Wissing-Brief zu Fahrverbot löst neuen Ampel-Streit aus

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Berlin (Reuters) - Grüne und SPD haben verärgert auf die Drohung von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) mit Fahrverboten wegen des Klimaschutzes reagiert.

"Es ist nicht verantwortungsvoll für einen Minister, unbegründete Ängste zu schüren", erklärte die Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge am Freitag. Die Grünen hielten Fahrverbote nicht für sinnvoll. "Stattdessen sollte Volker Wissing seine Aufgabe wahrnehmen und endlich sinnvolle Vorschläge für mehr Klimaschutz im Verkehrssektor machen." Maßnahmen gebe es genug. "Und wir warten seit zwei Jahren darauf, dass der Verkehrsminister handelt." SPD-Vize-Fraktionschef Detlef Müller sagte: "Panikmache durch abwegige Vorschläge hilft dem Klimaschutz im Verkehrsbereich überhaupt nicht, im Gegenteil." Solche Manöver brächten die Verhandlungen im Bundestag zum neuen Klimaschutzgesetz nicht voran.

Rückendeckung bekam FDP-Politiker Wissing von seinem Parteichef Christian Lindner: "Das Klimaschutzgesetz der Vorgängerregierung kann bald zu Fahrverboten führen!", warnte der Bundesfinanzminister auf "X". Wissing hatte im monatelangem Streit um ein neues Klimaschutzgesetz erklärt, es drohten ohne Einigung Fahrverbote an Wochenenden. Sollte es nicht vor Mitte Juli in Kraft treten, müsse er dem aktuellen Klimagesetz zufolge mit Fahrverboten reagieren. Nur so könnten die Emissionen seines Sektors gesetzeskonform reduziert werden. "Eine entsprechende Reduzierung der Verkehrsleistung wäre nur durch restriktive und der Bevölkerung kaum vermittelbare Maßnahmen wie flächendeckende und unbefristete Fahrverbote an Samstagen und Sonntagen möglich", schrieb er in einem Brief an die Ampel-Fraktionschefs.

UMWELTHILFE: WISSING GIBT DAMIT RECHTSBRUCH ZU

Die SPD-Klimaexpertin Nina Scheer sagte Reuters: "Die Einordnung von Herrn Wissing lässt die im Verkehrsbereich etwa über ein Tempolimit bestehenden CO2-Minderungsoptionen vermissen und führt damit zu vermeidbaren Fehlannahmen." Die Deutsche Umwelthilfe warf Wissing vor, er sei in Panik. "Mit seinem Panik-Brief gesteht Wissing ein, dass er seit Amtsantritt gegen Recht und Gesetz und damit gegen die Verpflichtung zu wirksamen Klimaschutzmaßnahmen im Verkehrsbereich verstößt", sagte Geschäftsführer Jürgen Resch.

Hintergrund des Wissing-Briefs ist, dass der Verkehrssektor wiederholt seine bestehenden Vorgaben zum Ausstoß von CO2 überschritten hat. Im aktuellen Klimaschutzgesetz hat jeder Sektor für jedes einzelne Jahr eine Höchstgrenze. Wird diese überschritten, muss der verantwortliche Minister ein Sofortprogramm auflegen, um wieder auf Kurs zu kommen. Dies gilt, selbst wenn Deutschland insgesamt sein Klimaziel schafft.

In vergangenen Jahren hatte Wissing die Vorgabe aber zur Empörung von Klimaschützern weitgehend ignoriert und darauf verwiesen, dass das Gesetz ohnehin geändert werden solle. Eine Rechtsauffassung, die das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg abschmetterte und Deutschland und damit Wissing zur Einhaltung des Gesetzes verpflichtete. Die Bundesregierung hat dagegen aber Berufung vor dem Bundesverwaltungsgericht als höchste Instanz eingelegt. Damit will die Regierung offenbar vor allem Zeit gewinnen, bis das neue Gesetz geeint und in Kraft ist.

Es soll den einzelnen Sektoren mehr Spielraum geben und einen Ausgleich mit anderen Bereichen wie der Energiewirtschaft bei den Vorgaben möglich machen. Zudem soll es eine jahresübergreifende Betrachtung mit Blick auf die Zukunft geben. Das alles würde den Druck vom Verkehrssektor nehmen. Ein Entwurf des Klimaministeriums von Robert Habeck (Grüne) liegt dazu seit neun Monaten vor, der FDP geht er aber nicht weit genug. Um den Druck auf die Ampelpartner zu erhöhen, hat die FDP Koalitionskreisen zufolge auch das Paket zur Solarförderung, das fertig geschnürt ist, blockiert.

Auch 2023 hatte der Verkehrssektor seine Ziele erneut verfehlt. Am Montag wird der von der Regierung eingesetzte Expertenrat für Klimafragen - wie im Gesetz vorgesehen - die Zahlen analysieren und voraussichtlich erneut ein Sofortprogramm von Wissing als rechtlich zwingend bezeichnen.

(Bericht von Markus Wacket; redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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