Verfassungsschutz darf AfD weiter beobachten

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- von Elke Ahlswede

Münster (Reuters) - Der Verfassungsschutz darf nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster die AfD weiter als Verdachtsfall beobachten.

Das in dem Berufungsverfahren zuständige Gericht wies am Montag eine Klage der Partei ab. Der 5. Senat begründete seine Entscheidung damit, dass es hinreichende Anhaltspunkte dafür gebe, dass die AfD Bestrebungen gegen das Demokratieprinzip verfolge.

"Der Rauchmelder der Verfassung schrillt", sagte der Vorsitzende Richter Gerald Buck. "Ist das ein Brand oder nur Rauch um nichts?" Dies zu erhellen und zu überwachen sei Aufgabe des Verfassungsschutzes. Bundesinnenministerin Nancy Faeser wertete die Entscheidung als Zeichen einer "wehrhaften Demokratie". Die AfD signalisierte, gegen die Gerichtsentscheidung vorgehen zu wollen.

"Die wehrhafte Demokratie des Grundgesetzes ist kein zahnloser Tiger", sagte Richter Buck. "Sie soll aufmerksam und durchsetzungsstark sein. Aber sie beißt nur im nötigsten Fall zu und lässt sich auch nicht zu schnell provozieren." Er betonte zugleich, dass die Einstufung als Verdachtsfall nicht automatisch bedeute, dass eine extremistische Bestrebung als erwiesen angenommen werden könne.

Die durch das Gericht bestätigte Einstufung erlaubt dem Inlandsgeheimdienst eine weitere Beobachtung der Partei mit nachrichtendienstlichen Mitteln. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Eine Revision wurde zwar nicht zugelassen. Die AfD kann aber beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde einlegen und sich so um eine Überprüfung bemühen.

DISKRIMINIERUNG NACH ABSTAMMUNG

"Nach Überzeugung des Senats liegen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die AfD Bestrebungen verfolgt, die gegen die Menschenwürde bestimmter Personengruppen sowie gegen das Demokratieprinzip gerichtet sind", erklärte das Gericht. "Es besteht daher der begründete Verdacht, dass es den politischen Zielsetzungen jedenfalls eines maßgeblichen Teils der AfD entspricht, deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund nur einen rechtlich abgewerteten Status zuzuerkennen." Dies stelle eine nach dem Grundgesetz eine unzulässige Diskriminierung aufgrund der Abstammung dar. Der Verfassungsschutz habe bei seinen Maßnahmen die Verhältnismäßigkeit gewahrt. Das Vorgehen sei mit dem Grundgesetz, dem Europarecht und dem Völkerrecht vereinbar.

"Unser Rechtsstaat hat Instrumente, die unsere Demokratie vor Bedrohungen von innen schützen", sagte die SPD-Politikerin Faeser. "Genau diese Instrumente werden auch eingesetzt - und sind jetzt erneut von einem unabhängigen Gericht bestätigt worden." Es gehe nicht um Mittel der politischen Auseinandersetzung. "Wir werden die rechtliche Bewertung weiter von der politischen Auseinandersetzung, die wir in Parlamenten und öffentlichen Debatten führen, klar trennen."

Die AfD hatte sich gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln gewandt, das wegen des Verfassungsschutz-Dienstsitzes in der Stadt für den Fall in der Vorinstanz zuständig war. Das Kölner Gericht wies im März 2022 eine Klage der AfD gegen die rund ein Jahr zuvor erfolgte Einstufung als Verdachtsfall ab.

AFD: "ZU KURZER PROZESS"

Der stellvertretende AfD-Sprecher Peter Boehringer sagte, das Gericht habe "zu kurzen Prozess gemacht". Er signalisierte, dass sich die Partei gegen das Urteil wehren will. Der Beisitzer im Bundesvorstand der AfD, Roman Reusch, kritisierte, die Partei habe den Prozess ihrer Programmbildung nicht darlegen dürfen.

Zu Beginn der Verhandlung am OVG Mitte März stellte die AfD Befangenheitsanträge gegen die Richter. Ein Anwalt des Verfassungsschutzes warf ihr damals vor, damit das Verfahren in die Länge ziehen zu wollen. Das Gericht setzte Ende März vorsorglich 13 weitere Sitzungstage an. Am 7. Mai schloss das Gericht die mündliche Verhandlung und erklärte, die Beteiligten hätten Gelegenheit gehabt, ihre Sachanträge abschließend zu begründen.

Das Urteil fällt nach sieben Verhandlungstagen in den Wahlkampf für die Europawahl Anfang Juni und in die Vorbereitungen für die Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen. Die AfD ist Umfragen zufolge in den ostdeutschen Bundesländern besonders stark. Die Landesverbände Thüringen, Sachsen und auch Sachsen-Anhalt werden von den Verfassungsschutzbehörden dieser Länder als "gesichert rechtsextrem" eingestuft.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz erklärte, das Urteil verdeutliche, dass dem Inlandsgeheimdienst eine wichtige Frühwarnfunktion zukomme. "Dieser Aufgabe werden wir auch künftig weiter nachkommen."

(Redigiert von Thomas Seythal. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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