Israel - Ohne Freiheit für Geiseln kein Ende der Gaza-Blockade

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- von Henriette Chacar und Nidal al-Mughrabi und Dedi Hayun

Jerusalem/Gazastreifen (Reuters) - Israel knüpft die Aufhebung der Blockade des Gazastreifens an die Freilassung der Geiseln durch die Hamas.

Solange sie nicht nach Hause zurückkehrten, werde kein Stromschalter umgelegt, schrieb Israels Energieminister Israel Katz am Donnerstag auf der Plattform X (früher Twitter). In der Nacht hatte Israel einen großangelegten Angriff auf den Gazastreifen gestartet. Seit Tagen wird das palästinensische Küstengebiet am östlichen Mittelmeer von dem israelischen Militär bombardiert. Israel reagiert damit auf den Überraschungsangriff der Hamas vom Wochenende. Die erneuten Vergeltungsschläge richteten sich gegen Ziele der Eliteeinheit Nuchba der Hamas, die für den Angriff am Samstag verantwortlich gemacht werde, teilte das Militär am Morgen mit. Ob Israel auch eine Bodenoffensive in das abgeriegelte Küstengebiet starte, sei noch nicht entschieden. "Aber wir bereiten sie vor", sagte der Militärsprecher, Oberstleutnant Richard Hecht.

International laufen Bemühungen um eine Deeskalation des Konflikts. Hamas und Israel werden für ihre Vorgehensweisen gleichermaßen kritisiert. US-Außenminister Antony Blinken traf zu Gesprächen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Israel ein und sicherte ihm Unterstützung zu. Netanjahu bedankte sich: "Danke Amerika, dass du an der Seite Israels stehst. Heute, morgen und immer." Auch Bundeskanzler Olaf Scholz sicherte Israel in einer Regierungserklärung im Bundestag seine Solidarität zu. UN-Sonderberichterstatter verurteilten die Verbrechen, die die Hamas an Israelis begangen habe. Die Experten-Gruppe bezeichnete die Vergeltungsschläge Israels auf den Gazastreifen aber auch als unverhältnismäßig: "Das kommt einer Kollektivstrafe gleich." Der mit Israel verfeindete Iran warf dem Land vor, durch die Blockade einen Völkermord anzustreben.

Augenzeugen zufolge wurde Gaza-Stadt in der Nacht zum Donnerstag aus der Luft bombardiert. Hamas-Behörden meldeten zudem einen Luftangriff auf das Flüchtlingslager Dschabalija im Norden des Gazastreifens. Von der Hamas kontrollierte Medien berichteten, 15 Palästinenser seien getötet worden. "Das menschliche Elend, das durch diese Eskalation verursacht wird, ist abscheulich, und ich fordere beide Seiten auf, das Leiden der Zivilbevölkerung zu verringern", erklärte der für die Region zuständige Direktor des Internationalen Roten Kreuzes, Fabrizio Carboni. Er geht davon aus, dass der Treibstoff zum Betrieb von Generatoren binnen Stunden ausgeht und damit auch keine Versorgung in Krankenhäusern mehr möglich sei. Es gebe noch Hilfsgüter im Gazastreifen. Diese könnten aber wegen der Lage nicht mehr verteilt werden. Laut Hamas nahestehenden Medien gibt es im Gazastreifen seit Mittwochnachmittag keinen Strom mehr. Das einzige Kraftwerk musste seinen Betrieb einstellen, nachdem Israel die Stromversorgung für den Gazastreifen unterbrochen hatte.

Details zu den Angriffen in der Nacht nannte das israelische Militär nicht. Palästinensische Kämpfer versuchten immer noch, über das Meer auf israelisches Territorium vorzudringen, sagte Militärsprecher Hecht. Wie viele vom Gazastreifen aus abgeschossene Raketen von Israel abgefangen wurden, wollte er anders als in vorangegangenen Konflikten nicht sagen. Das lasse er den Feind nicht wissen. Das israelische Militär sichere den Grenzzaun zum Gazastreifen.

INTERNATIONALE BEMÜHUNGEN UM DEESKALATION

Es sind die schwersten militärischen Auseinandersetzungen zwischen der Hamas und Israel in dem seit 75 Jahren andauernden Konflikt. Der Einsatz gegen die Hamas ist eine Reaktion auf einen massiven Überraschungsangriff auf Israel am vergangenen Samstag. Insgesamt wurden seit dem Wochenende nach palästinensischen Angaben mittlerweile über 1400 Menschen im Gazastreifen getötet und mehr als 6200 verletzt. Unter den Toten seien 447 Kinder und 248 Frauen. Dem Sender Kan zufolge ist die Zahl der Toten auf israelischer Seite inzwischen auf 1300 gestiegen. Darunter sind nach Angaben des israelischen Militärs 220 Soldaten. Zudem wurden zahlreiche Geiseln genommen. Der schmale Gazastreifen ist mit 2,3 Millionen Einwohnern dicht besiedelt.

Der Konflikt war am Morgen auch Thema im Deutschen Bundestag. Scholz kündigte in einer Regierungserklärung ein Betätigungsverbot der Hamas in Deutschland und ein Verbot des pro-palästinensischen Vereins Samidoun an. "Wer die Verbrechen der Hamas verherrlicht oder ihre Symbole verwendet, macht sich in Deutschland strafbar." Er sicherte Israel die volle Solidarität zu. Unterstützungsbitten würden geprüft.

US-Außenminister Blinken will sich auch für die Freilassung der von der Hamas genommenen Geiseln einsetzen. Am Freitag ist ein Treffen mit Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas geplant. Er und seine Fatah haben zwar im Westjordanland das Sagen, die Kontrolle über den Gazastreifen verlor er jedoch 2007 an die Hamas.

(Geschrieben von Kerstin Dörr, redigiert von Sabine Ehrhardt.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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