SNB-Chef Jordan tritt nach turbulenten Jahren überraschend zurück

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- von John Revill und Oliver Hirt

Zürich (Reuters) - Der Chef der Schweizerischen Nationalbank (SNB), Thomas Jordan, nimmt überraschend seinen Hut. Nach über zwölf Jahren im Amt wird Jordan Ende September seinen Posten abgeben, wie die Notenbank am Freitag mitteilte. Nach der Bewältigung eine Reihe von Krisen sei jetzt der richtige Zeitpunkt für den Rücktritt gekommen, erklärte der 61-Jährige auf einer Medienkonferenz. "Wir haben wieder Preisstabilität und Finanzstabilität." In seine bewegte Amtszeit fielen unter anderem der Kampf gegen einen zu starken Franken, Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie und der Untergang der Credit Suisse. Zur Nachfolge äußerte sich die SNB vorerst nicht.

Der Bankrat bedauerte den Entscheid. "Dank den gezielten organisatorischen und personellen Verstärkungen der letzten Jahre ist die Nationalbank bestens gerüstet, um ihre wichtigen Aufgaben in der Zukunft zu meistern", erklärte die Präsidentin des Aufsichtsgremiums, Barbara Janom Steiner. Auch von unabhängiger Seite bekam der unter anderem an der US-Eliteuniversität Harvard ausgebildete Ökonom Lob. "Er hat hervorragende Arbeit geleistet und wird sehr schwer zu ersetzen sein", sagte Karsten Junius, Ökonom bei J.Safra Sarasin. "Aber vielleicht ist das Ende seiner Ära auch eine Chance, die Entscheidungsfindung bei der SNB zu erweitern." Jordan musste sich wiederholt gegen Vorwürfe wehren, dass er bei den Entscheidungen der SNB eine zu dominante Rolle spiele.

KOMMT EINE FRAU?

Vor allem für die Handhabung des Credit-Suisse-Untergangs musste die SNB Kritik einstecken, weil sie zu spät auf die sich ausbreitende Krise bei der Großbank reagiert habe. Recherchen und Gespräche der Nachrichtenagentur Reuters mit über zwei Dutzend Personen zeigten, wie uneins und zögerlich die SNB, die Schweizer Finanzmarktaufsicht und die Regierung agierten. Als es zum Showdown kam, waren sie eigentlich immer noch mangelhaft auf den Niedergang vorbereitet. Zum Schluss gab es nur noch eine Option - den Verkauf der Credit Suisse an den Branchenprimus UBS, unterstützt durch staatliche Garantien von mehr als 200 Milliarden Franken.

Jordan und auch die übrigen Behörden habe Vorwürfe für die Handhabung der Krise indes wiederholt zurückgewiesen. "Meine Entscheidung wurde in keiner Weise durch den Fall Credit Suisse beeinflusst", erklärte Jordan. Im Nachgang zum Untergang wurde Jordan dafür kritisiert, dass er sich nicht mit einer "Whatever it takes"-Aussage hinter die strauchelnde Großbank gestellt hatte, wie es der damalige EZB-Chef Mario Draghi 2012 zur Stabilisierung des Euro getan hatte. Jordan erklärte, die SNB habe für eine solche Intervention nicht die gesetzliche Kompetenz. "Es gibt keine Zentralbank auf der Welt, die in der Lage ist, Depositen zu garantieren oder Liquidität ohne Sicherheit zu garantieren, geschweige denn eine Bank zu übernehmen." Der CS-Fall habe seine Gesundheit nicht beeinträchtigt, sagte Jordan. "Ich fühle mich zu 100 Prozent fit und könnte noch viele Jahre Präsident der Nationalbank bleiben.

Als ein möglicher Nachfolger für Jordan als Direktoriumspräsident gilt sein Stellvertreter und Zögling Martin Schlegel. Nicht ausgeschlossen ist auch, dass Andrea Maechler zur SNB zurückkehrt. Die erste Frau im SNB-Direktorium schied 2023 aus und wechselte zur Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel, nachdem sie bei der Ernennung von Jordans Stellvertreter übergangen worden war. Der Nachfolger oder die Nachfolgerin muss Schweizer Staatsbürger sein. SNB-Direktoriumsmitglieder werden vom Bankrat nominiert und auf dessen Vorschlag hin von der Regierung ernannt. In dem elfköpfigen Rat sitzen neben Wirtschaftsvertretern auch Politiker und Wissenschaftler.

"SEHR SCHWEIZERISCH"

Der aus dem Kanton Bern stammende Jordan war 1997 in die SNB eingetreten und wurde 2007 Mitglied des Direktoriums. 2012 übernahm er die Leitung der Notenbank von Philipp Hildebrand, der als Folge von umstrittenen Devisenmarkt-Transaktionen seiner damaligen Frau zurücktreten musste. Jordan hob sich im Stil deutlich vom international ausgerichteten ehemaligen Hedgefonds-Manager Hildebrand ab, der die große Bühne suchte. "Thomas Jordan ist sehr schweizerisch - er ist sehr kompetent, aber auch sehr bescheiden. Er kennt die SNB von hinten bis vorne, er kennt sich wirklich aus, aber er ist überhaupt nicht arrogant", beschrieb ein Schweizer Ökonom den Notenbankchef. Im Jahr 2020 wurde Jordan von der Schweizer Regierung für eine weitere Amtszeit bis 2027 ernannt. Mit einem Gesamtgehalt von 1,35 Millionen Franken im Jahr 2022 dürfte er weltweit zu den bestbezahlten Notenbankern gehören.

Der Wirtschaftsprofessor galt weithin als Inbegriff eines fleißigen Technokraten. Gleichzeitig scheute er sich nicht, große und manchmal unpopuläre Entscheidungen zu treffen. 2015 löste die Aufhebung der Anbindung des Frankens an den Euro heftige Turbulenzen an den Devisenmärkten aus. Nachdem die SNB jahrelang gegen eine weitere Erstarkung des für die Exportindustrie schädlichen hohen Frankenkurses vorgegangen war, schwenkte die Notenbank nach der Coronakrise verstärkt auf die Bekämpfung der Inflation um. Die SNB half mit, den Preisanstieg in der Schweiz deutlich geringer zu halten als in anderen Teilen der Welt.

(Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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