Gewerkschaft - "Schleichende Berlusconisierung" bei Kooperation ProSieben/MFE

Reuters · Uhr
Quelle: (c) Copyright Thomson Reuters 2023. Click For Restrictions - https://agency.reuters.com/en/copyright.html

Berlin (Reuters) - Die geplante engere Zusammenarbeit zwischen der Senderkette ProSiebenSat.1 und ihrem italienischen Großaktionär MFE-Mediaforeurope stößt auf Kritik der Gewerkschaft.

Der Deutsche Journalisten-Verband warnte vor wachsendem Einfluss der Holding der Familie des früheren italienischen Regierungschefs Silvio Berlusconi. "Mit engerer Kooperation zwischen MFE und ProSiebenSat.1 droht eine schleichende Berlusconisierung", sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall am Dienstag. "Nichts deutet darauf hin, dass MFE nach dem Tod von Silvio Berlusconi seine politische Agenda ändern würde." Eine europäische Allianz des "rechtsnationalen Populismus im Fernsehen" sei ein Angriff auf die Grund- und Freiheitsrechte Europas.

Der bayerische Fernsehkonzern wies dies zurück. Die Warnungen vor einer angeblichen "Berlusconisierung" seien völlig unbegründet, erklärte ProSiebenSat.1-Chef Bert Habets. "Es ist selbstverständlich, dass wir mit unserem Großaktionär MFE - genauso wie mit anderen - über wirtschaftliche Kooperationsmöglichkeiten reden." Dies betreffe Vermarktung, den technischen Bereich oder den gemeinsamen internationalen Film- und Serieneinkauf bezüglich Lizenzrechten. "Doch zu keiner Zeit ist es um eine inhaltliche Neuausrichtung unserer Sender gegangen", betonte Habets. Dies habe MFE weder gefordert, noch stünde das Management von ProSiebenSat.1 dafür zur Verfügung. Es entspreche auch nicht der Prosieben-Ausrichtung als liberale, weltoffene und überparteiliche Mediengruppe.

Hintergrund für die Gewerkschaftskritik sind Habets' jüngste Äußerungen. Er hatte der "Financial Times", gesagt, in den vergangenen Wochen hätten Mitarbeiter beider Konzerne eine "sinnvolle Kooperation" in Werbung, Technologie und sogar bei Inhalten begonnen. Damit nähert sich der bayerische Fernsehkonzern den Vorstellungen von MFE-Chef Pier Silvio Berlusconi an, der eine paneuropäische Fernseh-Allianz anstrebt.

Der DJV-Vorsitzende forderte die zuständige Medienaufsicht in Bayern auf, die Vorgänge bei ProSiebenSat.1 sehr aufmerksam zu verfolgen. Die Nutzung von Synergieeffekten und der Ausbau von Einflusssphären könnten gravierende Folgen haben. "Das gilt es zu verhindern", sagte Überall. Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) nimmt derzeit das Engagement von MFE bei ProSiebenSat.1 unter die Lupe und wollte sich zur laufenden Prüfung nicht äußern. BLM-Präsident Thorsten Schmiege hatte aber im Juli erklärt, MFE-Chef Pier Silvio Berlusconi habe ihm in einem Brief zugesichert, MFE bekenne sich zur "Unabhängigkeit und zur Informationsvielfalt der Medienangebote vor Ort".

Pier Silvio Berlusconi und seine Schwester Marina kontrollieren MFE - die frühere Mediaset - nach dem Tod ihres Vaters. MFE hat sich - samt Derivaten - inzwischen 28,9 Prozent an ProSiebenSat.1 gesichert. Das Paket ist kürzlich auf die beiden Erben übergegangen. Deutschland-Statthalterin Katharina Behrends hatte der "Süddeutschen Zeitung" jüngst gesagt, MFE wolle den Anteil derzeit nicht erhöhen. Bei mehr als 30 Prozent würde ein Übernahmeangebot an die übrigen Aktionäre fällig.

(Bericht von Klaus Lauer, redigiert von Ralf Banser - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

Das könnte dich auch interessieren

Meistgelesene Artikel