EU-Behörde EFSA schätzt Glyphosat als unkritisch ein

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Frankfurt (Reuters) - Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sieht eine erneute Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat in der Europäischen Union unkritisch.

Die EFSA habe in der Risikobewertung des Wirkstoffs in Bezug auf das von ihm ausgehende Risiko für Mensch und Tier sowie für die Umwelt keine kritischen Problembereiche festgestellt, die Anlass zur Sorge geben, hieß es in einer am Donnerstag veröffentlichten Neubewertung von Glyphosat durch die Behörde. Diese Einschätzung sei Ergebnis der über dreijährigen Arbeit von Dutzenden Wissenschaftlern der EFSA und der Mitgliedstaaten. "Sie basiert auf der Auswertung vieler Tausend Studien und wissenschaftlicher Artikel", erklärte der Leiter der EFSA-Risikobewertung, Guilhem de Seze. Zugleich räumte die Behörde aber auch Datenlücken ein.

Mit der Bewertung der EFSA tritt der Wiederzulassungsprozess von Glyphosat in der EU in seine finale Phase. Die Europäische Kommission wird nun entscheiden, ob sie die Erneuerung der Zulassung vorschlägt. Die Mitgliedsstaaten werden voraussichtlich im dritten Quartal darüber abstimmen. Die Zulassung von Glyphosat in der EU läuft noch bis zum 15. Dezember dieses Jahres. Der Leverkusener Bayer-Konzern, weltweit der größte Anbieter von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln, begrüßte die Bewertung: "Diese abschließende wissenschaftliche Schlussfolgerung legt den Grundstein für die erfolgreiche Wiederzulassung von Glyphosat in der EU." Umweltschutzorganisationen äußerten sich kritisch.

"Die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA stellt heute einen Freifahrtschein für das in Europa am meisten verwendete Totalherbizid Glyphosat aus – obwohl die Behörde selbst Daten-Lücken einräumt", erklärte Daniela Wannemacher, Expertin für Landwirtschaft beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Die Verbraucherorganisation foodwatch erklärte, die Bewertung der WHO-Krebsforschungsagentur IARC, wonach Glyphosat "wahrscheinlich krebserregend" ist, stehe nach wie vor im Raum. Die EU-Kommission müsse angesichts der unklaren wissenschaftlichen Lage vorsorglich handeln und die Zulassung von Glyphosat beenden.

Die EFSA verwies darauf, dass die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) 2022 bei einer Gefahrenbewertung von Glyphosat zu dem Schluss kam, dass der Wirkstoff die wissenschaftlichen Kriterien für eine Einstufung als krebserregender, erbgutverändernder oder fortpflanzungsgefährdender Stoff nicht erfüllt. "Die EFSA verwendete die Gefahreneinstufung der ECHA für die EU-Risikobewertung von Glyphosat." Die EFSA hätte ihre Bewertung eigentlich schon im vergangenen Jahr veröffentlichen sollen, verschob diese aber wegen der hohen Zahl an eingegangenen Beiträgen. Nach Angaben von Bayer ist das von den beteiligten Unternehmen eingereichte wissenschaftliche Dossier "mit mehr als 180.000 Seiten das umfangreichste, das bisher für einen Pflanzenschutzmittelwirkstoff erstellt wurde".

Glyphosat zählt zu den weltweit am meisten eingesetzten Herbiziden und wurde vom US-Konzern Monsanto entwickelt, den Bayer übernahm. Für den Leverkusener Pharma- und Agrarchemiekonzern sind seine glyphosathaltigen Roundup-Unkrautvernichter ein wichtiger Umsatzbringer. Mit dem Monsanto-Zukauf holten sich die Leverkusener allerdings auch eine Klagewelle wegen der angeblich krebserregenden Wirkung des Herbizids ins Haus, die den Konzern schwer belastet. Behörden weltweit, darunter die US-Umweltbehörde EPA und die Europäische Chemikalienagentur, haben Glyphosat als nicht krebserregend eingestuft. Allein die Krebsforschungsagentur IARC bewertete den Wirkstoff 2015 als "wahrscheinlich krebserregend". Auch andere Konzerne produzieren das Breitbandherbizid, das gegen jegliche Grünpflanzen wirkt.

Die EFSA wies auch darauf hin, dass bei ihrer Bewertung Datenlücken festgestellt worden seien. So habe etwa eine Bewertung des ernährungsbedingten Risikos für Verbraucher wegen unvollständiger Daten nicht abgeschlossen werden können, ebenso wie die Bewertung der Risiken für Wasserpflanzen. Offen geblieben sei auch die Bewertung einer der Verunreinigungen in Glyphosat. Diese Datenlücken sollten die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten in der nächsten Phase der Zulassungserneuerung berücksichtigen.

(Bericht von Patricia Weiß, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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