfad der Federal Reserve wirkt aus meiner Sicht wie die denkbar ungesündeste Methode, denn es ist der verzweifelte Versuch eines Spagats, der längerfristig kaum aushaltbar sein dürfte: Die Zinsen werden weiter erhöht, um die Inflation zu bekämpfen, während man gleichzeitig wieder massenweise Liquidität in den Bankensektor hineinpumpt, um ihn nicht kollabieren zu lassen.

Wie sieht die Lage in Europa aus?

Der europäische Bankensektor ist anders aufgestellt als der US-Sektor. Der Geldmarkt ist weniger ausgeprägt und viel gestückelter als in den USA, da Europa aus vielen Mitgliedsländern besteht, deren Anleihe-Zinssätze sich zum Teil deutlich unterscheiden. Es gibt weniger gute Alternativen, um sein Geld zu verschieben. Doch auch hier sieht man, zumindest auf Ebene der Unternehmen, einen wachsenden Trend, Kapital ebenfalls von der Bank abzuziehen und in Anleihen umzuschichten. Angesichts der enormen Vernetzung des Finanzsystems und vor allem des Bankenwesens spielt das jedoch im Makro-Bild keine große Rolle.

Es ist egal, wo der nächste Dominostein fällt, er wird Wellen in alle Märkte schlagen. Im Zuge des Untergangs der Silicon Valley Bank hat man dies anhand der Reaktion der Märkte bereits gesehen: Auch in Europa ist der Bankensektor in den Keller gerauscht und die Credit Suisse ist durch den entstandenen Druck ebenfalls zusammengebrochen.

Bitcoin-Härtetest ist ein längerer Pfad

Daher dürfte die Wahrscheinlichkeit – leider – sehr hoch sein, dass wir eher am Anfang als am Ende einer problematischen Phase des Bankensystems stehen. Das Schicksal der globalen Märkte liegt weiterhin in den Händen der Federal Reserve. Nur eine erhebliche Zinssenkung kann die Ursachen der derzeitigen Probleme wirklich beheben. Bis eine mögliche Kehrtwende kommt, steht der Bankensektor weiterhin unter Druck und es kann zu neuen Opfern kommen, die die Instabilität weiter erhöhen und den temporären Sicherheitsinstallationen der Notenbanken einen weiteren Test unterziehen.

Das derzeitige Umfeld dürfte der Unsicherheit der Marktteilnehmer und Bankkunden weiteres Futter liefern. Alternativen dürften also zunehmend in den Fokus rücken. Bitcoin hat im ersten Kapitel der derzeitigen Bankenkrise bereits ein neues Krisen-Verhaltensmuster gezeigt und ist im Zuge der Unsicherheit stark im Preis gestiegen. Das könnte einerseits daran liegen, dass die Märkte nun immer fester mit einer Trendumkehr der Fed hin zu einer lockeren Geldpolitik, niedrigeren Zinsen und mehr Liquidität rechnen. Dies würde Risk-On-Assets den Boden bereiten, sollte doch noch ein „Soft Landing“ der Wirtschaft geschafft werden.

Andererseits bewegt Bitcoin sich nun zum ersten Mal seit seiner Entstehung im Umfeld einer Bankenkrise und kann seinen potenziellen Nutzen als komplett unabhängiger, nicht inflationierbarer Wertspeicher erstmals wirklich ausspielen. Je länger die Unsicherheit der Bankkunden bestehen bleibt und je länger Bitcoin mit Stabilität glänzt, desto stärker könnte auch das Narrativ der Kryptowährung als echte Wertspeicher-Alternative werden.

Der Krypto-Sektor bekommt momentan Gegenwind von vielen Seiten. Vor allem die mittlerweile aggressive Vorgehensweise der US-Regulierungsbehörden stellt eine Herausforderung dar. Dennoch bewegt Bitcoin sich charttechnisch scheinbar unbeirrbar auf seinem Preiszyklus-Pfad, den er bereits seit Jahren beschreitet. Mehr dazu finden Sie in meiner letzten Kolumne.

Bleibt Bitcoin ein Risk-On-Asset mit einer engen Korrelation zu den Aktienmärkten? Dann wird eine wahrscheinlicher werdende Rezession Bitcoin ebenso einen Tribut abverlangen wie Aktien. Folgt Bitcoin weiter seinen Preiszyklen? Dann wäre eine erneute Korrektur ebenfalls in den Karten, sollten die Aktienmärkte einer Rezession Tribut zollen müssen, allerdings wäre das Abwärtspotenzial aufgrund der charttechnischen Bestätigung eines Übergangs in einen neuen langfristigen Aufwärtstrend begrenzt.

Oder etabliert Bitcoin sich nun zunehmend als unabhängiger Wertspeicher im Umfeld einer Bankenkrise? Hier werden vor allem mögliche weitere Risse im Bankensystem in den nächsten Wochen und Monaten Antworten geben. Das Ergebnis wäre wahrscheinlich eine deutliche Entkopplung des Bitcoin-Kurses von den restlichen Finanzmärkten.

Denken Sie langfristig!

Im Krypto-Sektor ist ein alter Hype erneut zum Leben erwacht: Der Dogecoin-Kurs ist in den letzten Tagen explodiert, nachdem Elon Musk erneut in Aktion getreten ist. Was passiert ist und warum Krypto-Anleger nun besonders vorsichtig agieren sollten, erfahren Sie in der neuen Video-Ausgabe von decentralist.

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