Experten gegen Vorschlag des Bundes für KI-Selbstregulierung

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Frankfurt (Reuters) - Experten für Künstliche Intelligenz (KI) warnen die Bundesregierung in einem offenen Brief davor, auf eine gesetzliche Regulierung der KI-Branche zu verzichten.

"Viele der weltweit angesehensten KI-Fachleute haben zuletzt vor den vielfältigen Risiken fortgeschrittener KI gewarnt", sagten die Unterzeichner in dem am Dienstag veröffentlichten Schreiben. Dazu gehörten von KI generierte Falschinformationen, Cyberangriffe oder gesundheitsschädliche Keime. Eine Selbstregulierung in diesem Bereich gefährde die Sicherheit sämtlicher EU-Bürger. Stattdessen solle die Politik am Ansatz des europäischen "AI Act" festhalten, der KI-Anbietern auf Grundlage einer Risiko-Einstufung verschiedene Auflagen macht.

Sogenannte Grundlagenmodelle seien per se risikobehaftet, fügten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus mehreren Ländern hinzu. Bei "Foundation Models" handelt es sich wie bei ChatGPT um eine auf bestimmte Aufgaben trainierte Basis-KI. Diese können dann eingesetzt werden, um beispielsweise als Chatbot den Kundendienst seines Unternehmens abzuwickeln oder als digitaler Assistent Ärzte bei Diagnosen und Behandlungen zu unterstützen.

Deutschland, Frankreich und Italien hatten sich vor einigen Wochen auf eine gemeinsame Position für den Trilog zwischen Europäischem Parlament, Kommission und EU-Mitgliedsstaaten zum "AI Act" geeinigt. Sie sprechen sich für eine verbindliche Selbstverpflichtung aus, bei der die Anbieter von Foundation Models Transparenz und Sicherheitschecks gewährleisten. Verstöße sollten allerdings vorerst nicht geahndet werden. Der deutsche Digitalverband Bitkom und sein europäisches Pendant DigitalEurope begrüßten diese Intitiative. Denn nur so könne vermieden werden, dass Europa bei der Weiterentwicklung dieser Technologie abgehängt werde.

Dieser Einschätzung widersprechen die Unterzeichner des offenen Briefs, zu denen neben dem "KI-Papst" Yoshua Bengio auch rund ein Dutzend Professoren deutscher Hochschulen gehören. Viele kleinere Firmen, die Grundlagenmodelle für ihre Produkte nutzen wollten, könnten sich die Haftungsrisiken und Prüfkosten für eine potenziell unsichere Basis-Software nicht leisten. Gleichzeitig hätten lediglich die Anbieter der Grundlagenmodelle alle notwendigen Informationen, um mögliche Schwachstellen zu identifizieren. "Wir ermutigen daher die Bundesregierung nachdrücklich, ihre Führungsrolle in der Europäischen Union zu nutzen und eine umfassende Regulierung von Grundlagenmodellen im AI Act sicherzustellen."

Weltweit ringen Gesetzgeber um eine angemessene Regulierung von KI. Vor einigen Monaten hatte Bengio unter anderem gemeinsam mit dem US-Milliardär Elon Musk einen Aufruf für ein Moratorium bei der Weiterentwicklung dieser Technologie unterzeichnet. Im Rahmen eines KI-Gipfels vor einigen Wochen in Großbritannien bekannten sich die teilnehmenden 28 Staaten in der "Bletchley-Deklaration" zur Zusammenarbeit bei der KI-Regulierung.

(Bericht von Hakan Ersen, unter Mitarbeit von Supantha Mukherjee. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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