Kolumne von Stefan Riße

Magnificent Seven - Gab es alles schon!

Stefan Riße · Uhr
Quelle: gguy/Shutterstock.com

Die Konzentration auf immer weniger Aktien, die den Markt treiben und die ihrerseits einen immer größeren Anteil an der Marktkapitalisierung des Aktienmarktes beziehungsweise eines Index haben, gab es schon, nur unter einem anderen Namen. Die Magnificent Seven sind insofern kein Novum.

Man muss nur lang genug in der Geschichte zurückgehen, nämlich rund 50 Jahre. Da gab es das Phänomen der Nifty-Fifty-Aktien.

Nifty Fifty waren Unternehmen, die zumeist als globale Konzerne agierten und deren Wachstum auch als unbegrenzt erschien. Das KGV lag oft über 50.

Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGVs) dieser Firmen lag deutlich höher als die der Magnificent Seven heute. Anfang der Siebzigerjahre machten die fünf größten Aktien AT&T, General Motors, Exxon, Eastman Kodak und IBM – wobei nur die letzten beiden zu den Nifty Fifties zählten – rund 25 Prozent der Marktkapitalisierung des US-Aktienmarktes aus. Genauso ist es heute mit den fünf größten Technologieaktien an der Wall Street.

Nichts währt für die Ewigkeit

Wie wir heute wissen, waren diese Superaktien von damals nicht die Superaktien für die Ewigkeit. Noch Mitte der Achtzigerjahre konnte man sich keine Welt ohne IBM vorstellen, so dominant war deren Marktstellung im Bereich der PCs. Heute ist das Unternehmen ein IT-Dienstleister. Die PC-Herstellung wurde an das chinesische Unternehmen Lenovo verkauft.

Eastman Kodak haben die digitalen Handykameras endgültig den Garaus gemacht. General Motors war zwischenzeitlich insolvent und hat heute nichts Herausragendes mehr wie damals seine Produktion auf Plattformbasis.

AT&T war so groß und dominant, dass sie in viele sogenannte Baby Bells zerschlagen wurde. Exxon ist immer noch von Bedeutung, allerdings in einer Industrie, die im Zuge der Umstellung auf erneuerbare Energien endlich sein dürfte. Die Superstars sind heute andere.

Dieser Blick in die Geschichte lehrt, das Dinge, die einem zwingend und unabänderbar erscheinen, sich dann doch irgendwann verändern. Die Gründe für den Verlust an Bedeutung der fünf genannten Aktien sind unterschiedliche.

Bei IBM war es zunächst das Betriebssystem Windows, dass auch auf anderen Computern lief. Damit waren die Amerikaner nur noch ein Computerhersteller neben anderen und der Konkurrenzdruck stieg enorm.

Bei Eastman Kodak war es ebenfalls technologische Disruption. General Motors wurde von der japanischen Billigkonkurrenz an die Wand gedrückt. AT&T wurde das Opfer staatlicher Regulierung. Exxon wuchs weiter, andere aber wuchsen schneller. 

Blüht den Magnificent Seven das gleiche Schicksal wie den Nifty Fifties?

Schauen wir heute auf die Magnificent Seven, muss man sich unweigerlich die Frage stellen, wer oder was ihnen gefährlich werden könnte in der Zukunft? Ist ihre Marktstellung so gut wie die der damals fünf größten Unternehmen und sind sie trotzdem genauso wie diese angreifbar? Oder ist ihre Marktstellung noch besser? Die Beantwortung ist nicht einfach.

Am leichtesten fällt sie bei Nvidia. Vor einigen Jahren war Intel der dominante Halbleiterhersteller und man konnte sich kaum vorstellen, dass Intel abgelöst würde. Doch das Verschlafen bei der Entwicklung der GPUs, also der Grafikkarten, hat genau dazu geführt. Das gleiche könnte Nvidia genauso passieren.

