Benkos Signa-Holding muss sich über Insolvenz sanieren

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- von Alexandra Schwarz-Goerlich und Matthias Inverardi

Wien/Düsseldorf (Reuters) - Das wochenlange Ringen um eine Rettung des Immobilien-Imperiums von Rene Benko vor der Insolvenz war vergebens: Die Innsbrucker Signa Holding des österreichischen Investors beantragte am Mittwoch ein Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung.

"Ziel ist eine geordnete Fortführung des operativen Geschäftsbetriebs und die nachhaltige Restrukturierung des Unternehmens", hieß es in der Mitteilung. Das Handelsgericht in Wien gab dem Antrag statt. Signa gehören neben prestigeträchtigen Immobilien in Österreich, Deutschland, der Schweiz, Großbritannien und den USA auch der Warenhausriese Galeria und Anteile an der Handelsgruppe Globus. Der verschachtelte Konzern ist das bisher größte Opfer des jähen Absturzes am Immobilienmarkt.

In Benkos Firmennetzwerk stecken nach Signa-Angaben Vermögenswerte von 27 Milliarden Euro. Die steigenden Zinsen trafen den Tiroler Investor doppelt, weil er die Immobilien mit milliardenschweren Krediten finanziert hat. Zugleich gerieten die Preise unter Druck. Signa sprach von "externen Faktoren", die sich negativ auf das Immobiliengeschäft ausgewirkt hätten. Nach einer Studie der Investmentbank JPMorgan summierten sich die Schulden allein der zwei größten Immobilien-Töchter Signa Prime Selection und Signa Development Selection Ende 2022 auf 13 Milliarden Euro. Davon seien 7,7 Milliarden Kredite gewesen, von denen gut die Hälfte zu variablen Zinsen abgeschlossen wurden.

"Trotz erheblicher Bemühungen in den letzten Wochen konnte die erforderliche Liquidität für eine außergerichtliche Restrukturierung nicht in ausreichendem Maße sichergestellt werden", räumte Signa ein. Die rund 120 Banken, die Benko Geld geliehen hatten, hatten sich zwar auf ein Stillhalteabkommen verständigt, um Signa nicht ins Kippen zu bringen. Letztlich fehlten Signa aber kurzfristig rund 400 Millionen Euro, um die laufenden Kosten etwa für Löhne und die Baustellen zu decken, wie ein Insider sagte. Bei fünf großen Bauprojekten, allen voran dem 64-stöckigen "Elbtower" in Hamburg, in München, Berlin und Düsseldorf waren die Arbeiten schon ins Stocken geraten, weil die Baufirmen kein Geld mehr sahen.

Nun gehe es darum, zusammen mit einem Sanierungsverwalter die Verbindlichkeiten neu zu ordnen und die Werthaltigkeit der Beteiligungen zu sichern, erklärte Signa.

BANKEN MÜSSEN BANGEN

Zu den größten Kreditgebern von Signa gehören die Schweizer Bank Julius Bär, die einem Insider zufolge ein Engagement von mehr als 600 Millionen Franken bei Signa hat, und die Wiener Raiffeisen Bank International (RBI). Deren Risikochef hatte ein Risiko von 755 Millionen Euro genannt, bei cdem es laut Insidern ebenfalls um Signa ging. Eine Summe in ähnlicher Höhe schuldet Signa der zur italienischen Unicredit gehörenden Bank Austria. Deutsche Landesbanken wie die Helaba und die BayernLB stehen jeweils mit dreistelligen Millionensummen im Feuer. Ob und wie viel sie nun abschreiben müssen, hängt davon ab, womit ihre Kredite besichert sind. Einige dürften ihre Ansprüche nun mit Abschlägen an Hedgefonds verkaufen, sagte ein Insider.

