Wissing - Europa darf nicht der am stärksten regulierte KI-Markt werden

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Berlin/Jena (Reuters) - In der Debatte über eine europäische Regulierung Künstlicher Intelligenz (KI) hat Digitalminister Volker Wissing davor gewarnt, über das Ziel hinauszuschießen.

"Wichtig ist ..., Europa darf nicht das Signal senden, dass wir der am schärfsten regulierte Markt werden wollen", sagte Wissing am Dienstag auf der Digitalkonferenz der Bundesregierung in Jena. Denn dann werde die Technologie woanders entwickelt. KI würde dann in anderen Teilen der Welt entwickelt werden, die ganz andere oder niedrigere Standards als die westlichen Staaten hätten. Deshalb brauche man Regeln, die Platz für Innovation ließen. Er betonte wie auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), dass man heute noch nicht wissen könne, wie sich die Technologie in den kommenden ein, zwei Jahren weiterentwickeln werde. Man sollte deshalb lieber regulierend nachsteuern statt jetzt starre Regeln für KI aufzustellen.

Wissing begrüßte ausdrücklich die Einigung Deutschlands, Frankreichs und Italiens für eine Selbstregulierung der Industrie bei sogenannten KI-Basismodellen. Dies sei ein "großartiger Erfolg". Mit der Orientierung an dem von den westlichen G7-Industrieländern aufgestellten Verhaltenskodex sei sichergestellt, dass die EU keine Sonderregeln beschließe.

Die Nachrichtenagentur Reuters hatte am Wochenende exklusiv berichtet, dass sich die Regierungen der drei größten EU-Staaten Deutschland, Frankreich und Italien auf eine gemeinsame Position zur KI-Regulierung in der Europäischen Union geeinigt haben. Nun findet eine Debatte zwischen der EU-Kommission, den 27 EU-Regierungen im Rat und dem Europäischen Parlament statt, das strenge gesetzliche Regeln beschließen möchte. Deutschland, Frankreich und Italien sehen darin die Gefahr, Innovation bei dieser sich sehr schnell entwickelnden neuen Technologie in Europa abzuwürgen.

Sowohl Habeck als auch Wissing wiesen einen Vorschlag der spanischen EU-Ratspräsidentschaft zurück, dass sich kleine KI-Anbieter nicht der Selbstregulierung unterwerfen sollten. Es sei richtig, Unternehmen zu verpflichten, ihre Datengewinnung zu dokumentieren, falls sich Fehler bei der KI zeigten. Wenn man den kleinen Anbieter diese Regeln nicht auferlege, könnten sie auch nicht mit ihrer Vertrauenswürdigkeit werben, warnte Wissing. Man müsse bei der Regulierung etwa zwischen dem Einsatz von KI in Bereichen der kritischen Infrastruktur, Servicedienstleistungen wie etwa Hotlines oder dem Verbot für einen KI-Einsatz zur Gesichtserkennung oder einer Diskriminierung aufgrund körperlicher Merkmale unterscheiden, sagte er. Es sei sehr gut, dass die westlichen G7-Staaten sich "Leitplanken" für den KI-Einsatz gesetzt hätten.

Der Präsident des Branchenverbands Bitkom, Ralf Wintergerst, warnte auf dem Digitalgipfel davor, den Standort Deutschland zu negativ zu sehen. Nach den USA, China und Japan liege das Land mit 140 Milliarden Euro an vierter Stelle bei den Ausgaben für Technologie und Innovation. Auch beim 5G-Mobilfunk und -Breitband-Ausbau habe man deutlich aufgeholt. "Wir sind im europäischen DESI-Index, also dem Digital Economy and Society Index, von Nummer 18 in vier Jahren auf Nummer vier gekommen", sagte er. Wenn man beim Glasfaser mit dem gleichen Druck weitermache, lande man unter den Top drei in Europa. Der Index für digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) fasst Indikatoren für die digitale Leistung Europas zusammen und verfolgte die Fortschritte der EU-Länder in diesem Bereich.

(Bericht von Andreas Rinke; redigiert von Christian Rüttger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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