ROUNDUP: Benner als erste Frau für Spitzenamt der IG Metall vorgeschlagen

dpa-AFX · Uhr

FRANKFURT (dpa-AFX) - Erstmals in ihrer über 130 Jahre währenden Geschichte will die IG Metall eine Frau an ihre Spitze wählen. Der Vorstand der größten und mächtigsten Einzelgewerkschaft Deutschlands hat die bisherige Vize Christiane Benner für die Funktion der Ersten Vorsitzenden vorgeschlagen, wie die IG Metall am Dienstag in Frankfurt mitteilte. Als zweiter Vorsitzender wurde der bisherige Hauptkassierer Jürgen Kerner nominiert. Die Wahlen sind auf dem Gewerkschaftstag in Frankfurt (22.-26. Oktober) für den 23. Oktober geplant.

In einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" verlangt Benner von der Bundesregierung, der wachsenden Ungleichheit mit höheren Steuern zu begegnen. "Der Spitzensteuersatz muss steigen. Wir brauchen eine Vermögensteuer. Und wer Millionen erbt, muss darauf mehr Steuern zahlen", sagte die Sozialdemokratin und designierte Vertreterin von 2,2 Millionen Mitgliedern. Die Ungleichheit in Deutschland gefährde die Demokratie. "Wir werden der Ampel auf die Füße treten", kündigte die 55 Jahre alte Soziologin an.

Benner erneuerte auch die Forderung der IG Metall nach einem vergünstigten Industriestrompreis von fünf Cent pro Kilowattstunde. Die Subvention müsse an Standortgarantien gebunden werden und an das Kriterium der Tariftreue, sagte sie im Interview mit der "Süddeutschen". Tarifpolitisch steht aus ihrer Sicht neben hohen Abschlüssen die Vier-Tage-Woche an: "Wenn Arbeitnehmer kürzer arbeiten, sind sie produktiver, dadurch entstehen Spielräume für die Firmen, die Leute können weniger arbeiten. Außerdem haben wir in der Metallindustrie und im Stahl schon die 35-Stunden-Woche durchgesetzt. Der Weg zur Viertagewoche mit 32 Stunden ist nicht mehr weit."

Zuvor war der scheidende Gewerkschaftschef Jörg Hofmann mit dem Plan einer gleichberechtigten Doppelspitze aus Benner und dem Stuttgarter Bezirkschef Roman Zitzelsberger in den Gremien gescheitert. Auch eine Satzungsänderung mit einer weitgehenden Nivellierung der Unterschiede zwischen erstem und zweiten Vorsitz scheiterte. Stattdessen wurde festgelegt, dass immer eine Frau im Duo dabei sein muss. Der Tarifexperte Zitzelsberger verzichtete später auf die ihm angetragene Vize-Kandidatur und nannte dafür gesundheitliche Gründe. Eine Kampfabstimmung gegen Benner habe er ohnehin nie angestrebt.

Amtsinhaber Hofmann wird nach zwei Wahlperioden und im Alter von 67 Jahren beim Gewerkschaftstag nicht mehr antreten. Zu seinem aktuellen und nun auch vom Vorstand angenommenen Personalvorschlag gehören die Stuttgarter Bevollmächtigte Nadine Boguslawski als neue Kassiererin sowie Ralf Reinstädtler und Hans-Jürgen Urban als geschäftsführende Vorstandsmitglieder. Der geschäftsführende Vorstand würde damit von sieben auf fünf Mitglieder schrumpfen. Für die Satzungsänderungen sind Zweidrittel-Mehrheiten auf dem Gewerkschaftstag notwendig.

Die im südhessischen Bensheim aufgewachsene und verheiratete Christiane Benner gehört schon seit 2011 als geschäftsführendes Mitglied dem IG-Metall-Vorstand an und ist seit 2015 Zweite Vorsitzende der Gewerkschaft mit einem Frauen-Anteil von rund 20 Prozent. Zu ihren Aufgaben gehörte bislang die Mobilisierung neuer Beschäftigtengruppen wie Angestellter, Werkstudenten oder scheinselbständige "Click-Worker". Auch für die Belange der Frauen setzte sich Benner ein. Im vergangenen Jahr widerstand sie dem Druck aus der eigenen Organisation, an die Spitze des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB nach Berlin zu wechseln. Der Posten ging schließlich an die IG-BCE-Funktionärin Yasmin Fahimi./ceb/DP/mis

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