Bundesrechnungshof fordert durchgreifende Konsolidierung des Bundesetats

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Berlin (Reuters) - Der Bundesrechnungshof hat von der Bundesregierung einen mehrjährigen Plan für eine durchgreifende Konsolidierung des Bundeshaushalts gefordert.

Dazu gehörten eine zielgenauere Ausrichtung von Sozialausgaben "auf die wirklich Bedürftigen und Schwachen" ebenso wie eine Stärkung der Einnahmenbasis, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme. Neue Abgaben oder der Abbau von Steuervergünstigungen müssten ergebnisoffen diskutiert werden. Neben einer Priorisierung der Aufgaben müsse sich der Bund auch von Aufgabenfeldern lösen. Ein Anfang könne darin bestehen, dass sich der Bund aus der Mitfinanzierung originärer Länderaufgaben zurückziehe.

BRH-Präsident Kay Scheller forderte in seiner Funktion als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung einen Konsolidierungsplan über den Finanzplan bis 2028 hinaus, der derzeit in der Bundesregierung ebenso wie der Haushalt 2025 entworfen wird. "Der Bund braucht eine mittel- und langfristige Perspektive von mindestens fünf bis zehn Jahren für die wichtigen Zukunftsbereiche Verteidigung, Klimaschutz und Sozialversicherung", sagte Scheller. Die Lage sei ernst: "Das erfordert einen durchgreifenden Konsolidierungsplan, der alle gesellschaftlichen Gruppen berücksichtigt und der es ihnen ermöglicht, sich auf Belastungen rechtzeitig einzustellen."

Eine Absage erteilte Scheller Überlegungen von Finanzminister Christian Lindner (FDP), die ab 2028 einsetzende Tilgung der Rekordschulden aus der Corona-Pandemie erneut zu strecken und dadurch Spielraum für den Haushalt zu bekommen. Das wären ab 2028 jährlich zunächst 9,2 Milliarden Euro. Wenn man die Lasten aus der Pandemie und dem sogenannten Sondervermögen zur Modernisierung der Bundeswehr zusammennehme, gehe es um zwölf Milliarden Euro pro Jahr, ergänzte Lindner am Montag. "Davon halten wir nichts", sagte Scheller. "Das würde das Problem der Tilgung verlängern und den Zinsaufwand weiter nach hinten schieben und vergrößern. Und das würde Generationen betreffen, die heute Kinder oder noch gar nicht geboren sind."

Scheller kritisierte, dass es keine Fortschritte beim Abbau von klimaschädlichen Steuervergünstigungen gebe. "Wir sprechen da von über 18 Milliarden Euro pro Jahr", sagte der Behördenchef. Der BRH habe auch Vorschläge gemacht für eine Reform der Umsatzsteuererleichterung. Mit beiden Maßnahmen ließen sich "ganz große Einnahmeverbesserungen erzielen, aber eben auf viele Schultern verteilt".

"SCHULDEN HABEN EINEN PREIS"

Der BRH warnte zugleich vor immer höheren Schulden. Bis Ende 2023 sei die Schuldenlast des Bundes auf über 1600 Milliarden Euro gestiegen. "Die Erfahrung zeigt, dass der Bund einmal aufgenommene Schulden nie wieder zurückzahlt", heißt es in der Stellungnahme. Zur Tilgung fälliger Kredite würden stattdessen neue Schulden aufgenommen. Der Preis dafür seien Zinszahlungen, die den Spielraum im Haushalt weiter einschränkten. Im Etat 2024 sei eine Nettokreditaufnahme von 39 Milliarden Euro ausgewiesen. Diese werde fast vollständig benötigt, um die für 2024 geplanten Zinsausgaben von 37,4 Milliarden Euro zu begleichen.

Lange bekannte und drängende haushaltspolitische Fragen sind nach Einschätzung des BRH nach wie vor ungelöst. Dazu zählten die Finanzierung der militärischen Verteidigungsfähigkeit über das schuldenfinanzierte 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen hinaus ab dem Jahr 2028 wie auch die Finanzierung des klimaneutralen Umbaus von Gesellschaft und Wirtschaft. Für die Sozialversicherungen fehlten Tragfähigkeitskonzepte. Im Bundesetat seien 90 Prozent der Ausgaben fest gebunden. Für unerwartete Probleme gebe es keinen fiskalischen Risikopuffer.

(Bericht von Holger Hansen, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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