Israel setzt mit Mobilmachung Zeichen für Offensive

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- von Henriette Chacar und Nidal al-Mughrabi

Jerusalem/Gaza (Reuters) - Israel reagiert mit der größten militärischen Mobilmachung seiner Geschichte auf den Angriff der radikal-islamischen Palästinensergruppe Hamas aus dem Gazastreifen.

Das Militär berief 300.000 Reservisten ein und damit so viele wie nie zuvor. Damit verstärkten sich am Montag Hinweise, dass Israel vor einer großangelegten Bodenoffensive im Gazastreifen stehen könnte. Dort leben etwa 2,3 Millionen Menschen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kündigte an, die Antwort auf den Hamas-Angriff vom Samstag werde den Nahen Osten verändern. In Israel starben mindestens 800 Menschen. Im Gazastreifen kamen durch israelischen Beschuss bis zum Montagnachmittag 560 Menschen ums Leben. Zudem wurden Dutzende Israelis im Gazastreifen festgehalten.

"Wir gehen in die Offensive", sagte der Chefsprecher des Militärs, Daniel Hagari, als er die Einberufung der Reservisten bekanntgab. Netanjahu sprach vor Bürgermeistern von Grenzstädten am Gazastreifen, wie sein Büro mitteilte. Seine Ankündigung zur Antwort Israels führte Netanjahu demnach nicht näher aus. Auch zwei Tage nach dem Hamas-Angriff hielten sich Hamas-Kämpfer an einzelnen Stellen im israelischen Grenzgebiet noch verschanzt. Das Militär sprach von einzelnen Gefechten.

MASSIVE BOMBENANGRIFFE AUF DEN GAZASTREIFEN

Kampfflugzeuge, Hubschrauber und Artillerie griffen in der Nacht im Gazastreifen nach israelischen Militärangaben mehr als 500 Ziele der Hamas und der Extremisten-Gruppe Islamischer Dschihad an. Israels Verteidigungsminister Joaw Galant sagte, der Gazastreifen werde einen Preis zahlen, der die Wirklichkeit für Generationen verändern werde. Er kündigte an, dass die Blockade des Küstenstreifens durch Israel verschärft werde, damit weder Lebensmittel noch Treibstoff in das Gebiet gelangten. Israel wollte auch die Wasserversorgung für den Gazastreifen kappen.

Israel zog im Süden des Landes Soldaten zusammen. Möglicherweise plant das Land eine großangelegte Invasion des Gazastreifens mit Bodentruppen - etwas das Netanjahu in seiner langjährigen Amtszeit bisher vermieden hatte. Zunächst müsste Israel aber die Kontrolle über das eigene Territorium zurückerlangen. Ein Einmarsch in den Gazastreifen könnte zudem Konsequenzen haben für Dutzende Menschen, die von der Hamas aus Israel in den Gazastreifen verschleppt wurden. Aus Katar hieß es, katarische Vermittler seien in Gesprächen mit Hamas bemüht, eine Freilassung von Kindern und Frauen zu erreichen im Austausch mit Gefangenen in israelischen Gefängnissen.

Die Hamas hatte ihren Angriff am frühen Samstag mit Raketenbeschuss begonnen und war mit Kämpfern auf israelisches Gebiet vorgedrungen. Ein Militärsprecher sprach vom "schlimmsten Massaker an unschuldigen Zivilisten in der Geschichte Israels". Bilder von Leichen in den Straßen und von Entführten in den Händen der Hamas schockierten das Land. Allein etwa 260 junge Menschen wurden nach Medienberichten bei einer Open-Air-Tanzparty getötet, die am Samstag noch vor Tagesanbruch von Hamas-Kämpfern angegriffen wurde. Im Gazastreifen wurden durch das israelische Bombardement nach palästinensischen Angaben mindestens 560 Menschen getötet und etwa 2900 verletzt.

Der Iran als größter internationaler Verbündeter beglückwünschte Hamas zu dem Angriff auf Israel, ließ seine Vertretung bei den Vereinten Nationen (UN) aber erklären, er sei in den Angriff nicht verwickelt. Aus der ganzen Welt gab es Appelle zur Zurückhaltung, während westliche Staaten zugleich versicherten, sie stünden an der Seite Israels. Die USA beorderten den Flugzeugträger "Gerald R. Ford" ins östliche Mittelmeer als Zeichen der Unterstützung für Israel. Russland rief zu einem Ende der Kämpfe auf. Die EU-Außenminister wollen am Dienstag zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erklärte: "In dieser schweren Zeit steht Deutschland fest an der Seite Israels." Die Bundesregierung kündigte an, die Hilfen für die Palästinenser auf den Prüfstand zu stellen. Während das Entwicklungshilfe-Ministerium alle Zahlungen auf Eis legte, hält das Auswärtige Amt an humanitären Zahlungen fest. Diese flössen über internationale Organisation und seien nach internationalem Recht verbindlich vereinbart, hieß es in Regierungskreisen. Die EU-Kommission legte alle Entwicklungsprojekte für Palästinenser im Volumen von etwa 691 Millionen Euro auf Eis.

Bei dem Hamas-Angriff wurden in Israel auch neun US-Staatsangehörige getötet. Weitere werden nach offiziellen Angaben vermisst. Nach einem BBC-Bericht wird befürchtet, dass auch mindestens zehn Briten unter den Toten sind.

(Bericht von den Reuters-Journalistinnen und -Journalisten in Jerusalem, Sderot, Modiin, Washington und weiteren Büros,; Geschrieben von Holger Hansen, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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