In einem österreichischen Sanierungsverfahren muss für die Gläubiger mindestens eine Quote von 30 Prozent herausspringen. Wichtig sei, dass die Investoren, vor allem der Banken-Sektor, stabil seien, sagte der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). Er ging auf Distanz: "Derjenige hinter dieser Investitionsfirma wird immer wieder mit uns in Zusammenhang gebracht, obwohl er nicht der Volkspartei gespendet hat." Benko hatte jahrelang beste Kontakte in die österreichische Politik gepflegt.

DAS LANGE SCHWEIGEN

Druck auf Benko hatten zuletzt die Miteigentümer der Signa Holding ausgeübt. Dem Tiroler Bauunternehmer Hans-Peter Haselsteiner (Strabag) gehören 15 Prozent der Anteile, dem Eigentümer der Tierfutterkette Fressnapf, Torsten Töller, 4,5 Prozent. Bei Tochterfirmen sind der deutsch-schweizerische Investor Klaus-Michael Kühne (Kühne + Nagel) und die RAG-Stiftung engagiert. Haselsteiner hatte Benko schon vor Wochen gedrängt, die Führung abzugeben. Medienberichten zufolge verhandelte der 46-Jährige aber bis zuletzt selbst mit möglichen Investoren. Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Spiegel" erwägen erste Geldgeber Strafanzeigen gegen den Firmengründer. Die desolate Lage sei absehbar gewesen, daher gebe es "Zeichen für eine Insolvenzverschleppung", argumentierten die Investoren. Der österreichische Kreditschutzverband von 1870 (KSV1870) erklärte, Signa habe durch das lange Schweigen massiv an Vertrauen eingebüßt.

Der Insolvenz-Spezialist Arndt Geiwitz, der zuvor Galeria saniert hatte, blieb in einer Beraterrolle, anstatt operativ tätig zu werden. Signa machte die Expansion in den stationären Handel für die Schieflage mitverantwortlich: "Die Investitionen in diesem Bereich haben nicht den erwarteten Erfolg gebracht." Dazu sei die Krise im Immobiliensektor gekommen, hieß es in der Mitteilung.

WEIHNACHTSGESCHÄFT BRINGT GALERIA LIQUIDITÄT

Galeria hatte zweimal ein Schutzschirmverfahren durchlaufen und in der Corona-Krise 680 Millionen Euro vom deutschen Staat bekommen. Die Warenhauskette aus Kaufhof und Karstadt steht vor dem Weihnachtsgeschäft. Die Einnahmen daraus dürften vorerst für die nötige Liquidität sorgen. "Aber danach, sobald die neue Ware bestellt werden muss, kann es schnell schwierig werden", sagte Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein der "WirtschaftsWoche". Signa hatte Galeria 200 Millionen Euro Kapital in Aussicht gestellt - das Geld dürfte nun ausbleiben. Im Gegenzug könnte Galeria die Mieten für die Warenhäuser kürzen, die Signa gehören. Die Gewerkschaft Verdi wünscht sich für Galeria und die 12500 Beschäftigten einen neuen Eigentümer mit Kompetenz im Handel, wie Bundesfachgruppenleiterin Corinna Groß sagte.

Ob und wann weitere Signa-Gesellschaften in die Insolvenz rutschen, ist unklar. "Aus heutiger Sicht ist nicht seriös einschätzbar, ob weitere Gesellschaften der Signa-Gruppe einen Insolvenzantrag stellen werden und es zu einem Dominoeffekt kommen wird", sagte Karl-Heinz Götze, der Chef des Bereiches Insolvenzen im KSV1870. Allein in Österreich gibt es 36 Signa-Beteiligungen. Am Donnerstag wird eine Anleihe der Tochter Signa Prime über rund 200 Millionen Euro fällig. Einem Insider zufolge versucht die Gesellschaft, in Gesprächen mit Investoren frisches Geld aufzutreiben. Es sei aber offen, ob dies gelingen werde.

(Mitarbeit von Emma-Victoria Farr. Geschrieben von Alexander Hübner, redigert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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