Neue IG-Metall-Chefin - "Industrie sichern hat Priorität"

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Frankfurt (Reuters) - Die erste Frau an der Spitze der IG Metall, Christiane Benner, will den Erhalt der Industrie in Deutschland in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen.

"Wir tun im Moment alles, um Industrie hier zu halten", sagte Benner am Montag nach ihrer Wahl zur Vorsitzenden der größten deutschen Gewerkschaft in Frankfurt. "Wir haben im Moment eine schleichende Deindustrialisierung - dagegen werden wir uns wehren." Grüne Technologie zu klimafreundlicher Produktion biete massive Chancen. Die IG Metall wolle mit den Betriebsräten noch stärker eingreifen und unternehmerische Strategien mitgestalten. Das sichere nicht nur Arbeitsplätze, sondern sorge auch für Vertrauen der Beschäftigten in die Demokratie, um rechtsextremen Parteien entgegenzuwirken.

Nach acht Jahren als Vizechefin wurde Benner am Montag zur ersten Frau an der Spitze der IG Metall in deren mehr als 130-jährigen Geschichte gewählt. "Es hat gedauert, aber jetzt ist es so weit", sagte Benner. Mit 96,4 Prozent der Stimmen erreichte sie das beste Ergebnis seit dem legendären Vorsitzenden Otto Brenner Ende der 1960er Jahre. Die mit knapp 2,2 Millionen Mitgliedern weltgrößte Gewerkschaft vertritt die Interessen von Beschäftigten der Stahl-, Metall- oder Elektroindustrie. Der Frauenanteil der Organisation liegt, bedingt durch die Struktur der Branchen, bei knapp 20 Prozent.

Benner war schon seit acht Jahren Stellvertreterin des scheidenden IG-Metall-Chefs Jörg Hofmann. Stärker als er will die 55-jährige Soziologin auf Teamarbeit setzen und dafür sorgen, dass die Gewerkschaft in Medien und Öffentlichkeit eine größere Rolle spielt. Denn in TV-Talkshows war die einflussreiche Gewerkschaft bisher kaum vertreten.

Zu Benners Team gehört der bisherige Hauptkassierer Jürgen Kerner. Neu im Vorstand ist Nadine Boguslawski aus dem Bezirk Baden-Württemberg, der in Tarifverhandlungen oft Pilotabschlüsse erzielt. Sie wird Hauptkassiererin und soll für Tarifpolitik zuständig sein - bislang war das Aufgabe der Ersten Vorsitzenden. Die rund 420 Delegierten beraten noch bis Donnerstag über Ziele der Gewerkschaft für die kommenden vier Jahren. Themen sind dabei auch die Vier-Tage-Woche oder betriebliche Altersvorsorge.

MITREDEN BEIM UMBAU

Anders als ihre männlichen Vorgänger lernte die in Hessen aufgewachsene Benner keinen klassischen Metallberuf, sondern begann ihr Berufsleben als Fremdsprachenkorrespondentin. Beim Maschinenbauer Schenck in Darmstadt wurde sie erstmals aktiv in der Gewerkschaft als Jugendvertreterin. Ein Soziologiestudium mit praktischen Erfahrungen in den USA folgte. Danach begann sie 1997 als Funktionärin bei der IG Metall, wo ihr Weg von der Geschäftsstelle in Frankfurt über den Bezirk Niedersachsen bis in den Vorstand führte. Zu ihren Aufgaben zählte zuletzt die Mitgliedergewinnung in neuen Zielgruppen wie Angestellten und Akademikern sowie die Arbeit der Gewerkschaft in den Betrieben.

Während die IG Metall Abstriche bei den Tarifen ablehnt, ist sie bei den Energiekosten auf einer Linie mit den Unternehmen und fordert einen subventionierten Brückenstrompreis für energieintensive Branchen. Stahl- oder Chemiefirmen sollen so die Umstellung auf klimaneutrale Produktion stemmen können, bis Strom durch den Ausbau erneuerbarer Energien wieder billiger wird. Am 24. November will die IG Metall zusammen mit der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie auf einem Aktionstag Druck machen für den Brückenstrompreis, den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vorgeschlagen hat. Das gelte unabhängig davon, ob Bundeskanzler Olaf Scholz bei seinem Besuch des Gewerkschaftstages die Strompreissubvention unterstütze, sagte Kerner. Scholz (SPD) und die FDP sind in der Ampel-Koalition bislang dagegen.

(Bericht von Ilona Wissenbach,; redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)

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