Nach der Zinserhöhung

Ökonomenstimmen zu geldpolitischen Beschlüssen der EZB

onvista · Uhr
Quelle: Ungvari Attila/Shutterstock.com

Der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der EZB besorgen können, steigt auf 4,25 Prozent. Der Einlagesatz wurde auf 3,75 Prozent angehoben. So hoch waren die Leitzinsen zuletzt zu Beginn der weltweiten Finanzkrise Anfang Oktober 2008. Die künftigen geldpolitischen Entscheidungen macht die Notenbank von der weiteren Entwicklung von Konjunkturdaten abhängig.

Hier sind Einschätzungen von Experten zu der EZB-Zinserhöhung.

Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank

„Mit dieser Zinserhöhung ist der Job der EZB erstmal getan. Ab jetzt schließt sich das Fenster für weitere Leitzinserhöhungen, denn die Inflation wird im Herbst deutlich sinken. Trotzdem sind wir jetzt in einem geldpolitischen Unschärfebereich, in dem man eine ganze Zeit abwarten muss, ob die bisherige Dosis an Zinserhöhungen ausreicht, um die Inflation auch langfristig auszutreiben. Eine Lockerung der Geldpolitik ist daher bis weit ins nächste Jahr hinein nicht in Sicht.“

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank

„Die Inflationsraten kamen zwar in den vergangenen Monaten merklich zurück, doch noch immer wird ein Preisanstieg von über fünf Prozent vermeldet. Das ist zu viel, um die Hände in den Schoß zu legen. Gleichzeitig werden die südeuropäischen Länder in diesem Jahr in Anbetracht der widrigen Umstände ein solides Wachstum ausweisen. Deutschland ist derzeit das Wachstumsschlusslicht, doch gerade hier ist trotz wirtschaftlicher Sorgen der Ruf nach weiteren Zinsanhebungen laut. Die EZB hätte aus diesem Blickwinkel durchaus Luft für weitere Zinsanhebungen. Wir rechnen damit, dass es auch im September nochmals einen Zinsschritt geben wird.“

Ulrich Wortberg, Analyst Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba)

„Zudem lässt sie die Tür für weitere Schritte offen, worauf der Passus im Begleittext hinweist. Demnach sollen die zukünftigen Entscheidungen des EZB-Rates sicherstellen, dass die Leitzinsen auf ein ausreichend restriktives Niveau festgelegt werden, um eine Rückkehr der Inflation zum mittelfristigen Ziel von zwei Prozent zu erreichen. Gleichwohl gilt es zu berücksichtigen, dass die konjunkturellen Perspektiven getrübt sind.“

Moritz Schularick, Präsident des IfW Kiel

„Die EZB hat im Kampf gegen die Inflation wirkungsvoll Zähne gezeigt, die Inflationsrate hat sich gegenüber ihrem Höchststand etwa halbiert. Aus Risikomanagementperspektive spricht nach so starken Zinsanhebungen vieles dafür, jetzt zunächst die realwirtschaftlichen Effekte abzuwarten und eine Pause einzulegen, um die Auswirkungen der Zinserhöhungen valide bewerten zu können.“

Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Bank

„Mit Blick auf die Zukunft hält die heutige erste Ankündigung die Tür für weitere Zinserhöhungen weit offen. Die Erwähnung, dass die Inflation sinkt, aber 'über einen längeren Zeitraum' über dem Ziel bleibt, klingt nicht so, als ob die EZB bereits bereit wäre, die Zinserhöhungen zu stoppen.“

Mark Wall, Chefvolkswirt Europa der Deutschen Bank

„Mit einer sehr kleinen, aber wichtigen Änderung des Wortlauts der Erklärung hat die EZB im September die Tür für eine Pause geöffnet. Aber es wird von den Daten abhängen.“

Jens-Oliver Niklasch, Analyst Landesbank Baden-Württemberg

„Die Inflationsaussichten haben sich dabei nicht wesentlich verändert - zu hoch für zu lange Zeit. Das spricht dafür, dass der EZB-Rat einer Zinspause im September offen gegenüber steht. Aber zugleich ist jetzt einfach nicht die Zeit für eine Vorfestlegung der Geldpolitik. Die Währungshüter werden sich im September über die Datenblätter beugen und erst dann entscheiden.“

Michael Holstein, Chefvolkswirt der DZ BANK

„Sollte es wegen kräftiger Lohnsteigerungen zu noch mehr Preisdruck kommen, werden die Währungshüter im Herbst trotz einer schwachen Konjunktur mit weiteren Zinsschritten nachlegen müssen. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Notenbanker mit Augenmaß agieren und die Wirtschaftsdaten der kommenden Wochen ganz genau auswerten.“

Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank

„Die EZB hat auf der heutigen Ratssitzung den Autopiloten ausgeschaltet. Anders als bisher bestimmen von nun an die Daten, ob die EZB ihre Zinsen noch mal anhebt oder nicht. Weil wir einen deutlichen Rückgang der Inflation und eine Rezession in der zweiten Jahreshälfte erwarten, prognostizieren wir weiter keine Zinserhöhung für September. Auf der anderen Seite teilen wir nicht die Meinung der Märkte, dass die EZB ihren Zinsen schon 2024 senken wird.“

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