Früherer Wirecard-Aufsichtsrat macht Ex-Chef Braun Vorwürfe

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München (Reuters) - Im Strafprozess um den Zusammenbruch des Zahlungsdienstleisters Wirecard hat der frühere Aufsichtsratsvorsitzende Thomas Eichelmann dem angeklagten Ex-Chef Markus Braun schwere Vorwürfe gemacht.

Braun habe zwei Monate vor der Pleite des Dax-Konzerns dessen Lage in einer Pflichtmitteilung falsch dargestellt und damit gegen den Willen des Aufsichtsrats gehandelt, sagte Eichelmann am Mittwoch als Zeuge vor dem Landgericht München. Darüber sei es bereits damals zum Streit zwischen ihm und Braun gekommen.

Am 22. April 2020 hatte Braun in einer Adhoc-Mitteilung erklärt, während einer Sonderuntersuchung bei Wirecard habe die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG keine Belege für im Raum stehende Vorwürfe der Bilanzmanipulation gefunden. Es hätten sich keine substanziellen Feststellungen ergeben, die eine Korrektur der Jahresabschlüsse für 2016 bis 2018 erforderlich machten. Die Staatsanwaltschaft wirft Braun vor, damit habe er Investoren bewusst irregeführt. Denn die Prüfer hätten nur deswegen keine Belege gefunden, weil ihnen die benötigten Unterlagen vorenthalten worden seien.

Im Juni 2020 brach Wirecard zusammen, als sich herausstellte, dass eine in den Bilanzen ausgewiesene Summe von 1,9 Milliarden Euro fehlte. Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft war der Betrag schlichtweg erfunden. Sie wirft Braun und zwei weiteren Angeklagten deswegen auch Bilanzfälschung vor. Braun hat dies zurückgewiesen und erklärt, das Geld sei hinter seinem Rücken beiseitegeschafft worden.

Braun hat in dem Prozess auch die Pflichtmitteilung vom 22. April 2020 gerechtfertigt. Sie habe den damaligen Stand in vertretbarer Weise wiedergegeben. Eichelmann sagte am Mittwoch, ihm gegenüber habe Braun diese Ansicht bereits seinerzeit geäußert. "Ich habe gesagt, nein, ich halte es nicht für vertretbar." Die Mitteilung sei "aus meiner Sicht falsch gewesen". Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung habe der Aufsichtsrat in einer Telefonkonferenz getagt. "Wir waren, ich sage mal, überrascht bis negativ berührt."

Der 58-jährige Eichelmann, der als Beruf Rentner angab, war im Lauf seiner Karriere Finanzchef der Deutschen Börse und Unternehmensberater. Dem Wirecard-Aufsichtsrat gehörte er in den letzten zwölf Monaten vor der Pleite an, im letzten halben Jahr als Vorsitzender. "Wer ist schon davon ausgegangen, sich in einer Art Spionagethriller wiederzufinden, wenn er im Aufsichtsrat eines Dax-Unternehmens sitzt", sagte er am Mittwoch.

Eichelmann berichtete von mitunter chaotischen Abläufen in den höchsten Gremien. So habe der Vorstand einmal eine Firmenübernahme ohne detaillierte Unterlagen vom Aufsichtsrat absegnen lassen wollen. "Das war wie bei einem Shoppingkanal", sagte Eichelmann. "Wenn ich jetzt nicht zuschlage, dann gibt's keine Waschmaschine mehr zu dem Preis." Er habe Entscheidungen auf dieser Grundlage abgelehnt. Ebenso habe er nach seinem Amtsantritt unterbinden wollen, dass Finanzberichte "erst fünf Minuten vor Redaktionsschluss" zur Billigung beim Aufsichtsrat eingereicht würden.

(Bericht von Jörn Poltz, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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