Münchener Rück - "Normale" Unwetter prägen Naturkatastrophen-Bilanz

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- von Alexander Hübner

München (Reuters) - Kein verheerender Hurrikan, keine teure Sturzflut - und doch haben Naturkatastrophen 2023 nach Berechnungen der Münchener Rück 250 Milliarden Dollar Schaden angerichtet.

"Die Schadenbilanz war im vergangenen Jahr vergleichbar mit den Vorjahren. Bemerkenswert ist aber, dass das ohne ein einzelnes Ereignis mit einem versicherten Schaden von mehr als zehn Milliarden Dollar zustande kam. Das Grundrauschen ist lauter geworden", sagte der Chef-Klimawissenschaftler des weltgrößten Rückversicherers, Ernst Rauch, der Nachrichtenagentur Reuters. 2022 hatte allein der Hurrikan "Ian" Schäden von 100 Milliarden Dollar angerichtet, 60 Milliarden davon trugen die Versicherer.

Im vergangenen Jahr bestimmten Unwetter und schwere Gewitter mit Hagel die Naturkatastrophen-Bilanz, vor allem in Nordamerika und Europa. Sie allein richteten 76 Milliarden Dollar Schaden an, 58 Milliarden Dollar davon waren versichert. "Wir müssen uns auf solche Schadenhöhen einstellen", warnt Rauch. "Schadenereignisse, die man früher als sekundär angesehen hat, sind in der Summe zu einem wichtigen Schadentreiber geworden." Das müssten auch die Rückversicherer, die die Erstversicherer gegen solche Katastrophen absichern, in ihren Preisen einkalkulieren.

Am Extremwetter schuld ist für Rauch auch der Klimawandel. Bis Ende November lagen die Temperaturen 2023 global 1,3 Grad über dem Wert aus der Zeit zwischen 1850 und 1900. "Die seit Jahren beschleunigte Erderwärmung verstärkt in vielen Regionen die Wetterextreme und damit das Schadenspotenzial. Bei höheren Temperaturen verdunstet mehr Wasser, und mit der zusätzlichen Feuchtigkeit steigt in der Atmosphäre die potenzielle Energie für starke Unwetter", sagt der Klimaexperte. Das erklärt auch die jüngsten Überschwemmungen in Niedersachsen. "Weihnachts-Hochwasser gab es in Deutschland schon häufiger", sagt Rauch. "Allerdings nehmen die Niederschläge im Winter in Mitteleuropa seit Jahrzehnten zu, während es im Sommer weniger werden."

Rauch setzt auf Prävention, etwa beim Bauen. Sonst drohten steigende Preise für Wohngebäudepolicen. "Mit wachsenden Risiken steigen auch die Kosten für deren Absicherung." Das sei auch ein soziales Thema, sagt der Münchener-Rück-Forscher. "Ich halte es aber für sehr unwahrscheinlich, dass man sich als Hausbesitzer in Deutschland Naturkatastrophenschutz in absehbarer Zeit nicht mehr leisten kann", gibt er Entwarnung. Die Prämien liegen meist bei niedrigen dreistelligen Summen pro Jahr. Zum Vergleich: In Hurrikan-Regionen etwa in Florida können die Prämien bei 5000 bis 7000 Dollar liegen.

58.000 TOTE BEI ERDBEBEN IN DER TÜRKEI UND SYRIEN

Die teuerste Naturkatastrophe des Jahres war zugleich die tödlichste: das Erdbeben in der Türkei und in Syrien. 58.000 Menschen starben. Von den rund 50 Milliarden Dollar Schaden an Häusern, Straßen und Brücken waren nur 5,5 Milliarden durch Versicherungspolicen abgedeckt, obwohl es in der Türkei eine Pflicht-Versicherung für Wohngebäude gibt. Insgesamt verloren 74.000 Menschen 2023 bei Naturkatastrophen ihr Leben, so viele wie seit dem Erdbeben 2010 in Haiti nicht mehr.

Insgesamt lagen die Naturkatastrophen-Schäden 2023 mit 250 (2022: 250) Milliarden Dollar auf dem Durchschnitts-Niveau der vergangenen fünf Jahre, die versicherten Schäden mit 95 (2022: 125) Milliarden Dollar sogar um zehn Milliarden unter dem Fünfjahres-Schnitt.

Dabei hatten die Versicherer auch Glück: Einer der schwersten Hurrikane, "Idalia", traf auf eine dünn besiedelte Region in Florida, viele andere erreichten nicht das Festland. Und in vielen Weltregionen ist die Versicherungsdichte gering: So blieben beim Taifun "Doksuri" in China, Vietnam und auf den Philippinen nur zwei Milliarden Dollar bei den Versicherern hängen - bei einem Gesamtschaden von 25 Milliarden. Der Hurrikan "Otis" richtete unter anderem im mexikanischen Badeort Acapulco zwölf Milliarden Dollar Schaden an, nur ein Drittel davon waren versichert.

(Bericht von Alexander Hübner, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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