Bei Apple drängt sich zunächst der Vergleich mit Nokia auf. Auch die waren dominant im Bereich der Mobiltelefone und dann doch in wenigen Monaten bedeutungslos geworden, als das iPhone kam. Aber hier gibt es doch feine Unterschiede. Aus meinem Nokia-Handy konnte ich die Sim-Karte herausnehmen, auf der die Kontakte gespeichert waren, und mit einem Siemens oder Motorola Telefon sofort weitermachen.

Das Ökosystem von Apple ist deutlich klebriger. Einmal mit allen Fotos und Apps und verschiedenen Geräten in der iCloud gelandet, ist es bedeutend schwieriger, hier wieder weg zu kommen. Auszuschließen wäre es aber nicht, würde Apple technologisch irgendwann zurückfallen. Es könnte Smartphones oder Virtual-Reality-Geräte geben, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Vielleicht solche, die mit reiner Gedankenkraft funktionieren und wo Apple dann nicht mehr technologisch führend wäre.

Tesla könnte genau das gleiche Schicksal blühen wie General Motors. Dass Daten zukünftig beim Automobil dazu führen, dass auch hier die „The Winner Takes It All“-Logik greift, ist bisher überhaupt nicht erkennbar.

Etwas anders sieht es aus meiner Sicht bei Alphabet, Amazon und Meta aus. Sie haben Marktplätze und Treffpunkte im Internet erschaffen, wo der Nutzen für alle, Anbieter wie Nachfragende, der größte ist, wenn sich alle auf einer Plattform treffen. Die Wahrscheinlichkeit ist eben am größten, dass ich alte Freunde bei Facebook finde, wenn alle dort sind.

Und suche ich beispielsweise als Influencer Publikum, werde ich da die meisten erreichen, wo die meisten registriert und online sind. Und das Publikum hat gleichzeitig die größte Auswahl an Idolen. Der Zeitgeist, alles mit allen und jedem zu teilen und öffentlich zu machen, könnte sich irgendwann aber auch wieder ändern, warum Meta wahrscheinlich noch am stärksten gefährdet ist von den dreien. Auch ändern sich die Plattformen mit den Generationen. Man sieht ja, dass gerade bei den jungen Leuten TikTok dem Konzern von Mark Zuckerberg schon gewisse Schwierigkeiten bereitet.

Aber Amazon als universeller Marktplatz der Welt und Alphabet mit Google als der universellen Suchmaschine, Google Maps und YouTube sind für mich nur schwer wegzudenken. Und dann ist da natürlich noch Microsoft, die die Hoheit in unseren Büros besitzen, von der wir alle, die wir an einem Computer arbeiten, Lizenzen abonnieren müssen. Wie soll ein anderes Betriebssystem Microsoft von seinem Thron verdrängen. Klar, es gibt das von Apple, aber spätestens bei den Office-Anwendungen ist es einfach sinnvoll, wenn wir alle die gleichen Programme benutzen, um problemlos miteinander Dateien auszutauschen. 

Es spricht insofern doch einiges dafür, dass die Magnificent Seven eine noch deutlich dominantere Marktstellung haben als die Nifty Fifties von damals. Größe und Monopolstellung ergaben sich aufgrund von vorübergehender Überlegenheit in der Produktionstechnik oder Produktqualität, aber sie waren kein sich selbst verstärkender Vorteil an sich, sondern nur eine Folge.

Aber bekanntlich lehrt die Geschichte auch, dass nichts unmöglich ist, und man sollte darauf gefasst sein, dass auch bei diesen Unternehmen nicht alle für alle Ewigkeit die Gewinner sind. Und die Kurse können zwischenzeitlich immer stark einbrechen. So passierte es auch Ende 1972 mit den Nifty- Fifty-Aktien. Die Blase platzte und viele verloren 50 Prozent an Wert, weit bevor klar, dass auch das operative Wachstum nicht ewig währen würde.

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