Siemens Healthineers gibt Roboter für Herz-Operationen auf

Reuters · Uhr
Quelle: (c) Copyright Thomson Reuters 2023. Click For Restrictions - https://agency.reuters.com/en/copyright.html

- von Alexander Hübner

München (Reuters) - Für den Medizintechnik-Konzern Siemens Healthineers wird die milliardenschwere Übernahme des Operationsroboter-Spezialisten Corindus zum Verlustgeschäft.

Die Siemens-Tochter gibt den Einsatz der Roboter in der Kardiologie - also etwa bei Herzinfarkten - auf, weil die Ärzte damit kaum arbeiten, wie Vorstandschef Bernd Montag am Mittwoch einräumte. Ein Drittel des Kaufpreises - 329 Millionen Euro - schreibt Siemens Healthineers ab. Rückblickend habe man wohl zu viel für Corindus bezahlt, sagte Montag. Die Hoffnung ruht nun auf der Weiterentwicklung der Roboter für die Neurologie, also für OPs im Gehirn nach Schlaganfällen, wo die Blutgefäße viel kleiner sind. Bis zur Marktreife würden einige Jahre vergehen, sagte Montag. "Das wird eine Weile dauern."

Der Einsatz bei Schlaganfällen sei ohnehin der Hauptgrund für die rund eine Milliarde Euro teure Übernahme von Corindus vor vier Jahren gewesen, sagte Montag. Damals hatte die Firma aus Israel noch kaum Umsätze erwirtschaftet. Mit Einsätzen bei Herzinfarkt-Operationen sollte die Zeit überbrückt werden, doch Ärzte verließen sich lieber auf ihre Hände statt auf den Joystick. "Die Nutzung hat unsere Erwartungen nicht erfüllt", sagte Montag. Siemens Healthineers bietet den Kliniken nun an, die mehr als 100 Roboter, die dort herumstehen, zurückzukaufen. Die Schließung erscheine sinnvoll, schrieb DZ-Bank-Analyst Sven Kürten.

Der Flop in der Therapie-Sparte überschattete die Zahlen für das zweite Quartal. Die Abschreibung dezimierte den Nettogewinn von Januar bis April auf 108 (Vorjahr: 583) Millionen Euro. Eine zweite Baustelle ist das Diagnostik-Geschäft, in dem Siemens Healthineers die Produktpalette ausdünnt und ganz auf die neue Atellica-Plattform sowie die Reagenzien dafür setzt. Der Umbau kostete 77 Millionen Euro operativen Gewinn. Bis zum Ende des Geschäftsjahres 2022/23 (Ende September) dürften daraus Belastungen von 100 bis 150 Millionen Euro werden. Abfindungen von rund 50 Millionen Euro kommen voraussichtlich hinzu.

LUKRATIVES GESCHÄFT MIT CORONA-TESTS FÄLLT WEG

Im Gesamtjahr dürfte die Diagnostik-Sparte, die in den zwei vergangenen Jahren hohe Extra-Gewinne mit den lukrativen Corona-Schnelltests erwirtschaftet hatte, durch die Umstellung operativ in die roten Zahlen rutschen. Siemens Healthineers erwartet dort kaum Wachstum und eine operative Umsatzrendite (Ebit-Marge) von null bis minus vier Prozent; bisher hatte man auf bis zu drei Prozent Marge gehofft. Im zweiten Quartal schrieb die Sparte 110 Millionen Euro Verlust. Das sei die eigentliche Enttäuschung, schrieben die Analysten von JP Morgan. Die Aktie der Siemens-Tochter brach um mehr als sieben Prozent auf 52,50 Euro ein.

Im Konzern hält die Siemens-Tochter an der Prognose fest, aus der Sondereffekte wie bei Corindus ausgeklammert sind. Der Umsatzzuwachs werde 2022/23 am oberen Ende der Spanne liegen, das - bereinigt um die Schnelltest-Umsätze - bei acht Prozent liegt, wie Finanzvorstand Jochen Schmitz sagte. Das Ergebnis je Aktie werde am unteren Ende der erwarteten Spanne landen, also bei etwa 2,00 Euro. Vor allem der erstarkte Euro macht Siemens Healthineers zu schaffen.

In den drei Sparten außer der Diagnostik laufe es gut, sagte Montag. Beim Krebs-Spezialisten Varian schnellte der Umsatz im Quartal um gut ein Viertel nach oben, nachdem Probleme mit einem Zulieferer ausgeräumt wurden. Der Konzernumsatz sank währungsbereinigt um 2,5 Prozent auf 5,35 Milliarden Euro, ohne den Corona-Effekt stünde ein Plus von elf Prozent zu Buche. Vor einem Jahr hatte Healthineers mit Schnelltests noch 678 Millionen Euro umgesetzt, diesmal praktisch nichts mehr. Das bereinigte Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Ebit) ging aus dem gleichen Grund um 30 Prozent auf 681 Millionen Euro zurück und lag damit leicht unter den Analystenerwartungen.

(Bericht von Alexander Hübner; redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

Neueste exklusive Artikel